# taz.de -- Eltern gegen Zwang zum Tablet: Protest gegen Schul-iPads
> In Barsbüttel sollen Schüler statt in Schulheften auf Tablets schreiben.
> Die Kosten von 700 Euro sollen die Eltern zahlen. Nicht alle sind damit
> einverstanden
IMG Bild: Schule ohne Kreidestaub: In Barsbüttel sollen Schüler Tablets bekommen – und die Eltern zahlen.
Barsbüttel taz | „Wir schreiben hier noch mit Kreide herum“, sagt Thorsten
Schöß-Marquardt. Der Leiter der Barsbütteler
Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule will das ändern. Seine Schüler sollen im
Unterricht mit Tablets arbeiten – und die Eltern sollen dafür zahlen. Nicht
alle sind damit einverstanden. Trotzdem wolle er den Schulalltag der
außerschulischen Realität anpassen, sagt Schöß-Marquardt.
Denn privat nutzen die Schleswig-Holsteiner das Internet häufig: Das
Bundesland hat im „(N)Onliner Atlas“, einer Studie der Initiative D21,
bereits Baden-Württemberg überholt und ist hinter den Stadtstaaten Hamburg,
Berlin und Bremen auf Platz vier des Rankings gelandet.
Auch Kinder sollten „den Umgang mit digitalen Medien frühzeitig lernen und
sie selbstverständlich anwenden“, fordert die Kieler Bildungsministerin
Britta Ernst (SPD). Rektor Schöß-Marquardt versucht das umzusetzen. Die
Frage ist nur, wer trägt die Kosten, wenn eine Schule Klassenhefte gegen
Tablets tauscht?
„Während Hamburg darauf gesetzt hat, dass Schüler ihre eigenen Smartphones,
Laptops und Tablets einsetzen dürfen, wollen wir ein Lernnetzwerk
entwickeln“, sagt Schöß-Marquardt. Dazu bräuchten die Kinder kompatible
Geräte mit nur einem Betriebssystem.
Die Eltern-, Schul- und Gemeindevertreter der Schulkonferenz und auch die
Eltern beschlossen daher mehrheitlich, drei der fünf siebten Klassen nach
den Sommerferien komplett mit iPads auszustatten. Zwei 8. Klassen seien das
bereits. „Damit sind wir erst einem Bruchteil der Elternnachfrage
nachgekommen. Mehr ist organisatorisch aber derzeit nicht möglich“, sagt
der Rektor.
Da sich in Schleswig-Holstein die Lernmittelfreiheit aber nur auf
„Schulbücher“ und „Gegenstände, die ausschließlich im Unterricht eingesetzt
werden und in der Schule verbleiben“ bezieht, die Tablets aber von den
Jugendlichen zum Weiterlernen mit nach Hause genommen werden sollen, müssen
die Eltern tief in die Tasche greifen. 500 Euro kostet das iPad2 im
Sonderpreis für Schulklassen. Dazu kommen 200 Euro für Tasche und
Versicherungen.
Aber warum muss es gerade so ein teures Tablet sein? „Die Geräte sind
technisch die zuverlässigsten, sind am besten gegen Datenmissbrauch
geschützt und haben für unsere Zwecke die besten Apps“, sagt
Schöß-Marquardt. Hersteller Apple stellt kostenlos „Education-Features“
bereit.
Weil sich das nicht alle Eltern leisten könnten, müssten die Schulen „das
strukturell abfedern“, sagt Thomas Schunck, Sprecher des
Bildungsministeriums. Das Land sei nur für die Lehrkräfte verantwortlich,
um die Ausstattung müssten sich die Schulträger kümmern. Meist ist das wie
in Barsbüttel die Kommune, häufig unterstützt von einem Förderverein.
In Barsbüttel gibt es zwei siebte Klassen ohne Tabletzwang für Schüler,
deren Eltern ihnen kein Tablet kaufen wollen oder können. Zudem können
Eltern einen Härtefallantrag stellen. „Vier davon liegen mir für die 75
betroffenen Eltern vor“, sagt der Schulleiter. Aber auch diese Lösung der
Schule stößt auf Kritik.
Eine alleinerziehende Mutter wehrt sich gegen den Kauf des Tablets. Nicht
vornehmlich aus Geldnot, wie das Hamburger Abendblatt über Sandra
Kittelmann schreibt. Sie wolle weder ihre finanzielle Lage der Schule
offenlegen müssen noch sei sie der Ansicht, dass die Kosten in einem
vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stünden. Dass die Kinder durch die
Geräte ständig für die Lehrer erreichbar seien, berge Stresspotenzial, sagt
Kittelmann. Zudem verhindere die Rechtschreibprüfung ein selbstständiges
Erlernen der korrekten Orthografie – vor allem aber drohe eine Ausgrenzung
der Kinder in den Klassen ohne iPad.
Die Kommune hat zumindest teilweise auf diese Bedenken reagiert. Es würden
Leih-iPads angeschafft, sagt Ministeriumssprecher Schunck. Zwar werde das
durch die Kommune finanziert, das Land wolle aber mit einem Förderprogramm,
das Ministerin Ernst in diesem Jahr für digitale Modellschulen aufgelegt
hat, helfen.
„Der Run auf die Gelder war gewaltig, über 100 Bewerbungen lagen vor“, sagt
Schunck. Die Barsbüttler bewarben sich, wurden von der Jury aber nicht
ausgewählt. Die prämierten 20 Schulkonzepte können sich nun über insgesamt
300.000 Euro freuen, um beispielsweise Klassensätze von Tablets
anzuschaffen. In 2017 soll es das Programm erneut geben – aufgrund der
großen Nachfrage dann mit 500.000 Euro.
25 Jul 2016
## AUTOREN
DIR Jens Fischer
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