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       # taz.de -- Erneute Proteste in Belarus: Stacheldraht gegen Demo
       
       > In Belarus riegeln Sicherheitskräfte das Minsker Zentrum gegen die
       > Protestierenden ab. Die kommen trotz der abgeriegelten Straßen.
       
   IMG Bild: Schon am Samstag war die Polizei brutal gegen Demonstrationen von Frauen in Minsk vorgegangen
       
       Mönchengladbach taz | Trotz abgeriegelter Straßen haben am Sonntag
       Zigtausende BelarussInnen in Minsk und anderen Städten von Belarus erneut
       für die Absetzung des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko, für
       Neuwahlen und die Freilassung aller politischen Gefangenen demonstriert. Da
       das Stadtzentrum von Minsk selbst von Sicherheitskräften abgeriegelt war,
       waren die Demonstrantinnen kurzfristig in anliegende Straßen ausgewichen.
       Die Einsatzkräfte nahmen viele friedliche Demonstranten fest und zwängten
       sie in Gefangenentransporter.
       
       Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August gehen die
       BelarussInnen [1][jeden Sonntag gegen den seit 26 Jahren mit eiserner Hand
       regierenden Präsidenten auf die Straße]. „Als ich zur Demonstration wollte,
       war ich entsetzt“, erzählte die Minskerin Alexandra Kondratiewa der taz am
       Telefon. „Das ganze Zentrum war mit Stacheldraht hermetisch abgeriegelt.
       Vier U-Bahn-Stationen waren gesperrt.“ Bereits Stunden zuvor habe sie Lkws
       der Polizei und Gefangenentransporter ins Stadtzentrum fahren sehen.
       
       Der Obelisk, ein riesiges Bauwerk auf dem Siegesplatz im Stadtzentrum, sei
       nur durch Stacheldraht zu sehen gewesen, so Kondratiewa. An den ersten
       Sonntagen war der Obelisk, der an die Toten des Zweiten Weltkrieges
       erinnert, Ausgangspunkt und Symbol der Demonstrationen gewesen.
       
       Nach Angaben der Minskerin hätten die Sicherheitskräfte am Sonntag auch mit
       lauter Musik versucht, die Sprechchöre der Demonstrierenden zu übertönen.
       Das sei diesen jedoch nur teilweise gelungen. So viele Straßensperren habe
       es an den letzten Sonntagen nicht gegeben, erzählte eine weitere
       Teilnehmerin der Demonstration der taz.
       
       ## Proteste auch in Grodno, Gomel, Witebsk und Chodino
       
       Auch in anderen Städten kam es nun erneut zu Protesten gegen Lukaschenko,
       darunter in Grodno, Gomel, Witebsk und Chodino. Ein Video des in der
       Protestbewegung einflussreichen Telegram-Kanals Nexta zeigt, wie mehrere
       hundert Demonstrierende in Belarus’ zweitgrößter Stadt Gomel eine
       Polizeiabsperrung durchbrachen.
       
       Am Palast der Republik in Minsk standen am Sonntag mit Sturmgewehren
       bewaffnete Soldaten in Kampfuniformen, wie ein Korrespondent der Deutschen
       Presse-Agentur vor Ort berichtete. Auch in Seitenstraßen des Prospekts der
       Unabhängigkeit bezogen Truppen der Miliz, wie sie in Belarus heißt, und des
       Militärs Stellung.
       
       Das stärkste Aufgebot an Einsatzkräften gab es wie an den vorherigen
       Sonntagen am Präsidentenpalast. Schon kurz vor Beginn der Minsker
       Demonstration um 14 Uhr hatten Polizisten begonnen, Grüppchen von
       Demonstranten zu jagen, die sich mit weiß-rot-weißen Fahnen und
       Transparenten in den Händen auf den Weg ins Stadtzentrum gemacht hatten.
       
       Schon am Samstag war die Polizei brutal gegen Demonstrationen von Frauen in
       Minsk und anderen Städten des Landes vorgegangen. Die Einsatzkräfte hatten
       schon kurz nach Beginn der Kundgebung damit begonnen, [2][Teilnehmerinnen
       abzugreifen und festzunehmen]. Insgesamt nahm die Polizei am Samstag 430
       Personen fest. 383 der Festgenommen seien am Sonntagmorgen wieder auf
       freiem Fuß gewesen, zitiert die staatliche Agentur Belta eine Sprecherin
       des Innenministeriums.
       
       Der oppositionelle Koordinierungsrat sprach angesichts der im Vergleich zum
       vergangenen Wochenende sehr viel höheren Zahl an Festnahmen von einer
       „neuen Phase der Eskalation der Gewalt gegen friedliche Demonstranten“.
       Derweil hatte der von Polen aus operierende Telegram-Kanal Nexta eine Liste
       persönlicher Daten von über tausend Polizisten veröffentlicht, die an den
       Einsätzen gegen Demonstrationen beteiligt gewesen sein sollen. (mit dpa)
       
       20 Sep 2020
       
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