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       # taz.de -- EU nach US-Wahl: Trumps Sieg kommt Orbán wie gerufen
       
       > Ungarns Premier Orbán will beim EU-Gipfel in Budapest die Mitgliedstaaten
       > auf den Kurs des neuen US-Präsidenten Trump bringen – auch in puncto
       > Ukraine.
       
   IMG Bild: Lässt die Korken knallen: Viktor Orban
       
       Brüssel/Berlin taz | Auf diesen Moment hat Ungarns [1][Ministerpräsident
       Viktor Orbán] lange hingearbeitet. „Ich weiß, was wir tun werden. Wir
       werden mehrere Flaschen Champagner öffnen“, erklärte Orbán schon Anfang
       Oktober im Europaparlament in Straßburg, als er auf einen möglichen
       Wahlsieg von Donald Trump angesprochen worden war.
       
       Nun ist es so weit – und der amtierende EU-Ratspräsident Orbán lässt es
       sich nicht nehmen, Trump als Erster zu gratulieren. Der Rechtsnationalist
       aus Budapest bescheinigte dem Populisten aus Washington am Mittwoch „das
       größte Comeback“ in der Geschichte der USA.
       
       Für Orbán kommt Trumps Wahlsieg gerade recht. An diesem Donnerstag leitet
       er einen EU-Sondergipfel in Budapest, dort will er Europa auf Trump-Kurs
       bringen. Vor allem die Ukraine-Politik müsse neu justiert werden, fordert
       Orbán, die EU könne die Kosten des Krieges nicht allein tragen.
       
       Äußerst ungelegen kommt Trumps Triumph dagegen für
       EU-[2][Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen]. Sie bastelt immer noch
       an ihrem Team. Fünf Monate nach der Europawahl haben gerade erst die
       Anhörungen der neuen Kommissare begonnen, die EU-Behörde ist noch nicht
       arbeitsfähig.
       
       ## Trump ist alles, nur kein Transatlantiker
       
       Doch das ist nicht das einzige Problem. Während Orbán über einen direkten
       Draht zu Trump verfügt, muss von der Leyen erst noch Kontakt suchen. Sie
       versucht es mit „herzlichen“ Glückwünschen und einer ziemlich direkten
       Aufforderung: „Lassen Sie uns gemeinsam an einer starken transatlantischen
       Agenda arbeiten“, fordert sie.
       
       Das dürfte jedoch ein frommer Wunsch bleiben. Denn Trump ist alles, nur
       kein Transatlantiker. Und ein EU-Fan ist er erwiesenermaßen auch nicht –
       ganz im Gegenteil: Europa sei eine Art „Mini-China“, klagte er vor der
       US-Präsidentschaftswahl. „Sie nehmen unsere Autos nicht, sie nehmen unsere
       landwirtschaftlichen Produkte nicht, sie nehmen gar nichts.“
       
       Um das zu ändern und Amerika wieder „great“ zu machen, hat Trump bereits
       Strafzölle von 10 oder 20 Prozent auf alle Importe aus der EU ins Spiel
       gebracht. Sollte ein Zoll von 20 Prozent kommen, würde das allein für
       Deutschland einen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten,
       schätzt das Ifo-Institut.
       
       ## Arbeitsgruppe eingesetzt
       
       Was aber tun? Ähnlich wie von der Leyen versucht es auch Bundeskanzler Olaf
       Scholz mit einer Charmeoffensive. „Donald Trump hat die Wahl klar
       gewonnen. Dazu gratuliere ich ihm“, erklärte Scholz. „Sicher wird vieles
       unter einer von Trump geführten Regierung anders.“ Deutschland bleibe aber
       ein zuverlässiger transatlantischer Partner.
       
       Auf nette Worte allein will man sich aber weder in Berlin noch in Brüssel
       verlassen. Von der Leyen hat bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um
       notfalls zurückschlagen zu können, wenn Trump mit seiner Ankündigung Ernst
       macht. Eine Liste mit US-Produkten, die mit europäischen Gegenzöllen belegt
       werden könnten, liegt schon fertig in den Schubladen der EU-Kommission.
       
       Das weitere Vorgehen soll beim Sondergipfel in Budapest abgestimmt werden.
       Die EU wollte dort ursprünglich nur einen „neuen europäischen Deal für
       Wettbewerbsfähigkeit“ ausrufen, wie es in dem Gipfelentwurf heißt. Nun
       müssen die 27 EU-Mitgliedsländer auch noch eine gemeinsame Position
       gegenüber Trump und dem amerikanischen Protektionismus finden.
       
       Das wird nicht leicht werden. Zwar arbeiten von der Leyen, Scholz und
       Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron zusammen. Man spreche sich eng mit
       Paris ab, heißt es in Berlin. Allerdings ist Scholz durch die Krise der
       Ampel-Koalition geschwächt. Ein neues EU-Schuldenprogramm, wie es Macron
       zur Ankurbelung der Wirtschaft fordert, wird der SPD-Politiker in Budapest
       wohl kaum mittragen.
       
       ## Gipfel in Budapest mit Spannung erwartet
       
       [3][Rückenwind verspürt dagegen Orbán]. Seit dem Beginn der ungarischen
       EU-Präsidentschaft im vergangenen Juli stand er allein auf weiter Flur. Nun
       kann er auf neue Mitstreiter hoffen. Denn auch Regierungschefin Giorgia
       Meloni in Italien und Geert Wilders in den Niederlanden wollen einen
       Politikwechsel à la Trump.
       
       „Nie aufhören, immer weiterkämpfen und Wahlen gewinnen“, forderte Wilders
       nach Trumps Wahlsieg. „Die USA und Italien sind Schwesternationen“,
       frohlockte Meloni. Der Gipfel in Budapest wird zur Bewährungsprobe für die
       EU, wieder einmal.
       
       6 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
   DIR Stella Lueneberg
       
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