# taz.de -- EU-Gipfel zu Migration: Europa zäunt sich ein
> Mit „Infrastruktur“ will sich die EU gegen unerwünschte Migranten
> abschotten. Vor allem Österreich und Griechenland vertreten eine harte
> Linie.
IMG Bild: Griechische Grenzpolizei auf Patrouille nahe der Stadt Feres an der Staatsgrenze zur Türkei
Brüssel taz | Die Europäische Union hat die Absicht, Zäune zu errichten.
Sie schließt es jedenfalls nicht mehr explizit aus. Dies geht aus dem
[1][Beschluss des EU-Gipfels] hervor, der in der Nacht zu Freitag in
Brüssel zu Ende ging. Demnach können künftig EU-Mittel für „Infrastruktur“
an den Grenzen bereit gestellt werden. Ob das Zäune und Mauern oder
Wachtürme und Kameras sind, ließen die Staats- und Regierungschefs offen.
Die EU-Kommission hatte sich lange gegen die Finanzierung von Zäunen aus
der Gemeinschaftskasse gewehrt. Auch Deutschland und Luxemburg waren
dagegen. „Es wäre eine Schande, wenn eine Mauer in Europa gebaut würde mit
den europäischen Sternen drauf“, sagte Luxemburgs Regierungschef Xavier
Bettel in Brüssel. Eine harte Linie vertraten dagegen Österreich und
Griechenland. Wien drohte gar mit einer Blockade.
Der Gipfelbeschluss, der nach stundenlanger Debatte zustande kam, ist ein
dehnbarer Kompromiss. Das Wort „Infrastruktur“ kann so oder so ausgelegt
werden. In der Praxis dürfte nun vor allem Bulgarien EU-Geld erhalten, um
die Grenze zur Türkei aufzurüsten. Nach Schätzungen sind zwei Milliarden
Euro nötig. So viel steht im EU-Haushalt allerdings nicht bereit. Einen
Teil könnte die EU-Kommission finanzieren, den Rest Bulgarien.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach von zwei Pilotprojekten.
Eines sehe vor, die Grenze zwischen dem EU-Land Bulgarien und der Türkei
etwa mit Fahrzeugen, Kameras, Straßen und Wachtürmen zu sichern. Bei dem
zweiten Projekt soll es um die Registrierung von Migranten, ein schnelles
Asylverfahren sowie Rückführungen an der Außengrenze gehen. Einen Ort
nannte von der Leyen nicht.
## Bedarf an Fachkräften
Österreichs Kanzler Karl Nehammer sprach von einem Durchbruch. Die EU habe
einen „neuen Schwerpunkt“ in der Migrationspolitik, der nun
weiterentwickelt werden müsse. „Den Worten müssen Taten folgen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem vertretbaren Ergebnis. „Wir sind
in der Lage, uns zusammenzufinden und gemeinsame Positionen zu entwickeln,
die uns für die Zukunft helfen.“
[2][Kontrollen an den Außengrenzen] seien genauso nötig wie eine bessere
Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern, sagte Scholz. Die EU habe
einen großen Bedarf an Fachkräften, weshalb auch legale Migration notwendig
sei. Auch dieser Punkt hat es in die Gipfel-Schlussfolgerungen geschafft.
Dort ist nun von „wechsel-seitig vorteilhaften Partnerschaften“ die Rede.
Das derzeit größte Problem, die sogenannte Sekundärmigration, bleibt jedoch
ungelöst. Dabei geht es um Migranten, die nach ihrer Ankunft in einem
EU-Land in ein anderes weiter wandern, etwa nach Deutschland oder in die
Niederlande. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte hatte deshalb
Alarm geschlagen. Der Schengenraum gerate in Gefahr, sagte Rutte vor dem
Gipfeltreffen.
Auch die faire Verteilung von Migranten und Asylbewerbern auf die
EU-Staaten bleibt ein frommer Wunsch. Deutschland hat sie seit der großen
Krise der Jahre 2015/16 immer wieder angemahnt – vergeblich. Weil man sich
nicht einigen kann, geht es jetzt vor allem um Abschottung. Die Absicht,
Zäune und Mauern zu errichten, ist nicht mehr tabu. Österreich will weiter
Druck machen.
10 Feb 2023
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## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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