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       # taz.de -- Eisenbahn in der Ukraine: Per Fahrplan durch den Krieg
       
       > Irina Petruschtschak ist Zugführerin. Zusammen mit Tausenden Kollegen
       > sorgt sie dafür, dass die Bahn weiter fährt. Unterwegs von Kiew nach
       > Lwiw.
       
   IMG Bild: Irina Petruschtschak und ein Kollege am Zug
       
       Ein leichter Ruck geht durch den Waggon. Der Zug Nummer 91 von
       Kiew-Passaschirski, dem Hauptbahnhof, nach Lwiw ganz im Westen des Landes
       setzt sich langsam in Bewegung. Nun hat Irina Petruschtschak etwas Zeit, um
       zu erzählen. Sie ist eine von mehr als 250.000 Mitarbeitern der staatlichen
       ukrainischen Eisenbahn, der [1][Ukrsalischnitsia]. Seit 18 Jahren ist sie
       dabei. Doch seit dem 24. Februar, dem Beginn von Russlands Invasion, fährt
       die Angst mit. Aber Petruschtschak will weitermachen.
       
       Vor der Abfahrt hatte Petruschtschak reichlich zu tun. Als Zugführerin ist
       sie für die Organisation verantwortlich. Sie kümmert sich darum, dass
       Bahnhofsmitarbeiter einen Mann im Rollstuhl in den alles andere als
       barrierefreien Waggon heben. Ein Lieferant kommt mit einer Palette voll
       Kartons, beschriftet mit dem Logo eines deutschen
       Medizintechnikherstellers. Petruschtschak telefoniert kurz, dann weiß sie,
       in welchem Waggon noch Platz für die Fracht ist.
       
       In dem Land, das etwa doppelt so groß wie Deutschland ist, hat die
       Eisenbahn und ganz besonders die Nachtzüge eine große Bedeutung. Mit ihnen
       können die großen Entfernungen praktisch im Schlaf überwunden werden. So
       braucht beispielsweise der Nachtzug von Czernowitz an der rumänischen
       Grenze nach Kiew 14 Stunden und 39 Minuten für die rund 900
       Schienenkilometer. Gerade für Menschen, die kein Auto besitzen, ist die
       Eisenbahn unverzichtbar. Und Flüge gibt es seit dem Februar ohnehin nicht
       mehr.
       
       Seit Kriegsbeginn sind auch viele ausländische Politiker*innen mit dem
       Zug gereist. Außenministerin Annalena Baerbock und CDU-Chef Friedrich Merz
       veröffentlichten Fotos von sich in den Abteilen mit dem blauem Sitzbezug.
       Olaf Scholz nahm zusammen mit dem französischen Präsidenten Emanuel Macron
       und Italiens Premier Mario Draghi gleich einen Sonderzug.
       
       ## Neun Stunden nach Lwiw
       
       Von Kiew nach Lwiw sollen es dieses Mal rund neun Stunden werden.
       Petruschtschak schließt das Dienstabteil auf und setzt sich an den kleinen
       Tisch, der unter dem Fenster angeschraubt ist. Über einer der unteren
       Pritschen hängt ein Marienbild. Der Zug ist schon geheizt. Sie legt ihre
       blaue Uniformjacke ab. Darunter kommt eine weiße Uniformbluse mit zwei
       Sternen auf der Schulterklappe zum Vorschein. Die weisen sie als
       Zugführerin aus, Natschalnik, wie es auf Ukrainisch und auf Russisch heißt.
       Sie ist die Chefin der Zugbegleiter*innen, die in jedem einzelnen Waggon
       mitfahren. Was dort nötig ist, weiß sie genau. Mehrere Jahre hat sie den
       Job selbst gemacht.
       
       Die Eisenbahn ist einer der größten Arbeitgeber des Landes. Das Netz in
       osteuropäischer Breitspur vom 1.520 Millimeter ist fast 20.000 Kilometer
       lang. Das entspricht knapp der Hälfte des deutschen Netzes. Etwas weniger
       als 50 Prozent davon ist elektrifiziert. Pro Jahr fahren laut
       Verkehrsministerium mehr als 400 Millionen Passagiere mit der Bahn.
       
       Neben dem Passagierverkehr hat die Eisenbahn auch eine enorme Bedeutung im
       Gütertransport. Mit den Zügen wurden vor der Invasion Kohlen zu den großen
       Industriegebieten des Landes transportiert und Stahl und Getreide zu den
       Häfen. Damit hat das Staatsunternehmen auch rund 90 Prozent seiner
       Einnahmen erwirtschaftet.
       
