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       # taz.de -- Elternzeit für Hannovers OB: Nennt das bloß nicht Elternzeit!
       
       > Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) nimmt im Sommer seine
       > Vatermonate – aber nur ein bisschen. Das zeigt wie idiotisch das System
       > ist.
       
   IMG Bild: Öfter mal auf den Spielplatz und ein Eis essen – mehr Väterzeit gibt es für den OB nicht
       
       Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) geht im Sommer zwei Monate
       in „Elternzeit“. So stand es jedenfalls am Mittwoch in allen großen Medien.
       Die Pressestelle der Stadt hatte das noch korrekt formuliert:
       [1][„Elternteilzeit“ stand in der Pressemitteilung] und auch diese muss vom
       Verwaltungsvorstand und Rat erst noch genehmigt werden.
       
       Wenn das gut geht, kann Onay in den beiden Ferienmonaten (also denen, in
       denen man guter Hoffnung sein kann, dass kommunalpolitisch eh nicht viel
       passiert) seine Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden beschränken und mit den
       lieben Kleinen öfter mal auf den Spielplatz oder ein Eis essen gehen. Ächz.
       
       Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich möchte das wirklich sehr gern gut
       finden. Er hat ja recht, die Vorbildfunktion ist wichtig, sonst wird sich
       in unserer Arbeitskultur nie etwas ändern.
       
       Und natürlich ist das in seiner Position nicht so leicht: Der Mann wurde
       für eine begrenzte Zeit gewählt. Wenn der sich zwischendurch über einen
       längeren Zeitraum vertreten lässt, wen soll man denn dann als Wähler
       wieder- oder abwählen, ihn oder die Vertretung?
       
       ## Natürlich gibt es schlimmere Beispiele
       
       Wir haben ja außerdem noch alle die Beispiele vor Augen, wo Väter noch viel
       kläglicher gescheitert sind. [2][Sigmar Gabriel zum Beispiel], der es nicht
       einmal schaffte, seine Tochter einmal in der Woche vom Kindergarten
       abzuholen, ohne dabei wichtigtuerische Telefonate zu führen, und sich von
       drei Kamerateams begleiten zu lassen.
       
       [3][Christian Lindner, der, schon bevor das Kind geboren ist], weiß, was er
       alles machen will, um sich nicht darum zu kümmern (Bücher schreiben,
       promovieren, jagen, fischen, imkern). Und jeder hat mindestens diesen einen
       Vogel im Bekanntenkreis, der die zwei „Vätermonate“ vor allem als schönen,
       langen Urlaub begriff.
       
       Da ist es doch viel sympathischer, wenn Onay schlicht sagt: „Meine Kinder
       sind mir wichtig, ich möchte ein bisschen mehr Zeit mit denen verbringen.“
       Und trotzdem führt auch er am Ende bloß vor Augen, wie beknackt
       ungleichgewichtig die Arbeitsverteilung immer noch ist.
       
       Wenn ich die Kriterien für Onays „Elternzeit“ zugrunde lege, bin ich seit
       zwölf Jahren in Elternzeit. Nur dass das bei mir „vollzeitnahe
       Beschäftigung“ heißt, jedenfalls in der Statistik von
       Arbeitsmarktforschern.
       
       ## So gesehen bin ich seit zwölf Jahren in Elternzeit
       
       In der Realität heißt es vor allem: Zwölf Jahre gegen die Uhr anrennen und
       immer mehr auf dem Zettel zu haben, als zu schaffen ist. Nichts davon wird
       jemand erleben, der sich zwei Monate mehr oder weniger frei nimmt, während
       die Partnerin die eigentliche Arbeit macht, die Verantwortung trägt und am
       Ende den Preis bezahlt.
       
       Ich finde, man sollte das nicht Elternzeit nennen oder Vätermonate.
       „Teilzeit-Spielgefährten“ wäre der passendere Begriff.
       
       23 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://presse.hannover-stadt.de/pmDetail.cfm?pmid=21598
   DIR [2] /Vaterfigur-Bundeswirtschaftsminister/!5272638
   DIR [3] https://www.sueddeutsche.de/meinung/christian-lindner-care-arbeit-kinder-1.5679206
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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