URI: 
       # taz.de -- Erdoğans Reise in den Irak: Strippen ziehen gegen die PKK
       
       > Nach 13 Jahren reist Erdoğan wieder nach Bagdad. Sein Kalkül: Mehr Wasser
       > für den Irak für mehr Unterstützung gegen die kurdische PKK.
       
   IMG Bild: Der irakische Premierminister Mohammed Schia al-Sudani und der türkische Präsident am Montag in Bagdad, Irak
       
       Istanbul taz | Bei einem Besuch in Bagdad und der kurdischen
       Autonomieregion im Nordirak hat der türkische Präsident Recep Tayyip
       [1][Erdoğan] am Montag eine große Militäroperation gegen die kurdische
       PKK-Guerilla vorbereitet. „Unterschrift unter das Todesurteil für die PKK“
       titelte die größte türkische Zeitung Hürriyet am Dienstag über das Ergebnis
       des Treffens von Erdoğan mit dem irakischen Präsidenten Abdul Latif Raschid
       und Premierminister Mohammed Schia al-Sudani.
       
       Erstmals seit 13 Jahren hat Erdoğan das Nachbarland Irak am Montag wieder
       besucht. Der Besuch war sorgfältig vorbereitet worden und soll nun eine
       neue Ära im Verhältnis der beiden Nachbarländer einläuten.
       
       Dabei war viel von gemeinsamen Projekten die Rede. So soll die Türkei in
       den kommenden Jahren ein 17 Milliarden Dollar teures Straßen- und
       Eisenbahnnetz quer durch den Irak vom Persischen Golf bis in die Türkei
       bauen. Doch im Kern ging es um einen einzigen Deal: Die Türkei will die
       Unterstützung der irakischen Regierung für die militärische Verfolgung der
       kurdischen PKK-Guerilla, die im Nordirak ihr Hauptquartier hat. Der Irak
       verlangt im Gegenzug, dass die Türkei endlich wieder mehr Wasser aus den
       Flüssen Tigris und Euphrat in das Nachbarland lenkt.
       
       Iraks Premierminister al-Sudani hat im Verlauf des Besuchs klargemacht,
       [2][dass der Irak auch deshalb unter für sein Land lebensbedrohendem
       Wassermangel leidet, weil die Türkei an den Oberläufen der beiden Flüsse zu
       viel von dem kostbaren Stoff zurückhält]. Die Türkei hat jahrelang
       abgewiegelt und immer wieder darauf verwiesen, dass in den Wirren der
       irakischen Politik kein Ansprechpartner für Verhandlungen über Wasserrechte
       zur Verfügung stünde. Nun hat Erdoğan eingeräumt, dass ein gemeinsames
       Wassermanagement zwischen beiden Ländern notwendig ist.
       
       Eine Kommission soll jetzt auf wissenschaftlicher Grundlage klären, welche
       Wassermenge dem Irak aus dem Tigris und mittelbar auch aus dem Euphrat
       zusteht. „Wir werden uns bemühen, den irakischen Erwartungen nachzukommen“,
       sagte Erdoğan in Bagdad. Dafür, so der türkische Präsident, „haben wir
       klare Erwartungen an den Irak.“ Eine dieser Erwartungen: [3][Der Irak soll
       die PKK zur Terrororganisation erklären]. Bislang hat die irakische
       Regierung die PKK zur unerwünschten Organisation erklärt, aber noch nicht
       zur Terrororganisation. Erdoğan wolle dabei „helfen“, dass der Irak „von
       dieser Terrororganisation befreit wird“.
       
       ## Irak: Keine Beteiligung an Militäroperation gegen die PKK
       
       So weit ist es aber trotz gegenteiliger Behauptungen von Hürriyet und
       anderen türkischen Medien noch nicht. Bei einem Treffen im März zwischen
       den Verteidigungsministern beider Länder hatte der Irak klargemacht, dass
       er sich nicht an Militäroperationen gegen die PKK beteiligen werde. Daran
       hat auch der Besuch Erdoğans am Montag nichts geändert. Allerdings könnte
       die irakische Regierung – abhängig davon, ob es eine Einigung in Sachen
       Wasser geben wird – türkische Militäroperationen gegen die PKK auf
       irakischem Territorium dulden.
       
       Das Gebiet im Nordirak, in dem sich die PKK aufhält und ihr Hauptquartier
       aufgebaut hat, gehört jedoch zur Selbstverwaltungszone der irakischen
       Kurden. Für die Türkei kommt es deshalb vor allem auf deren Kooperation an.
       Aus diesem Grund flog Erdoğan am Montagabend von Bagdad aus noch nach
       Erbil, in die Hauptstadt des kurdischen Autonomiegebietes, um sich dort mit
       Nechirvan Barsani, dem Präsidenten des Autonomiegebietes, zu treffen.
       
       Erdoğan hat seit langem ein gutes Verhältnis zur Barsani-Familie, die mit
       der Demokratischen Partei traditionell einen Teil des Nordirak beherrscht.
       Im anderen Teil hat die zweite große Kurdenpartei PUK das Sagen – und die
       macht bei dem Deal zwischen der Türkei und den Barsanis bislang nicht mit.
       Ihr Gebiet um die Stadt Sulaimaniyya steht der PKK nach wie vor offen.
       
       Dennoch bereitet die türkische Armee derzeit bereits einen großen
       Militäreinsatz gegen die PKK im Nordirak vor, der noch im Frühjahr oder
       spätestens im Frühsommer losgehen soll. Ziel ist das PKK-Hauptquartier in
       den Kandil-Bergen und die Einrichtung einer Pufferzone entlang der
       türkisch-irakischen Grenze.
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /100-Jahre-deutsch-tuerkische-Beziehungen/!6003311
   DIR [2] /Der-tuerkische-Ilisu-Staudamm/!5859730
   DIR [3] /Verbot-der-kurdischen-Guerillagruppe/!5996350
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
   DIR Recep Tayyip Erdoğan
   DIR Irak
   DIR Nordirak
   DIR PKK
   DIR Wasserversorgung
   DIR Frank-Walter Steinmeier
   DIR MHP
   DIR Türkei
   DIR Schwerpunkt AKP
   DIR Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nach Anschlag in Ankara: Türkische Luftangriffe im Nordirak und in Syrien
       
       Die Regierung macht die kurdische PKK für den Terroranschlag auf den
       Rüstungskonzern Tusas verantwortlich. Sie reagiert mit Bombenangriffen auf
       mutmaßliche PKK-Stellungen in den Nachbarländern.
       
   DIR 100 Jahre deutsch-türkische Beziehungen: Die gemeinsame Geschichte würdigen
       
       Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist für drei Tage zu Besuch in der
       Türkei. Dort wird er nicht nur mit offenen Armen empfangen.
       
   DIR Sieg der Opposition in der Türkei: Erdoğans Götterdämmerung
       
       Sein Ziel, eine islamische Verfassung durchzusetzen, wird Erdoğan nun wohl
       nicht mehr erreichen. In der Kurden-Frage könnte er aber etwas
       hinterlassen.
       
   DIR Verbot der kurdischen Guerillagruppe: Irak macht mit der PKK Schluss
       
       Lang tolerierte Irak die kurdische Guerillagruppe auf ihrem Boden. Nun gilt
       sie als Terrororganisation – in Hoffnung auf bessere Beziehungen zur
       Türkei.