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       # taz.de -- Ermittlungen gegen HSV-Profi Bakery Jatta: Voller Einsatz
       
       > Die Hamburger Staatsanwaltschaft will unbedingt beweisen, dass der
       > HSV-Profi Bakery Jatta eigentlich ein Anderer ist. Woher kommt der Eifer?
       
   IMG Bild: Getroffen: Bakery Jatta beim Torjubel im Spiel gegen Osnabrück am Montag Abend
       
       Hamburg taz | Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat sich in die Sache
       regelrecht verbissen: Sie will, so hat es den Anschein, unbedingt beweisen,
       dass es sich bei dem HSV-Profi Bakery Jatta in Wirklichkeit um einen
       anderen Mann mit dem Namen Bakary Daffeh handelt. Und sie scheut dabei
       weder Mühen noch Kosten.
       
       So hat die Behörde kürzlich beim Institut für Anthropologische Biologie der
       Uni Freiburg ein Bewegungsgutachten in Auftrag gegeben – es ist bereits das
       zweite Gutachten in dem Fall. Das Institut soll aktuelle Jatta-Videos mit
       Aufnahmen von Daffeh aus dem Jahr 2012 vergleichen.
       
       Die Bild-Zeitung hatte die Vergabe des neuen Gutachtens Anfang Januar
       öffentlich gemacht. Vom Schwesterblatt Sport Bild war 2019 erstmals die
       Vermutung in die Welt gesetzt worden, Jatta habe bei seiner Einreise nach
       Deutschland im Jahr 2015 die Behörden über seine wahre Identität getäuscht.
       Um sich ein Aufenthaltsrecht als minderjähriger Flüchtling zu erschleichen,
       habe er sich als Bakery Jatta aus Gambia ausgegeben. Der Bericht war der
       Auftakt zu einer reißerischen Verdachtsberichterstattung aus dem Hause
       Springer.
       
       „Das ist fast schon eine Kampagne“, sagte NDR-Reporter Peter Hornung im
       „NDR Sportclub“. „Da ist anscheinend ein ganzer Verlag, der diesen
       Recherche-Sieg sozusagen haben möchte.“ Hornung selbst hat mit seinen
       Kollegen ebenfalls im Fall Jatta recherchiert: „Wir haben immer wieder
       Indizien, aber nie etwas Überzeugendes gefunden, dass das tatsächlich
       stimmen könnte.“
       
       Tatsächlich haben die bisherigen Ermittlungen verschiedener Behörden keinen
       Beweis hervorgebracht, dass Jatta bei seiner Identität und bei seinem Alter
       falsche Angaben gemacht hat. Das Bezirksamt Hamburg-Mitte, dass der Sache
       ebenfalls nachgegangen war, hatte seine Prüfungen schon Anfang September
       2019 eingestellt, nachdem Jatta seine Identität durch eine beglaubigte
       Kopie aus dem Geburtsregister von Gambia belegt hatte.
       
       Dass die Ermittler dennoch nicht lockerlassen, findet die Linksfraktion in
       der Bürgerschaft völlig überzogen. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen.
       Das hohe Verfolgungsinteresse der Staatsanwaltschaft werfe Fragen nach der
       Ressourcenverwendung und den Motiven der Ermittler auf, schrieben die
       Abgeordneten Deniz Çelik und Cansu Özdemir in einer Kleinen Anfrage an den
       Hamburger Senat.
       
       Die Antwort, die der taz vorliegt, ist außerordentlich dürr. Die meisten
       der insgesamt 18 Fragen werden gar nicht beantwortet beziehungsweise es
       wird auf eine „Vorbemerkung“ verwiesen. Darin heißt es, die
       Staatsanwaltschaft sei aufgrund des Legalitätsprinzips gehalten, den
       Sachverhalt aufzuklären. Dabei müssten die Ermittlungen „sowohl be- als
       auch entlastende Umstände in gleichem Maße berücksichtigen“. Ein erstes
       bereits ausgewertetes Gutachten „auf Basis eines Lichtbildvergleichs“ sowie
       bisherige Beweismittel begründeten einen Anfangsverdacht gegen den
       Beschuldigten.
       
       „Die Senatsantwort lässt viele zentrale Fragen unbeantwortet“, beklagt
       Çelik. Zu der Frage, ob und in wie vielen vergleichbaren Fällen ein
       anthropologisches Vergleichsgutachten in Auftrag gegeben wurde, „erfahren
       wir nichts“. Auch zu den möglichen Kosten für die Erstellung des Gutachtens
       mache der Senat keine Angaben. „Die Nichtbeantwortung deute ich
       entsprechend so, dass solche Gutachten selten in Auftrag gegeben werden und
       daher kaum Erfahrungswerte vorliegen“, so Çelik. „Sehr bemerkenswert“ finde
       er zudem die Nichtbeantwortung der Frage, ob solche Gutachten überhaupt
       geeignet seien, den Vorwurf einer falschen Identität zweifelsfrei zu
       widerlegen oder zu bestätigen.
       
       Unbefriedigend ist schließlich auch die Antwort auf die Frage, woher die
       Bild-Zeitung immer wieder exklusive Informationen über den Fall bezogen
       hat. Çelik und Özdemir haben den Verdacht, dass diese Informationen aus der
       Polizei oder der Staatsanwaltschaft an die Zeitung durchgestochen werden.
       „Erkenntnisse hierzu“, ließ der Senat verlauten, „liegen bei den
       zuständigen Behörden nicht vor. Maßnahmen wurden daher nicht ergriffen“.
       
       19 Jan 2021
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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