URI: 
       # taz.de -- EU-Gipfel zum Ukraine-Krieg: Bröckelnde Solidarität
       
       > Europa vereint für die Ukraine? Der EU-Gipfel zeigt ein etwas anderes
       > Bild. Sanktionen und Waffenlieferungen werden nur unzureichend umgesetzt.
       
   IMG Bild: In der Nähe von Kiew beobachten die Bewohner von Borodyanka den Abriss eines bombardierten Hauses
       
       Brüssel taz | Die Europäische Union stellt sich auf einen langen, womöglich
       jahrelangen Krieg in der Ukraine ein. Beim EU-Gipfel in Brüssel
       diskutierten die 27 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag darüber, wie
       „die Nachhaltigkeit unserer militärischen und finanziellen Unterstützung
       gewährleistet werden kann“ – so formulierte es Gipfelchef Charles Michel in
       seinem Einladungsbrief.
       
       Lettlands Ministerpräsident Krišjānis Kariņš warnte vor einem raschen
       Waffenstillstand. „Zum jetzigen Zeitpunkt würde ein Frieden oder ein
       Waffenstillstand ein Vorteil für Russland sein“, sagte Karins. Es würde
       Moskau Zeit geben, sich neu zu formieren, um Angriffe auf die Ukraine auf
       noch brutalere Weise fortzusetzen. Ähnlich äußerte sich Litauens
       Staatspräsident Gitanas Nausėda.
       
       Auf den ersten Blick ist die EU gut vorbereitet: So haben sich die
       Mitgliedsländer auf einen 18 Milliarden Euro schweren, zinsvergünstigten
       Hilfskredit geeinigt, der den Finanzbedarf der Regierung in Kyjiv im
       gesamten Jahr 2023 abdecken soll. Zudem wurde die sogenannte
       Friedensfazilität um 2 Milliarden Euro aufgestockt – sie dient als
       Kriegskasse für die Beschaffung von Waffen.
       
       Doch hinter den Kulissen bröckelt die Solidarität. So hat Ungarn bis
       zuletzt die Finanzierung der [1][Ukraine-Hilfe aus dem EU-Budget infrage
       gestellt]; erst in letzter Minute und unter erheblichem Druck lenkte die
       Regierung von Viktor Orbán ein. Beim Gipfeltreffen war es dann Polen, das
       Probleme bereitete. Warschau stellte den Ungarn-Deal, zu dem auch die
       Ukraine-Kredite gehören, infrage.
       
       ## Lebensmittelblockade oder Propaganda?
       
       Außerdem forderte Regierungschef Mateusz Morawiecki, das neunte
       Sanktionspaket nachzuschärfen. Man dürfe zudem nicht auf den russischen
       Wunsch eingehen, die bestehenden Sanktionen zu ändern, um russische
       Getreide- und Düngemittelexporte zu erleichtern. Dafür hatte sich unter
       anderem Deutschland stark gemacht, um das Getreide-Abkommen mit der Ukraine
       nicht zu gefährden. Es sieht auch Lockerungen für Russland vor.
       
       Deutschland und fünf weitere EU-Ländern fordern, Anpassungen vorzunehmen.
       Es gehe darum, Rechtssicherheit für den Export russischer Agrarprodukten
       und Düngemittel in Schwellenländer herzustellen, hieß es. Das hatte auch
       die Afrikanische Union gefordert. Andere Länder sehen Berichte über
       angeblich durch Sanktionen behinderte Agrarexporte hingegen als russische
       Propaganda.
       
       Das Gezerre um die Sanktionen zeigt, dass die EU langsam das Ende der
       Fahnenstange erreicht. Kanzler [2][Olaf Scholz hat in seiner
       Regierungserklärung] vor dem EU-Gipfel zwar weitere Strafmaßnahmen
       angekündigt. Im Entwurf für die Gipfelerklärung steht die Ukraine an
       erster Stelle, wie in vielen EU-Beschlüssen. Doch wenn es konkret wird,
       häufen sich die Bedenken.
       
       Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte etwa einen wesentlich
       strikteren Ölpreisdeckel von der EU gefordert – vergeblich. Die erst vor
       zwei Wochen beschlossene Maßnahme, die die Kriegskasse Russlands schmälern
       soll, hat bisher keine erkennbare Wirkung gezeigt.
       
       ## Wer liefert als Erster?
       
       Beim Gipfeltreffen in Brüssel legte Selenski, der per Video zugeschaltet
       war, noch einmal nach. Die EU-Staaten müssten so schnell wie möglich
       moderne Panzer liefern, so Selenski. „Ich bitte Sie darum, Führung zu
       zeigen.
       
       Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit
       für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der größten
       Verteidiger der Freiheit im Gedächtnis bleiben.“ Angesprochen fühlen dürfte
       sich vor allem Deutschland. In Berlin wird seit Wochen über die Lieferung
       deutscher Kampfpanzer diskutiert.
       
       15 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Korruption-in-Ungarn/!5891995
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/scholz-bundestag-regierungserklaerung-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR EU-Gipfel
   DIR EU-Sanktionen
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR EU-Gipfel
   DIR EU-Sanktionen
   DIR EU-Sanktionen
   DIR Schwerpunkt Korruption
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Millionen Ukrainer wieder mit Strom
       
       Ukraine meldet nach Raketenangriffen Erfolge bei Wiederherstellung der
       Stromversorgung. Doch Kyjiw fordert den Westen zu besserem Schutz auf.
       
   DIR Beschlüsse beim EU-Gipfel: Sanktionen und ein „Megadeal“
       
       In Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs neue Sanktionen gegen
       Russland beschlossen. Auch der europäische Gaspreisdeckel soll kommen.
       
   DIR EU-Sanktionen und Öltanker: Stau vor dem Bosporus
       
       Die Türkei will Öltanker nicht durchlassen. Denn wegen der EU-Sanktionen
       gegen russisches Öl treten Probleme mit der Versicherung auf.
       
   DIR Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Von der Leyens Resterampe
       
       Das neunte Sanktionspaket der EU enttäuscht. Sinnvoller wäre eine kritische
       Bestandsaufnahme der bisherigen Maßnahmen gewesen.
       
   DIR Korruption in Ungarn: Orbáns härtester Gegner
       
       Daniel Freund hat eine Mission: Der Europa-Abgeordnete will die Korruption
       unter Ungarns Premier bekämpfen. Eine Erkundungsfahrt nach Budapest.