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       # taz.de -- Ermittlungen zu Hanau-Terror: Seehofer will Schutz von Moscheen
       
       > Für den Bundesinnenminister ist Rechtsextremismus die höchste
       > Sicherheitsbedrohung in Deutschland. Die Polizeipräsenz soll bundesweit
       > erhöht werden.
       
   IMG Bild: Kündigt mehr Polizeipräsenz an: Innenminister Horst Seehofer
       
       Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert, letztes Update: 12:11 Uhr
       
       Berlin dpa/epd/taz | Nach dem mutmaßlich rechtsextremen und rassistischen
       Anschlag von Hanau hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
       Rechtsextremismus als höchste Sicherheitsbedrohung für Deutschland genannt.
       Andere Bedrohungslagen, etwa Islamismus oder Reichsbürger, behalte man im
       Blick. Die Gewalttat von Hanau hat er als rechtsterroristischen und
       rassistisch motivierten Anschlag bezeichnet.
       
       Seehofer kündigte am Freitag ebenfalls an, dass „sensible Einrichtungen“
       wie Moscheen verstärkt überwacht würden. Zudem solle die Präsenz an
       Bahnhöfen, Flughäfen und im grenznahen Raum erhöht werden. Die
       Bundespolizei werde die Polizeibehörden der Länder unterstützen. Wegen der
       Gefahr rechtsextremer Terroranschläge erhöht die Polizei ihre
       Schutzmaßnahmen für die am Freitagmittag in Hamburg geplante
       Klimademonstration von Fridays for Future mit Aktivistin Greta Thunberg.
       Das Klimabündnis erwartet mindestens 30.000 Menschen zu der
       Großdemonstration, die mit Blick auf die Hamburger Bürgerschaftswahl am
       Sonntag stattfindet.
       
       Seehofer will sich am Freitag auch mit Vertretern der Muslime in
       Deutschland treffen, um weitere Maßnahmen zu besprechen. Am Mittwochabend
       hatte der 43-jährige Deutsche Tobias R. nach Erkenntnissen der Ermittler
       [1][im hessischen Hanau] in einer Shisha-Bar und einem Kiosk mit
       angegliedertem Café neun Menschen erschossen und anschließend seine Mutter
       und sich selbst getötet. Die Bundesanwaltschaft sieht „gravierende Indizien
       für einen rassistischen Hintergrund der Tat“. Alle ermordeten Menschen
       hatten einen Migrationshintergrund.
       
       ## Ermittler durchleuchten Handy- und Computerdaten
       
       Viele Fragen sind noch offen, unter anderem, [2][ob der Schütze psychisch
       krank war und an Wahnvorstellungen litt]. Zum Ablauf der Gewalttaten am
       Mittwochabend, die gegen 22 Uhr ihren Anfang nahmen, haben die Ermittler
       bislang nur wenige Informationen veröffentlicht. Der Täter war in einem
       Frankfurter Schützenverein aktiv, ist dort nach Angaben des Vereins aber
       nie als ausländerfeindlich aufgefallen.
       
       Die Ermittler durchleuchten zurzeit Handy- und Computerdaten des
       mutmaßlichen Täters. Abgeklärt werde, mit wem im Inland und Ausland er
       Kontakt gehabt und wo er sich aufgehalten habe, sagte Generalbundesanwalt
       Peter Frank. Mittlerweile seien 40 Zeugen angehört worden, um den genauen
       Tathergang abzuklären. Zudem würden die GPS-Daten des Autos des
       mutmaßlichen Täters ausgewertet.
       
       In der Wohnung des 43-Jährigen seien schriftliche Unterlagen und auch
       technische Gerätschaften sichergestellt worden, die in den kommenden Tagen
       und Wochen ausgewertet würden. Auch Finanzermittlungen seien angestoßen
       worden. „Das wird dauern“, sagte Generalbundesanwalt Frank.
       
       ## Mutmaßlicher Täter schon 2019 in Kontakt mit Behörden
       
       Er bestätigte, dass die Bundesanwaltschaft schon im vergangenen November
       Kontakt mit dem mutmaßlichen Attentäter hatte. Damals sei bei seiner
       Behörde eine Anzeige des Mannes eingegangen, der darin Strafanzeige gegen
       eine unbekannte geheimdienstliche Organisation gestellt habe, die „sich in
       die Gehirne der Menschen einklinkt und dort bestimmte Dinge dann abgreift,
       um dann das Weltgeschehen zu steuern“. In der Anzeige waren nach Franks
       Angaben keine rechtsextremistischen oder rassistischen Ausführungen
       enthalten. Man habe aufgrund dieses Schreibens kein Ermittlungsverfahren
       eingeleitet.
       