       Dieser Teil des Geschäfts lag monatelang weitgehend brach. Seit dem
       Getreideabkommen mit Russland wird immerhin wieder Korn zum Hafen von
       Odessa transportiert.
       
       Die Linien ins Ausland führen entweder nach Polen, Ungarn oder Rumänien.
       Oder nach Russland und Belarus, aber dort verkehren keine Züge mehr. Doch
       auch auf den bestehenden Linien ist es nicht einfach. Auf der Strecke nach
       Rumänien ist eine Brücke über den Dnister nach mehren Raketentreffern
       zerstört. Und auch ohne Zerstörungen müssen die Güterzüge an den
       Westgrenzen in einer mehrstündigen Prozedur auf die schmalere europäische
       Spurweite von 1.435 Millimeter umgerüstet werden. Der direkte
       Fernreiseverkehr in Richtung Westeuropa ist seit Kriegsbeginn eingestellt.
       
       ## Sicherheitschecks wie am Flughafen
       
       Petruschtschak kommt aus Lwiw, dem früheren Lemberg, und spricht – wie im
       Westen des Landes üblich – Ukrainisch. „Russisch kann ich aber auch“, sagt
       sie. Wenn sie ganz sicher gehen will, dass sie richtig verstanden wird,
       tippt sie in ihr Smartphone und lässt es ins Englische übersetzen. Solange
       der Zug durch die Umgebung von Kiew fährt, gibt es noch mobiles Internet.
       W-LAN hat der Zug nicht, im Gegensatz zu den modernen Intercitys, die
       tagsüber verkehren.
       
       Heute fährt sie im Wagen Nummer 6 bei Zugbegleiter Juri Barilo mit. Der hat
       schon auf dem Bahnsteig die Tickets kontrolliert. „40 Plätze“, steht auf
       dem blauen Wagen mit dem gelben Streifen geschrieben. Eine gute halbe
       Stunde vor seiner Abfahrt ist der Zug langsam in den Bahnsteig gerumpelt.
       Barilo hat seine dunkelblaue Uniformjacke zugeknöpft und seine Schirmmütze
       aufgesetzt, bevor die ersten Reisenden kamen. Die meisten zeigen auf ihrem
       Smartphone einen QR-Code vor, den er einscannt. Ein paar meist Ältere
       kommen mit den Papierstreifen, die es am Schalter zu kaufen gibt. Barilo
       hilft auch mal, schweres Gepäck die drei Stufen hinauf in den Wagen zu
       wuchten.
       
       Der größte Bahnhof des Landes gleicht am Abend einem Bienenstock.
       Unablässig fahren Taxis vor. Aus der Metrostation gegenüber kommt alle zehn
       Minuten ein Schwall Menschen mit Gepäck. Anders als vor dem Krieg ist nur
       der Haupteingang geöffnet. Dort müssen alle Menschen durch einen
       Sicherheitscheck wie am Flughafen. Dann schauen sie auf die große
       Anzeigetafel für die abfahrenden Züge. Zug Nummer 91 soll auf Gleis 1
       abfahren. Soldaten mit großen Rucksäcken und Kalaschnikows streben zu Gleis
       5, dort fährt der Zug nach Charkiw ab, in Richtung Front.
       
       Ein Kiosk vor den Fahrkartenschaltern verkauft Reisebedarf. Die Kassiererin
       nimmt eine Flasche Wodka vom Verkaufstresen. Alkohol darf nach 19 Uhr nicht
       mehr verkauft werden. Der etwas rotgesichtige Kunde nimmt es seufzend zu
       Kenntnis.
       
       ## Die Wochen nach dem Angriffsbeginn
       
       Der 24. Februar war auch für Irina Petruschtschak ein Schock. Sie holt erst
       einmal tief Luft, um sich zu sammeln, bevor sie erzählt. „Ich habe nicht
       verstanden, warum die Russen das tun. Ich verstehe es bis heute nicht“,
       sagt sie. Sie habe an dem Tag frei gehabt und sei zu Hause in dem kleinen
       Ort Svenyhorod rund 20 Kilometer südöstlich von Lwiw gewesen. Dort lebt sie
       mit ihrem Mann, der 15-jährigen Tochter Katja und dem zehnjährigen Sohn
       Artem. Die Grenze nach Polen ist nicht weit.
       
