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       # taz.de -- Ehrung von Charlotte Knobloch: „Unsere jüdische Bavaria“
       
       > Ein Festakt anlässlich eines Doppeljubiläums: 80 Jahre Israelitische
       > Kultusgemeinde München und 40 Jahre Präsidentschaft von Charlotte
       > Knobloch.
       
   IMG Bild: Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Charlotte Knobloch
       
       München epd | Gesäumt von bayerischer und bundesdeutscher Politikprominenz
       betrat die „Grande Dame“ Charlotte Knobloch (92) die vollbesetzte
       Ohel-Jakob-Synagoge. Die Münchner Ehrenbürgerin musste viele Hände
       schütteln und Glückwünsche entgegennehmen, bis sie schließlich Platz nehmen
       konnte. Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern, deren
       Präsidentin Knobloch ist, hatte am Dienstagabend zum Festakt geladen.
       Gefeiert wurden zwei Jahrestage: die Wiedergründung der Israelitischen
       Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern vor 80 Jahren und der Beginn
       der Präsidentschaft von Charlotte Knobloch vor 40 Jahren.
       
       In den meisten Grußworten wurden angesichts des wachsenden Antisemitismus
       die Sätze „Nie Wieder!“ und „Wehret den Anfängen“ sowie die Solidarität mit
       jüdischen Menschen betont. Das veranlasste den [1][Publizisten Michel
       Friedman], der seit Jahrzehnten mit Charlotte Knobloch eng befreundet ist,
       in seiner Festrede zum Ende des dreistündigen Festaktes zu einer bitteren
       Feststellung: „Ich kann es nicht mehr hören.“
       
       Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1948 fingen die Reden von
       Politikern „wirklich immer mit denselben Sätzen“ an. Geändert hat sich
       seiner Auffassung aber seit Ende des NS-Regimes vor 80 Jahren aber wenig.
       Er wolle zwar keinem Politiker absprechen, dass er diese Sätze ernst meine,
       sagte Friedman. „Aber kommen Sie doch bitte nicht erst, wenn es ernst
       geworden ist.“ Es gebe „Anschläge ohne Ende, rechtsextremen Terror“, sagte
       Friedman. 80 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes müssten jüdische Menschen
       [2][immer noch von der Polizei bewacht] werden.
       
       Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bemühte in seinem
       Grußwort ebenfalls den „Nie Wieder!“-Ausspruch, betonte aber, dass dieser
       keine Sonntagsrede sein dürfe. Zugleich würdigte er die Kraft der jüdischen
       Menschen, dass sie nach einem solchen Leid – in „Abwesenheit Gottes“ –
       wieder neu anfingen und die Kultusgemeinde aufbauten. Friedman betonte
       dagegen, dass Gott während des Massenmords an Jüdinnen und Juden durch die
       Nationalsozialisten sehr wohl anwesend gewesen sei – sonst wäre er nicht
       allmächtig. Die Metapher dürfe nicht als Entlastung missbraucht werden,
       mahnte er.
       
       ## Lichtgestalt und Mut-Macherin
       
       Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sagte, es sei das Verdienst von
       Charlotte Knobloch und „all derer, die vor 80 Jahren den Mut hatten, einen
       Neuanfang zu wagen“, dass es in München heute eine lebendige jüdische
       Gemeinde gebe. Mit Blick auf offenen Antisemitismus in Deutschland
       kritisierte sie die lange Untätigkeit von Politik und Gesellschaft. Zu
       lange habe man zu Antisemitismus im Gewand vermeintlicher Israelkritik
       geschwiegen. „Wir haben ‚Wehret den Anfängen‘ vergessen“, beklagte sie.
       
       Als Lichtgestalt, Mut-Macherin und als „unsere jüdische Bavaria“
       bezeichnete Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) die IKG-Präsidentin. Seit
       40 Jahren stehe Knobloch der jüdischen Gemeinde vor, „und auch unserem Land
       haben Sie eine Richtung gegeben“, sagte Aigner. Zugleich betonte sie, dass
       im Kampf um Freiheit und Demokratie jede Form von Judenhass in Deutschland
       „geächtet und bekämpft“ werden müsse: „Denn wo jüdische Menschen nicht
       angstfrei leben können, da kann niemand gut leben.“
       
       Auch der [3][Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef
       Schuster], betonte „die übermenschliche Kraft“ der Männer und Frauen, die
       1945 „mit kaum mehr als einem Lichtschimmer am Horizont“ eine neue Gemeinde
       begründet hatten. Dass jüdische Menschen ihren Glauben in Deutschland leben
       könnten, sei oberstes Ziel des Zentralrats: „Wir gehen hier nicht weg, denn
       wir gehören hierhin“, betonte Schuster.
       
       [4][Charlotte Knobloch] sagte in ihrer Begrüßung, dass niemand bei der
       Wiedergründung der Kultusgemeinde am 15. Juli 1945 daran geglaubt hätte,
       dass sie 80 Jahre Bestand haben würde. In München, der „Hauptstadt der
       Bewegung“, seien Jüdinnen und Juden in den Tod getrieben und die
       Kultusgemeinde sei ausgelöscht worden. Es erfülle sie daher mit Stolz und
       Dankbarkeit, den Jahrestag mit so vielen prominenten Gästen aus Politik und
       Gesellschaft zu feiern.
       
       Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern wurde am 15. Juli
       1945 von Holocaust-Überlebenden wie Julius Spanier und Fritz Neuland, dem
       Vater von Charlotte Knobloch, wieder gegründet. Heute ist sie mit rund
       9.300 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde in Deutschland.
       
       16 Jul 2025
       
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