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       # taz.de -- Erfahrungsbericht zur Corona-App: Warnungen in Schleife
       
       > Knallrot meldete meine Corona-App zwei Risikobegegnungen. Ich machte mich
       > auf zum Testzentrum – dabei unterlief mir ein entscheidender Fehler.
       
   IMG Bild: Ursprünglich für Reiserückkehrer gedacht: Das Corona-Testzentrum am Hamburger Hauptbahnhof
       
       Ich arbeite im IT-Bereich, und als die Corona- Warn-App im Sommer endlich
       verfügbar war, hatte ich sie gleich am ersten Tag in den frühen
       Morgenstunden installiert. Danach passierte nichts. Während andere hier und
       dort von Kontakten mit „niedrigem Risiko“ berichteten, waren meine App und
       ich abgeschnitten von der Welt der Infektionen wie Robinson Crusoe.
       
       Das änderte sich schlagartig, als meine App mir vor einer Woche eine
       Nachricht schickte: Es gebe da Neuigkeiten. Knallrot begrüßte sie mich mit
       gleich zwei Risikobegegnungen vor fünf Tagen. Oh weh! Da die App weder Ort
       noch Uhrzeit der Begegnung nennt, kamen eine Zugfahrt und ein
       Restaurantbesuch infrage. Vielleicht ja sogar beides? Glücklicherweise
       waren meine Frau und ich seit vier Tagen im Homeoffice und ließen uns
       ohnehin Essen liefern. Angesteckt hatten wir also bislang niemanden. Aber
       waren wir denn jetzt infiziert oder nicht?
       
       Der Ärzte-Notdienst riet zum Test im Zentrum am Hamburger Hauptbahnhof.
       Dort steht ein großes Zelt, in das kommt man gar nicht so einfach hinein.
       „Ich fühle mich krank“ oder „Ich habe jemanden getroffen, der es hat“
       lassen die Türsteher nicht gelten. Die rote App auf meinem Handy wirkte
       dagegen wie ein VIP-Ausweis. „Sehr gut, kommen Sie herein“, sagte der
       Security-Mann. Ich war mir jedoch nicht sicher, ob ich das auch sehr gut
       finde.
       
       Der Test war schnell gemacht. Man sagte mir im Zentrum, ich sollte mich
       wegen der Warnung nicht sorgen. Die App mache manchmal, was sie wolle.
       
       Zwei Tage später kam das Ergebnis. Ich war negativ: Ende gut, alles gut.
       Die Erleichterung währte nur wenige Stunden. Am nächsten Morgen öffnete ich
       routinemäßig die App: Statt zwei Risikobegegnungen standen dort plötzlich
       drei, die jüngste datiert vom Tag meines Besuchs im Testzelt. Ich war dort
       supervorsichtig, war extra mit dem eigenen Auto hingefahren, hatte zu den
       anderen Wartenden drei Meter Abstand gehalten und jeden dort aufgestellten
       Desinfektionsmittelspender angezapft.
       
       ## Fatales Vorzeigen
       
       Andererseits laufen im Testzelt vermutlich auch mehr infizierte Menschen
       herum. Mein Handy fand wohl die Nähe einer solchen Person. Was soll ich
       tun? Die Behörden raten: Ich kann zum Testzelt fahren, die App vorzeigen,
       mich testen lassen. Aber empfängt mein Handy dort wieder Warnsignale, muss
       ich wieder zum Testzelt fahren, die App vorzeigen, mich testen lassen – und
       täglich grüßt das Testzentrum!
       
       Ich blieb einfach zu Hause. Meine Warn-App gehörte inzwischen neben der
       Wetter- und der Nachrichten-App zu den meistgenutzten Programmen. Nach noch
       einmal schlafen meldet sie die vierte Risikobegegnung, wieder mit dem Datum
       des Teststags. Bei diesem Punktestand würde ich es gern belassen. Ich freue
       mich auf den Tag, an dem mein Handy mich aus dem roten Lager entlässt und
       wieder grün leuchtet.
       
       1 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Kiesselbach
       
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