       Drei Tage später ist sie wieder in einen Zug gestiegen. Es ging von Lwiw
       nach Odessa. Auf dem Hinweg sei es ziemlich leer gewesen. „Auf der
       Rückfahrt dann das Gegenteil“, erinnert sie sich. In jedem Waggon 130 bis
       200 Menschen. „Überall haben sie gesessen. Dicht gedrängt in den Abteilen,
       auf dem Flur, sogar auf der Toilette.“ Sie zeigt dabei mit den Händen. „Die
       Menschen wollten nur fort. Alle hatten Angst.“ In der ersten Zeit wurde
       eine Landung russischer Truppen an der Küste bei Odessa befürchtet.
       
       „In den ersten Wochen haben wir nicht versucht, die Tickets zu
       kontrollieren.“ Sie hätten doch die verzweifelten Menschen nicht stehen
       lassen können. Rund drei Millionen Menschen sollen damals mit
       Evakuierungszügen unterwegs gewesen sein. Aus dieser Zeit stammen die
       Szenen mit Bahnsteigen voller Menschen, die in bereits überfüllte Züge in
       Richtung Westen einsteigen wollten, aber nicht konnten. Oft dauerten die
       Fahrten länger als üblich, weil Züge nach Angriffen auf die Strecke
       umgeleitet wurden oder stundenlang auf halbem Weg warten mussten.
       
       Jeden Tag haben sie und ihre Kolleg*innen Sirenen gehört, erinnert sich
       Petruschtschak. Auch in Lwiw, besonders aber weiter östlich schlugen immer
       wieder Raketen ein. Bei einem Angriff während einer Fahrt nach Kiew starben
       vier Zugbegleiter*innen, berichtet Petruschtschak. „Ich habe sie alle
       gekannt.“ Das sei sehr schlimm gewesen. Passagiere seien nicht zu Schaden
       gekommen. Es war eine Überführungsfahrt. „Natürlich hatte ich Angst. Ich
       habe doch Familie.“ Selbst zu fliehen, daran habe sie nie gedacht. Sie
       schüttelt den Kopf. „Ich musste doch arbeiten“, sagte sie. Die Züge müssten
       doch fahren, sonst komme niemand voran. „Und für mich gibt es nichts
       anderes zu tun.“ Sie schüttelt den Kopf.
       
       Opfer unter dem Eisenbahnern gab es häufig. Bisher zählt die
       Ukrsalischnitsia 238 Tote und mehr als 407 Verletzte unter ihren
       Mitarbeiter*innen. Die Eisenbahninfrastruktur gehört zu den regelmäßigen
       Zielen russischer Raketenangriffe. Gleise, Brücken oder Umspannwerke werden
       bombardiert. Besonders blutig war der [2][Angriff auf den Bahnhof von
       Kramatorsk] im Donbas: Am 8. April warteten dort Hunderte Menschen auf
       einen Evakuierungszug nach Westen. Der verspätete sich, weil zuvor weiter
       westlich Gleise zerstört worden waren. Deshalb war es voller als ohnehin
       schon. Die Detonation einer Kurzstreckenrakete schickte Tausende
       Stahlsplitter in die Menschenmenge. Fast 60 Menschen starben.
       
       ## Die Angst ist geblieben
       
       Während der Fahrt nach Lwiw läuft die ukrainische [3][Gegenoffensive bei
       Charkiw]. Täglich wird die Befreiung von Ortschaften gemeldet. Auch
       Petruschtschak schaut immer wieder auf ihr Smartphone. Man müsse die
       aktuelle Entwicklung abwarten, sagt sie. Sie mache sich Sorgen wegen des
       Winters. Wenn es kein Gas in den teilweise zerstörten Städten im Osten
       gebe, könnten noch mehr Menschen fliehen müssen. „Wir hoffen auf den Sieg“,
       sagt sie und bekreuzigt sich. Auch wenn inzwischen weniger Raketen
       einschlagen, sei es immer noch gefährlich. „Menschen gewöhnen sich an
       vieles.“ Aber sie habe immer noch Angst. „Ich gehe bei jedem Alarm in den
       Keller“ – anders als viele, die die Warnsignale ignorieren. „Man lebt nur
       einmal“, sagt Petruschtschak.
       
