URI: 
       # taz.de -- Erstes Album von Oum Shatt: Lust auf Laissez-faire
       
       > Alles, was großer Pop braucht: Oum Shatt bestehen aus altgedienten
       > Persönlichkeiten des Berliner LoFi-Lebens und legen ein formidables Debüt
       > vor.
       
   IMG Bild: Oum Shatt ohne Drummer Chris Imler, dafür mit Kerze
       
       Eigentlich ist es im Pop doch ziemlich einfach: Was eine Band braucht, das
       sind ein gewisses Maß an Lässigkeit, catchy Hooklines und ein paar gute
       Verse. Die Band Oum Shatt, bestehend aus allerlei altgedienten
       Persönlichkeiten des Berliner LoFi-Lebens, hat all das im Repertoire.
       
       Tanzbare, funky Musik und dazu Zeilen, die man sich auf die Stirn schreiben
       („I’m a man / Rock ’n’ Roll makes me cry/ in the dawn“), auf Plakate
       pinseln („Power to the women of the morning shift“) oder aber in die
       Kniekehlen tätowieren lassen kann („Nothing’s so true / like the backsides
       of your knees“).
       
       Oum Shatt – gesprochen Uhm Schatt – klingen irgendwie so, wie ihr Name dies
       vermuten lässt: nach schönen, durchaus über den europäischen Tellerrand
       hinausschauenden Rhythmen, zu denen man bestens affiziert tanzen kann.
       
       ## Den Rock retten
       
       Die Berliner Combo ist das jüngste Projekt um Sänger und Songwriter Jonas
       Poppe, der zuvor schon mit den Sitcom Warriors und mit Kissogram den Rock
       ’n' Roll (vor sich selbst) gerettet hat, sowie Chris Imler, der ebenfalls
       ständig in dieser Mission unterwegs ist (etwa gemeinsam mit Jens Friebe,
       Die Vögel und Hunderten anderen).
       
       Laut Bandcamp-Seite sind Oum Shatt „plötzlich erschienen im Jahre 2012“.
       Der Name der Band sei, so Jonas Poppe, zum einen eine Hommage an die Grand
       Dame der ägyptischen Musik, Oum Kalthoum, und beziehe sich zum anderen auf
       einen Ort in der tunesischen Wüste.
       
       Poppe und Imler, die von Gitarrist Jörg Wolschina (Der Elegante Rest) und
       neuerdings auch von Richard Murphy (Michael Knight) flankiert werden, haben
       mit Oum Shatt zu einer Musik gefunden, die man so noch nicht gehört hat.
       
       In der kühlen Stimme Poppes und im Gitarrensound ist New Wave zu hören,
       wohingegen die Gitarren- und Bassläufe – die oft wie Loops laufen, ohne
       geloopt zu werden – an Surf und Psychedelik erinnern. Dann ist da eben noch
       ein dezenter Einfluss an arabischen Harmonien. Und klingen hier und da
       nicht sogar Karibik-Rhythmen an? Mag sein.
       
       Dass Oum Shatt bislang im Ausland mehr Interesse geweckt haben als
       hierzulande – etwa zu Festivals wie dem Trans Musicales in Rennes gebucht
       oder mit Artikeln bedacht wurden –, passt ins Bild. Denn Poppe und Imler
       zählen beide zu den großen Randständigen des Pop in Deutschland. Mit all
       ihren Projekten haben sie tolle Musik produziert – nur hat dies nicht
       großartig interessiert. Gerade diese beiden drücken Oum Shatt mit
       variablem, eigenwilligem Schlagzeugspiel (Imler) und einzigartiger
       Surf-Melancholie (Poppe) ihren Stempel auf.
       
       Während manche Songs entsprechend relaxt wie ein Abend unter tiefstehender
       kalifornischer Sonne daherkommen, sind andere hitzig aufgekratzt und
       entwickeln arabisches Flair („Ya Ya Ya“). Und dann wären da noch echte
       Hits: „Gold To Straw“ eignet sich mit den hallenden Offbeat-Akkorden und
       dem quäkenden Synthesizer gleichermaßen zum Nächte-Durchtanzen wie zum
       Cocktailschlürfen. „Hot Hot Cold Cold“ verbindet Stakkato-Riffs mit
       Popappeal und dem Charme von Franz Ferdinand.
       
       Dass sie mit Letzteren verglichen wurden, ist dabei gar nicht so weit
       hergeholt, denn die vier Herren, vom Alter zwischen Mitte 30 und Anfang 50,
       hätten es wirklich verdient, auf die alten Tage noch als neuester heißer
       Scheiß gefeiert zu werden. Vom Outfit her können Oum Shatt durchaus mit den
       britischen Indie-Helden konkurrieren, präsentieren sie sich live und in
       Videos doch in feinen Jacketts, glitzernden Hemden oder anderen feinen
       Stoffen.
       
       Das auf dem Berliner Label Snowhite erscheinende Album, auf dem insgesamt
       zwölf Tracks zu hören sind (darunter vier von der 2013er-EP „Power to the
       women of the morning shift“), macht Lust auf Tanzen, Lust auf Sommer, Lust
       auf Laissez-faire. Und das, damit wären wir bei der Einfachheit des Pop,
       ist nicht das Schlechteste, was ein Album leisten kann. 
       
       Oum Shatt: „Oum Shatt“ (Snowhite Records/Rough Trade)
       
       19 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
       
       ## TAGS
       
   DIR Pop
   DIR Franz Ferdinand
   DIR Pop
   DIR Anohni
   DIR Pop
   DIR Punk
   DIR Achtziger Jahre
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wahrnehmung von Musik: Chart- und Heartbreaker
       
       Musikwissenschaftler Volkmar Kramarz hat ein Buch darüber geschrieben, wie
       Hits entstehen. Für die taz hat er drei Hits analysiert.
       
   DIR Neues Album von Anohni: Zerrissene Gegenwart
       
       Empört, wütend und sensibel auf die Weltlage schauen: Antony Hegarty heißt
       nun Anohni und ihr Album heißt programmatisch „Hopelessness“.
       
   DIR Neues Radiohead-Album: Axiome der Gegenwart
       
       Wieder aufgetaucht nach der digitalen Schnitzeljagd: Radiohead und ihr
       zeitgemäßes, dystopisches neues Album „A Moon Shaped Pool“.
       
   DIR Viv Albertine über ihr Leben: „Punk war immer ein Teil von mir“
       
       Sie war Gitarristin der Punkband The Slits. Nun erscheint ihre
       Autobiografie. Viv Albertine über Aggressivität, Selbstbestimmung und das
       Gute am Scheitern.
       
   DIR Popdiskurs im HAU: Begehre deine Jugend
       
       Im Berliner HAU diskutierten Michaela Melián und Diedrich Diederichsen mit
       Alfred Hilsberg und Christof Meueler über die achtziger Jahre.