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       # taz.de -- England gewinnt zum EM-Auftakt: Welle der Erleichterung
       
       > Im Eröffnungsspiel zeigen die Engländerinnen, dass sie ein Team zum
       > Verlieben sein können. Knapp wird es gegen Österreich wegen fehlender
       > Effizienz.
       
   IMG Bild: Häufiger im Ballbesitz: die englische Nationalspielerin Beth Mead vor Verena Hanshaw am Ball
       
       Als Georgia Stanway gefragt wurde, was das Beste an diesem Abend gewesen
       sei, musste sie nicht lange überlegen. „Der Lärm“, erwidert die
       Neu-Münchnerin strahlend. „Es war schwer, unten überhaupt irgendjemanden zu
       verstehen. Das ist der Standard, den die Fans gesetzt haben, und den
       brauchen wir bei jedem Spiel. Macht Lärm!“
       
       Es war die alles entscheidende Frage vor diesem Spiel gewesen: Würden die
       Gastgeberinnen diese berühmte Welle in Gang kriegen? [1][Würden sie unter
       dem Druck, ein überragendes Turnier spielen zu müssen] und auch noch wie
       üblich dem Frauenfußball als Entwicklungshelferinnen zu dienen, zerbrechen?
       Die ersten 15 Minuten gegen engagierte Österreicherinnen wirkte es, als
       könne das passieren, agierten die Britinnen fehleranfällig und nervös. Und
       zum Schlusspfiff, als das Stadion verzückt zu „Sweet Caroline“ sang,
       wirkten Stanway und Kolleginnen vor allem erleichtert. Mit 1:0 gesiegt, ein
       gutes, souveränes Spiel gemacht, und schon nach 20 Minuten rollte die Welle
       durchs Stadion, als hätten die Fans die Wünsche der Uefa erhört. So kann es
       _gehen.
       
       Die Titelambitionen der Engländerinnen zu bewerten wäre ein wenig verfrüht,
       aber vielversprechende Ansätze waren zu sehen in diesem Duell, das England
       mit einem Lupfer von Beth Mead (16.) verdient für sich entschied. Da ist
       das kompakte, sehr körperliche Mittelfeld um die groß aufspielende Georgia
       Stanway („Ich habe versucht, im guten Sinne garstig zu spielen“), deren
       Solo in den Strafraum zurecht Standing Ovations bekam.
       
       Da sind die exzellenten Flügelspielerinnen, allen voran die
       Außenverteidigerin Lucy Bronze, die mit ihrer Übersicht und Geschwindigkeit
       immer wieder gefährliche Angriffe einleitete, aber auch die vor dem Turnier
       gehypte Lauren Hemp. In der ersten Hälfte noch gelang es den
       Österreicherinnen, Hemp Raum und Spielfreude zu nehmen, aber zunehmend
       befreite sich die junge Offensivspielerin und feuerte ein Potpourri an
       Hereingaben und Pässen. Sehr reif und variabel wirkt das Offensivspiel
       bisweilen, wo Hemp die Lücken suchen darf, während die unermüdlich
       anrennende Ellen White einen Ball nach dem andern erkämpfte.
       
       ## Arg sorglos nach der Pause
       
       Es wurde aber auch deutlich, was den Gastgeberinnen noch fehlt. Vor allem:
       Effizienz. [2][Eine Schwäche, die das Team schon bei der WM 2019
       offenbarte.] Viel zu lasch gingen die Engländerinnen mit ihren
       Möglichkeiten um. Oft gelingt es nicht, Angriffe konsequent zu Ende zu
       spielen. In der zweiten Hälfte, in der das Spiel verflachte, setzte die Elf
       von Sarina Wiegman arg sorglos die Führung aufs Spiel, und die
       eingewechselten Toone, Russo und Kelly konnten das Niveau der vorherigen
       Offensivreihe nicht halten.
       
       Ein Glück, dass die Gegnerinnen Österreich hießen. Die hatten nach starker
       erster Viertelstunde nicht mehr allzu viel anzubieten und wirkten insgesamt
       überfordert. Dass die Norwegerinnen in der Partie am Montag bei so viel
       Nachlässigkeit weniger gnädig sein könnten, weiß auch Wiegman. „Wir waren
       ein bisschen hektisch im letzten Drittel“, kritisierte die niederländische
       Trainerin nach der Partie. „Es fehlte der letzte Pass. Und wir haben den
       Ball zu schnell verloren. Gegen Norwegen könnten wir ruhiger am Ball sein.“
       
       Insgesamt jedoch konnte Wiegman zufrieden sein, und auch mit der Art und
       Weise, wie ihr Team den schier übermenschlichen Druck schulterte. Die
       Kulisse von 68.000 in Old Trafford ist ein neuer EM-Rekord der Frauen, von
       Spielerinnen wie Trainerinnen überschwänglich gelobt. Die Branche wächst.
       Die kleinen leeren Flecken im Rund offenbarten aber zugleich, dass die
       Debatte um vermeintlich zu kleine Stadien ein wenig naiv geführt wird.
       Vollständig besetzt war selbst dieses zuvor als ausverkauft titulierte
       Eröffnungsspiel nicht, und zumindest auffällig auch der hohe Anteil an
       Schulklassen. Ob die EM wirklich nachhaltig wird oder eher einen kurzen
       Hype auf dem Niveau vieler Handballturniere erzeugt, diese Frage ist längst
       nicht beantwortet. „Ich hoffe, sie kommen weiterhin“, drückte Sarina
       Wiegman aus, was viele dachten. Die englischen Spielerinnen werden nun den
       Heimvorteil nutzen und das Wochenende bei ihren Familien verbringen.
       Rauskommen aus der Blase, runterschalten.
       
       Die erste Hürde ist genommen. Das hier ist ein Team, in das das Publikum
       sich verlieben könnte. Bei einer Frauen-EM scheint das manchmal wichtiger
       als die drei Punkte. Die Zuschauer:innen jedenfalls hatten Spaß und
       sangen: „Good times never seemed so good.“
       
       7 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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