       Auch der Vater des mutmaßlichen Täters sei in der Vergangenheit im Kontakt
       mit Behörden aufgefallen, durch verschiedene Schreiben, wie Beschwerden.
       Der Mann sei bei der „Wohnungsöffnung“ des mutmaßlichen Täters in der Nacht
       zum Donnerstag angetroffen worden. Er sei aber kein Beschuldigter des
       Ermittlungsverfahrens, sondern im Zeugenstatus.
       
       Am Donnerstagabend gedachten Tausende Menschen in ganz Deutschland der
       Opfer. Mahnwachen fanden in mehr als 50 Städten statt. In Potsdam trauerten
       rund 300 Menschen um die Opfer des Anschlags. Auch [3][auf dem Berliner
       Hermannplatz] an der Grenze zwischen den migrantisch geprägten Stadtteilen
       Kreuzberg und Neukölln versammelten sich zahlreiche Menschen.
       Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in Hanau, der „brutale
       Terroranschlag“ in der hessischen Stadt mache [4][„fassungslos, traurig und
       zornig“]. Er rief dazu auf, der Sprache der Gewalt Einhalt zu gebieten, die
       gleichsam den Weg für solche Taten bereite.
       
       ## Politiker geben AfD Mitschuld an Tat
       
       Nach dem Anschlag hatten zahlreiche Politiker parteiübergreifend der AfD
       eine Mitschuld an der Tat gegeben. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil
       fordert eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die Partei
       habe das gesellschaftliche Klima in den letzten Monaten und Jahren
       vergiftet.
       
       Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat eine konsequente Ausgrenzung der AfD
       durch die übrigen Parteien verlangt. Sie sei der „politische Arm des
       Hasses“, sagte Özdemir am Donnerstagabend. Die Partei wolle das Land von
       innen zersetzen und versuche, mit ihren Äußerungen die Regeln des
       politischen Diskurses und die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu
       verschieben.
       
       Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen wies die Vorwürfe, seine Partei
       bereite mit ihren Äußerungen über Menschen mit Migrationshintergrund den
       Boden für derartige Taten, kategorisch zurück. „Das ist weder rechter noch
       linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren“, sagte Meuthen am
       Donnerstag. Viele Politiker wie Seehofer sehen in der Entpolitisierung der
       Tat eine Relativierung. „Der rassistische Hintergrund dieser Tat ist aus
       meiner Sicht vollkommen unbestritten und kann durch nichts relativiert
       werden“, sagte der Bundesinnenminister. Der klima- und energiepolitische
       Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Lorenz Gösta Beutin
       [5][dokumentiert auf Twitter], wie die hessische AfD schon seit Monaten
       gegen Shisha-Bars hetzt.
       
       ## Blanker Hass und Schadenfreude in AfD-Fangruppen
       
       Einzelne AfD-Politiker und -ortsgruppen instrumentalisieren den Anschlag
       indes für ihre politische Agenda. „Ist das wirklich noch das 2017 von der
       #Merkel#CDU beschworene ‚Deutschland in dem wir gut und gerne leben?‘“,
       schrieb etwa der Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski auf
       Twitter. Der AfD-Kreisverband Augsburg schrieb auf Facebook, Deutschland
       sei auf dem Weg zum „Multikulti-Drecksloch“. Die Recherchegruppe
       „DieInsider“ [6][dokumentierte zahlreiche weitere Reaktionen in
       rechtsextremen und AfD-nahen Gruppen], die den Terror feiern und
       Verschwörungstheorien verbreiten. In den Kommentarspalten grassiert der
       Hass.
       
       Hessen ist nach der Einschätzung des Extremismus-Experten Reiner Becker
       trotz mehrerer aufsehenerregender Gewalttaten nicht rechtsextremer als
       andere Bundesländer. „Man kann zwar sagen ‚schon wieder Hessen‘, aber das
       ist jetzt nicht unbedingt etwas strukturell Spezifisches“, sagte Becker der
       Deutschen Presse-Agentur. Becker leitet das Demokratiezentrum Hessen, das
       unter anderem Präventionsarbeit betreibt.
       
       Seit vergangenem Sommer geriet Hessen wegen mehrerer Bluttaten in die
       Schlagzeilen, die einen rassistischen oder mutmaßlich rechtsextremen
       Hintergrund haben: Im Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident
       Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen
       Wolfhagen erschossen. Der Generalbundesanwalt geht bei dem mutmaßlichen
       Täter Stephan E. von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Im Juli feuerte
       ein Deutscher in Wächtersbach aus rassistischen Motiven Schüsse auf einen
       Eritreer ab und verletzte diesen schwer.
       
       21 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://twitter.com/lgbeutin/status/1230496011996606464
   DIR [6] https://www.volksverpetzer.de/kommentar/hanau-afd/
       
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