       Verglichen mit dem Frühjahr ist so eine Fahrt von Kiew nach Lwiw inzwischen
       wieder eher Routine. Die Züge fahren seit ein paar Wochen auch wieder auf
       einer nördlicheren, kürzeren Strecke, die näher an der Grenze zu Belarus
       verläuft. Während der Schlacht um Kiew war sie teilweise von den russischen
       Truppen besetzt. Auch mehrere Brücken wurden zerstört.
       
       Die Strecke führt auch durch die schwer getroffenen Kiewer Vororte Irpin
       und [4][Butscha]. Im Zug bekommt man davon nichts mit. Die Blenden an den
       Fenstern werden bei Einbruch der Dunkelheit heruntergezogen. Kein Licht
       soll nach draußen dringen.
       
       Petruschtschak freut sich darauf, ihre Familie wiederzusehen. Die Züge sind
       buchstäblich ihr zweites Zuhause. „Vier Tage Arbeit, vier Tage mit der
       Familie“, erklärt sie. So gehe es immer weiter. „Eine Nacht von Lwiw nach
       Kiew, in der nächsten zurück. Und das zwei Mal.“ Die Tour wechsle sich
       meistens ab mit der nach Odessa. Aber sie sei auch auf Zügen nach
       Uschgorord im Dreiländereck mit Ungarn und der Slowakei unterwegs und in
       der Gegenrichtung nach Pokrowsk, wo die Züge in den Donbas derzeit enden.
       Oder nach Saporischschja, wo im Frühjahr viele Geflüchtete aus Mariupol
       ankamen.
       
       Ein anderer Job sei für sie nie in Frage gekommen. „Ich komme aus einer
       Eisenbahnerdynastie“, sagt sie und schmunzelt. Ihre Mutter, ihre Schwester,
       ihr Mann und ihre Schwägerin, alle seien Eisenbahner*innen. Ihr Mann sei
       auch Zugführer. Die Mutter ist inzwischen pensioniert. „Ich bin damit
       aufgewachsen. Sie hatte immer diese Uniform an. Ich habe zu ihr
       aufgesehen.“ Das habe ihr gefallen. Jeden Tag treffe sie unterschiedliche
       Menschen. „Ich mag die Abwechslung.“ Außerdem gefalle es ihr, zu
       organisieren und Verantwortung zu übernehmen.
       
       Der Zug an diesem Abend hat 19 Waggons. Sie bestehen entweder aus
       Zweierabteilen, genannt Lux, was der ersten Klasse gleichkommt. Oder es
       sind Viererabteile, genannt Coupe. Das ist die zweite Klasse. Waggons der
       dritten Klasse, praktisch ein offener Schlafsaal auf Rädern, hat der Zug
       dieses Mal nicht.
       
       Während der Zug durch die Nacht fährt, muss sich Petruschtschak um
       Papierkram kümmern und wünscht eine gute Nacht. Sie selbst werde nicht
       schlafen. Ein paar Waggons weiter gebe es noch einen freien Schlafplatz.
       Kollege Juri Barilo übernimmt die Führung. Gekonnt balanciert er durch den
       sich bewegenden Zug. Man merkt, dass er 20 Jahre Übung darin hat. Während
       er durch die Waggons der ersten Klasse eilt, zeigt er in die Abteile: „Mit
       Fernseher“, sagt er.
       
       In Wagen 12 sitzt Switlana, wie Juri Barilo Zugbegleiterin, in einer
       kleinen Kammer am Anfang des Wagens neben der Toilette. In dem Kabuff gibt
       es einen winzigen Tisch, einen Kühlschrank und ein graues Regal voller
       elektrischer Geräte, die mit großen Schaltern aussehen wie aus den 1960er
       Jahren. Ein kleiner Schwarz-Weiß-Monitor zeigt die Tür am anderen Ende des
       Waggons. Switlana übergibt ein Paket Bettwäsche und ein Handtuch und fragt,
       ob Tee oder Kaffee gewünscht wird.
       
       ## Der etwas andere Eisenbahn-Chef
       
       Mit den jüngsten militärischen Erfolgen hat die ukrainische Armee Boden
       gutgemacht. Die Regierung hat angekündigt, dass in den befreiten Gebieten
       so rasch als möglich das Alltagsleben wiederhergestellt werden soll. Dazu
       zählen auch Zugverbindungen. Bahnchef [5][Aleksander Kamyschin] ist in den
       vergangenen Wochen viel unterwegs gewesen und dokumentiert seine Arbeit auf
       Twitter. Der kräftige 37-Jährige mit Kinnbart und Irokesenhaarschnitt sieht
       anders aus als Bahnchefs in anderen Ländern.
       
