URI: 
       # taz.de -- En Marche in Frankreichs Parlament: Macron-Partei ist geschwächt
       
       > Mehrere Abgeordnete wechseln aus der Regierungspartei zu neuer Fraktion.
       > Der Präsident hat zudem mit seinem Image in der Bevölkerung zu kämpfen.
       
   IMG Bild: Allein auf weiter Flur? Macrons Partei kann weiter auf Verbündeten zählen
       
       Paris taz | Die Partei von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron verliert
       ihre absolute Mehrheit in der französischen Nationalversammlung. Sieben
       Abgeordnete aus der Regierungspartei LREM haben sich nun einer neuen
       Parlamentsfraktion mit dem Namen „Ecologie-Démocratie-Solidarité“ (EDS)
       angeschlossen. Sie besteht damit aus zunächst 17 VolksvertreterInnen.
       
       Die Konsequenz ist zunächst einmal symbolisch: LREM kann und muss auf die
       Unterstützung der verbündeten zentrumsdemokratischen Abgeordneten der
       Parteien MoDem und Agir setzen. Die Fraktionsbildung verdeutlicht aber, wie
       sehr sich im Lager des Präsidenten Ernüchterung, Enttäuschung und
       Frustration breitgemacht haben.
       
       Nach seinem Sieg bei der Präsidentenwahl von 2017 eroberte die LREM im
       Anschluss gleich 314 von 577 Sitzen. Das ermöglichte es der Regierung im
       Prinzip, alle Reformen problemlos absegnen zu lassen. Doch politisch
       homogen war diese Mehrheit nie – [1][und bald wurde deutlich, dass sich
       längst nicht alle damit begnügen wollten, die Regierungsvorlagen
       durchzuwinken].
       
       Bald beklagten sich interne Kritiker im Parlament über ihren mangelnden
       Einfluss auf die Regierungsbeschlüsse, wegen der nach rechts abdriftenden
       Migrationspolitik oder der brutalen Repression gegen demonstrierende
       Gelbwesten und andere RegierungsgegnerInnen. Auch die ihnen auferlegte
       Abstimmungsdisziplin in der Regierungsmehrheit behagte manchen immer
       weniger. Einige traten bereits individuell aus LREM aus oder wurden
       ihrerseits als „Dissidenten“ ausgeschlossen.
       
       ## Die Drohung stand schon länger im Raum
       
       Zu Jahresbeginn hatte die LREM-Fraktion so bereits zwanzig Stimmen weniger
       als zu Regierungsbeginn. Und die Erosion ging weiter. Des vergeblichen
       Murrens müde, haben die mit der offiziellen Linie unzufriedenen
       Abgeordneten der Macron-Partei mit der Bildung der separaten Fraktion eine
       mehrfach vorgebrachte Drohung wahr gemacht.
       
       Im Kontext von Corona erhält diese Spaltung im Parlament eine zusätzliche
       Sprengkraft. Die Krise hat die Führungsfähigkeiten der französischen
       Regierung infrage gestellt. In keinem anderen EU-Land ist die Krisenpolitik
       der Regierung so unpopulär wie in Frankreich, wo diesbezüglich nur ein
       Drittel Vertrauen in die Staatsführung hat.
       
       Die neue Fraktion beansprucht für sich eine völlige Unabhängigkeit und will
       darum grundsätzlich „weder in der Regierungsmehrheit, noch in der
       Opposition“ angesiedelt werden. Die Zusammensetzung dieser politisch nicht
       sehr homogenen Gruppe von bisher 17 Mitgliedern gibt dennoch einen ersten
       Eindruck: Zu den WortführerInnen gehören die Ex-Sozialistin und ehemalige
       Umweltministerin Delphine Batho, dann etwa auch Matthieu Orphelin, ein
       enger Vertrauter des Ökologen und Ex-Ministers Nicolas Hulot. Zu EDS gehört
       ebenfalls der Mathematiker Cédric Villani, der wegen seiner Kandidatur
       gegen die offizielle LREM-Liste bei den Kommunalwahlen in Paris
       ausgeschlossen worden war.
       
       Andere kommen, wie der frühere Sozialist Aurélien Taché, vom linken
       LREM-Flügel. [2][In einem Interview] in der Sonntagszeitung Le Journal du
       Dimanche hatte dieser am Sonntag bedauert: „Die Bewegung (LREM) war nicht
       in der Lage, eine ideologische Basis und Konvergenzen mit anderen Parteien
       oder Verbündeten in der Gesellschaft zu schaffen.“ Wie seine
       Fraktionskollegen möchte Taché den Wunsch nach mehr politischer
       Bewegungsfreiheit nicht als definitive Absage an Macron verstanden wissen:
       „Ich bereue meine Entscheidung von 2017 nicht, ich weiß, was ich Emmanuel
       Macron schuldig bin.“
       
       19 May 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ein-Jahr-Emmanuel-Macron-im-Amt/!5501068
   DIR [2] https://www.lejdd.fr/Politique/exclusif-aurelien-tache-depute-du-val-doise-je-quitte-la-republique-en-marche-3968796
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
   DIR La République en Marche
   DIR Schwerpunkt Emmanuel Macron
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Emmanuel Macron
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Emmanuel Macron
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Corona-Politik in Frankreich: Ein Volk von ungezogenen Kindern
       
       Welche Lockerungen der Beschränkungen Frankreich tatsächlich einführt, ist
       offen. Sicher sind hingegen massive Einschränkungen der Grundrechte.
       
   DIR Coronavirus in Frankreich: Die neue Maginot-Linie
       
       Unser Autor ärgert sich über die autoritäre Weise, wie Frankreich mit der
       Pandemie umgeht. Das Land war auf das Virus schlecht vorbereitet.
       
   DIR Kommunalwahlen in Frankreich: Macrons Listen ohne Chance
       
       Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde sinkt auf unter 50 Prozent,
       Stichwahlen werden womöglich abgesagt. Praktisch für den Wahlverlierer
       Macron.