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       # taz.de -- Präsidentschaftswahl in Bolivien: Bald könnte ein Unbekannter das Land regieren
       
       > Senator Rodrigo Paz gewinnt die Präsidentschaftswahl in Bolivien. Er holt
       > 32 Prozent der Stimmen. Damit geht er im Oktober in die Stichwahl.
       
   IMG Bild: Der bolivianische Präsidentschaftskandidat Rodrigo Paz Pereira bei einer Wahlveranstaltung am 10. August 2025
       
       taz | In seiner eigenen Region ist er eher unbeliebt, und außerhalb von
       Tarija war er bis vor Kurzem kaum bekannt. Jetzt könnte er völlig
       überraschend Boliviens nächster Präsident werden: Rodrigo Paz, seit zwei
       Jahrzehnten in der Politik und [1][bei der diesjährigen
       Präsidentschaftswahl] Kandidat der Partido Demócrata Cristiano. Er kam
       völlig überraschend auf 32 Prozent der Stimmen und landete damit auf dem
       ersten Platz. Im Oktober muss er sich in einer Stichwahl dem
       rechtsgerichteten Ex-Präsidenten Jorge Tuto Quiroga stellen, der mit 27
       Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz landete.
       
       Paz wurde 1967 in Santiago de Compostela in Spanien geboren. Dorthin hatten
       sich seine Eltern Jaime Paz Zamora – von 1989 bis 1993 dann später selbst
       Präsident Boliviens – und Carmen Pereira vor der Diktatur in Bolivien
       geflüchtet. Seine Eltern zogen mit ihm auf der Flucht vor
       Militärregierungen von Land zu Land. 1980 überlebte sein Vater als einziger
       einen Flugzeugabsturz, der wohl ein Attentat war. Da war Rodrigo Paz 12
       Jahre alt. Bis heute ist sein Vater, der ihm als Ratgeber dient, von
       Brandwunden gezeichnet. Seine Mutter überlebte einen mysteriösen Autounfall
       in Bogotá in Kolumbien. Rodrigo Paz selbst studierte Wirtschaft und
       Internationale Beziehungen in Washington in den USA.
       
       Der heute 57-jährige Rodrigo Paz, Vater von drei Kindern, war Abgeordneter,
       Stadtrat und Bürgermeister von Tarija, der Stadt und der gleichnamigen
       Region im Süden Boliviens. Bei der Bürgermeisterwahl 2015 setzte er sich
       mit 55 Prozent der Stimmen gegen den Kandidaten der [2][MAS-Partei] durch.
       Er blieb bis 2020 im Amt. Anschließend wurde er Senator für die
       Oppositionspartei Comunidad Ciudadana von Ex-Präsident Carlos Mesa im
       Oberhaus. Ein prominentes Amt auf Bundesebene hat er bisher nicht
       bekleidet.
       
       Seine Amtszeit als Bürgermeister ist ein umstrittenes Kapitel seiner
       Karriere. Bauprojekte wie die Brücke „4 de Julio“, der riesige Fahnenmast
       auf dem Hauptplatz der Stadt Tarija und das Projekt „Intelligente Stadt“
       gerieten wegen angeblicher Überteuerung und Mängeln bei der Ausführung in
       die Kritik. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Paz wegen möglicher
       Korruption in diesen Fällen. Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.
       Paradoxerweise verteidigt der Kandidat selbst seine Amtszeit als eine der
       besten, die Tarija je hatte, und versichert, dass die Verfahren gegen ihn
       politisch motiviert seien und nicht auf beweisbaren Vorwürfen beruhen. Am
       Wahlsonntag lag er ausgerechnet in seiner Herkunftsregion Tarija gerade
       einmal auf Platz drei – hinter den beiden rechten Kandidaten Samuel Doria
       Medina und Jorge „Tuto“ Quiroga.
       
       ## Paz will die Zölle senken
       
       In der gleichnamigen Region Tarija wird Gas gefördert, sie gilt als
       [3][Geldbeutel Boliviens]. Deshalb setzt er sich für mehr Dezentralisierung
       und Budget für die Regionen ein. Das Leben in der Grenzregion beeinflusst
       auch seine politischen Ideen: Er will Zölle senken auf alles, was Bolivien
       nicht produziert. Er vertritt ein Konzept, das er „Volkskapitalismus“ nennt
       –„Kapitalismus für alle – nicht für einige wenige“. Dazu gehören Kredite
       und Steuererleichterungen, um die Formalisierung der Wirtschaft zu
       befördern. 80 Prozent der Bolivianer*innen arbeiten im informellen
       Sektor.
       
       Apropos Geld: Sein Wahlkampf war wohl der billigste von allen. Statt
       Materialschlacht tingelte er übers Land, ging zu Fuß in abgelegene
       Gemeinden, machte Wahlkampf auf Märkten und Volksfesten, Markenzeichen
       Daunenweste. Diese Volksnähe war eine seiner Geheimwaffen.
       
       Seine zweite war der Hauptmann, der „capitán“ Lara. Paz erklärte, den
       berühmten TikToker Edman Lara zum Vizepräsidenten machen zu wollen; ein
       Ex-Polizist, den die Bolivianer*innen ins Herz geschlossen hatten,
       weil er auf TikTok die Korruption in der Polizei anprangerte. Für Paz
       rührte er auf Tiktok die Werbetrommel.
       
       Paz, gemeinhin eher als rechtsgerichtet wahrgenommen, hat sich im Wahlkampf
       in der Mitte positioniert: Sein Projekt sei das der großen Mehrheiten, für
       alle Bolivianer*innen. Er wolle die Heimat wiederherstellen, und „die
       Heimat“ seien alle. Er meidet Polarisierungen – im Gegensatz zur
       Regierungspartei MAS, die gern mit Freund-Feind-Bildern operiert.
       
       18 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katharina Wojczenko
       
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