       Mitte September er ist fünf Nächte in Folge in Zügen unterwegs, schreibt
       er. „Die Ukraine hat die perfekte Größe für Nachtzüge.“ Rund eine Woche
       nach der Befreiung wird die Kleinstadt Balakliia in der Region Charkiw
       wieder zweimal täglich mit Regionalzügen angefahren. Kamyshin bringt einen
       Generator und ein Starlink-Terminal zum dortigen Bahnhof, damit die
       Anwohner ihre Telefone aufladen und nach Monaten wieder ins Internet gehen
       können.
       
       Trotz der Gefahr eines Beschusses verteidigt er die schnelle
       Wiederinbetriebnahme von Bahnstrecken. Ohne Reparaturen würde die
       Infrastruktur mit jedem Angriff schwächer. Dann wären auch immer weniger
       Evakuierungen möglich und weniger humanitäre Hilfe könnte transportiert
       werden. Dass die Züge fahren, soll den Menschen auch Vertrauen geben. Neben
       Reparaturen demolierter Schwellen und Oberleitungen geht es dabei zunächst
       darum, jeden Meter Strecke auf Sprengfallen zu untersuchen. Das ist
       gefährlich: „Zwei Entschärfer sind bei einer Minenexplosion getroffen
       worden. Einer gestorben“, twittert Kamyschin am 13. September.
       
       Auch die Eisenbahn ist von dem russischen [6][Großangriff auf ukrainische
       Städte] am Montag dieser Woche nicht ausgenommen. Zwar gab es zunächst
       keine Berichte über direkte Attacken auf Bahnhöfe oder Strecken, doch
       Stromausfälle nach Raketenbeschuss auf Kraftwerke führten landesweit zu
       Verspätungen. Noch 42 Züge seien verspätet, twittert Kamyschin am Abend des
       Tages. „Die Unannehmlichkeiten tun mir leid.“ Am Kiewer Hauptbahnhof sind
       nach Raketeneinschlägen mehrere Fenster zu Bruch gegangen.
       
       ## Ausgeschlafen in Lwiw
       
       Auf der Reise nach Lwiw werden die Reisenden am nächsten Morgen etwas
       unsanft geweckt. Die grelle Hauptbeleuchtung in den Abteilen wird zentral
       eingeschaltet. Switlana geht durch den Waggon und klopft an jede Abteiltür.
       Der Zug erreiche bald sein Ziel, sagt sie. Nach Plan ist es noch eine
       dreiviertel Stunde bis Lwiw. Vor dem Fenster zieht die hügelige Landschaft
       Galiziens vorbei mit Kuhweiden und kleinen Feldern, auf denen Gemüse
       wächst. Die Reisenden warten mit verschlafenen Gesichtern vor den beiden
       Toiletten. Switlana hingegen sieht taufrisch aus, als sie die benutzte
       Bettwäsche entgegennimmt. „Noch Kaffee?“, fragt sie.
       
       Langsam rumpelt der Zug Nummer 91 über die Weichen vor dem Bahnhof von Lwiw
       und fährt auf Gleis 1 in die große Bahnhofshalle aus dem Jahr 1904 ein. Der
       überdachte Bahnsteig ist vorteilhaft: Lwiw empfängt die Reisenden mit einer
       Mischung aus Niesel, Sonnenschein und plötzlichem Platzregen. Vor Wagen
       Nummer 6 stehen Petruschtschak und Barilo. Er ist bester Laune und zeigt
       mit seinen Fingern ein V. Die beiden verabschieden die Reisenden und zählen
       mit. Es könne immer passieren, dass jemand sehr fest schläft, erklärt er.
       Dann kommt wieder ein Bahnmitarbeiter mit einer Ladung Kartons. Für
       Petruschtschak ist die Arbeit noch nicht vorbei.
       
       Der Zug war auf die Minute pünktlich.
       
       12 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.uz.gov.ua/en/
   DIR [2] /Lage-im-ukrainischen-Kramatorsk/!5846934
   DIR [3] /Ukraine-in-der-Gegenoffensive/!5850826
   DIR [4] /Nach-dem-Massaker-in-Butscha/!5843396
   DIR [5] https://mobile.twitter.com/akamyshin
   DIR [6] /Angriffskrieg-gegen-die-Ukraine/!5883722
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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