# taz.de -- EU vs. Klimakrise: Wie der Green Deal zu scheitern droht
> Am 13. November entscheiden EU-Finanzminister über die künftige
> Energie-Steuerpolitik. Doch die droht in alten Strukturen
> steckenzubleiben.
IMG Bild: Kämpft für den Green Deal: die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen
Der allumfassende Umbau des größten Binnenmarkts der Welt in eine
klimaneutrale Volkswirtschaft innerhalb von 30 Jahren – das ist das große
Versprechen des Green Deal. Eine Herkulesaufgabe, vergleichbar mit dem
US-amerikanischen Raumfahrtprogramm der 1960er Jahre, wie
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen 2019 selbstbewusst ankündigte.
[1][Der Green Deal war Europas Antwort auf die Millionen Menschen], die,
getragen von Fridays for Future, 2019 auf die Straßen gingen und mehr
Klimaschutz forderten. Das Signal: Wir haben euch gehört und verstanden.
Sechs Jahre später stottert das [2][EU-Klimaprogramm] gewaltig. Europa
wurde konservativer und rechter. Das Klimamomentum von 2019 ist verpufft,
die Widerstände wachsen. Der Green Deal ist zum Papiertiger verkommen.
Entscheidende Projekte wie das EU-weite Verbrenner-Aus wackeln. Und jetzt
könnte auch einem der letzten Grundpfeiler des Green New Deal endgültig der
Zahn gezogen werden.
Es geht um das Thema Steuern. Konkret um eine Reform der
Energiesteuerrichtlinie (Energy Taxation Directive), das zentrale
Instrument, um die Bepreisung fossiler Energieträger europaweit zu regeln.
Die aktuelle Richtlinie stammt aus dem Jahr 2003 und wurde bis heute nicht
überarbeitet. Sie ist unter anderem die Grundlage dafür, dass Flugbranche,
Schifffahrt und Fischerei seit über zwei Jahrzehnten von jeglichen
Energiesteuern befreit sind.
## Vergangenheit besteuern, Zukunft finanzieren
Mit dem Beschluss des Green Deal 2019 erkannte die EU-Kommission
schließlich, dass ihre Steuerpolitik klimatechnisch auf den Prüfstand
gehört. Bereits 2021 präsentierte sie einen Reformentwurf. Die Kernidee:
Die Vergangenheit besteuern, um die Zukunft zu finanzieren. Energieträger
sollten künftig stärker gemäß ihres CO2-Gehalts besteuert und fossile
Steuergeschenke für die Luft- und Schifffahrt sowie die Fischerei
abgeschafft werden. So weit der Plan der Kommission.
Doch es kam anders. Über die letzten Jahre haben einige Mitgliedstaaten,
vor allem Malta, Griechenland und Zypern – drei Staaten in denen die
Schifffahrt ein wichtiger wirtschaftlicher Zweig ist – den
Kommissionsentwurf demontiert und entscheidend geschwächt. Die neue
Version, die Mitte November zur Abstimmung kommen soll, sieht vor, genau
jene Steuervergünstigungen beizubehalten, und zwar bis mindestens 2035.
Derzeit wird mit Beihilfe der dänischen Ratspräsidentschaft über weitere
Abschwächungen diskutiert.
## Umwelt-NGOs sind alarmiert
Industriezweige, [3][die bislang so gut wie gar nichts zum Klimaschutz
beigetragen haben], sollen also über mindestens ein Jahrzehnt weiter mit
fossilen Steuergeschenken belohnt werden. Dadurch entgehen den
EU-Mitgliedsstaaten laut einer Studie von Transport & Environment bereits
schon jetzt Einnahmen von rund 46,8 Milliarden Euro pro Jahr. Für
Deutschland wird der jährliche Verlust auf knapp 3 Milliarden Euro
geschätzt. Geld, das der deutsche Haushalt für den klima- und
sozialverträglichen Umbau der Wirtschaft dringend benötigen würde.
Aber viel wichtiger: Auch die neue Richtlinie würde genau jene Fehlanreize
beibehalten, die die Kommission ursprünglich abschaffen wollte.
Steuergeschenke für Lufthansa & Co, während Eisenbahnunternehmen normal
Stromsteuern zahlen müssen. Für den europäischen Klimaschutz wäre das
verheerend und würde eine weitere Aushöhlung des bereits geschwächten Green
Deal bedeuten. Gleichzeitig hätte das eine fatale Außenwirkung: Nur wenige
Tage vor Beginn der 30. Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém. Wenn
Europa sich beim Klimaschutz ausbremst, wäre das auch global ein fatales
Signal.
Europäische Umwelt-NGOs sind deshalb alarmiert. In einem Brief von Ende
Oktober fordern neun Verbände, darunter Transport & Environment und die
Bloom Association, die dänische Ratspräsidentschaft auf, alle geplanten
Steuervergünstigungen für fossile Brennstoffe abzuschaffen. Gleichzeitig
drängen sie die Mitgliedstaaten, ihre Zustimmung für den verwässerten Text
zu verweigern und auf der ursprünglichen Version der EU-Kommission zu
beharren, die weitaus ambitionierter war.
## Haltung der Bundesregierung unklar
Wie geht es jetzt weiter? Am 13. November fällt die Entscheidung: Die
EU-Finanzminister stimmen abschließend über den Vorschlag ab. Wird der Text
einstimmig angenommen, tritt das Gesetz in Kraft. Stellt sich auch nur ein
Land quer, scheitert der Entwurf und die Verhandlungen darüber werden unter
der nächsten Ratspräsidentschaft fortgeführt. In Deutschland obliegt die
Entscheidung also Finanzminister Lars Klingbeil. Ob die Bundesregierung mit
Ja oder Nein stimmen wird, ist bislang öffentlich nicht bekannt.
Die Haltung von Umweltverbänden ist klar: Sie wollen die Reform beim
derzeitigen Stand lieber scheitern sehen, als dass der aktuelle Entwurf
verabschiedet wird. Die Miniverbesserungen, die das abgeschwächte Papier
verspricht, täuschen nicht über die Tatsache hinweg, dass fossile
Subventionen still und heimlich über ein weiteres Jahrzehnt gewährt werden
sollen, dass dem Green Deal still und heimlich die Puste ausgeht und dass
Ursula von der Leyens Mondmission mehr und mehr ein laues Lüftchen ist.
5 Nov 2025
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## AUTOREN
DIR Ingwar Perowanowitsch
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