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       # taz.de -- EuGH-Entscheid zum EU-Austritt: Ein Exit vom Brexit ist möglich
       
       > Großbritannien darf noch einen Rückzieher machen. Zu dem Schluss kommt
       > jedenfalls der EuGH. Das Urteil dürfte Brexit-Gegnern Auftrieb geben.
       
   IMG Bild: Großbritannien muss nicht aussteigen, es könnte auch unterm EU-Schirm bleiben, sagt der EuGH
       
       Luxemburg taz | Großbritannien kann den Brexit noch abbrechen und braucht
       dafür auch keine Erlaubnis der anderen EU-Staaten. Dies entschied jetzt der
       Europäische Gerichtshof (EuGH) – einen Tag bevor das britische Parlament
       über den Austrittsvertrag mit der EU abstimmt. Wegen der großen Bedeutung
       urteilte der EuGH in voller Besetzung mit 28 Richtern.
       
       Eine Volksabstimmung in Großbritannien hatte sich im Juni 2016 für einen
       Ausstritt aus der EU ausgesprochen. Am 29. März 2017 teilte die britische
       Regierung der EU förmlich mit, dass Großbritannien beabsichtigt, aus der EU
       auszutreten. Mit diesem Tag begann eine Zwei-Jahres-Frist. Die britische
       Eu-Mitgliedschaft endet deshalb [1][am 29. März nächsten Jahres], wenn
       nicht anderes vereinbart wird.
       
       Die EU-Verträge lassen offen, ob ein derartiger Austrittsantrag vor dem
       endgültigen Ende der Mitgliedschaft auch wieder zurückgenommen werden kann.
       Darüber entschied nun der EuGH auf Anfrage eines schottischen Gerichts, bei
       dem mehrere Abgeordnete eine Feststellung beantragt hatten, dass der
       Rückzug vom Brexit möglich ist. Der EuGH entschied in einem Eilverfahren.
       
       Die britische Regierung hatte am Verfahren teilgenommen, ohne inhaltlich
       Stellung zu beziehen. Sie argumentierte nur, die Vorlage des schottischen
       Gerichts sei unzulässig. Die vorgelegte Frage sei hypothetisch, schließlich
       wolle Großbritannien ja weiterhin aus der EU aussteigen. Der EuGH erklärte
       die Vorlage jedoch für zulässig. Es sei Aufgabe der nationalen Gerichte zu
       entscheiden, ob eine EU-Rechtsfrage für die Lösung eines konkreten
       Rechtsstreits relevant ist.
       
       Da der EU-Vertrag den Abbruch des Austritts nicht regelt, gab es drei
       Möglickkeiten für ein EuGH-Urteil. Erstens: Ein Abbruch des Austritts ist
       gar nicht möglich. Zweitens: Ein Abbruch ist möglich, wenn Großbritannien
       nicht mehr austreten will. Drittens: Ein Abbruch ist nur möglich, wenn die
       anderen EU-Staaten zustimmen.
       
       Für letzteres hatten EU-Kommission und EU-Ministerrat plädiert. Sie
       befürchteten, dass ein EU-Staat, die Austrittsverhandlungen nutzt, um für
       sich bessere Bedingungen auszuhandeln und, wenn er dies erreicht hat,
       seinen Antrag wieder zurückzieht.
       
       ## Austreten muss nur, wer will
       
       Der EuGH entschied nun jedoch, dass Großbritannien auch ohne Zustimmung der
       anderen Staaten den Austrittsantrag wieder zurückziehen kann. So wie der
       Austritt sei auch der Abbruch des Austritts ein Ausdruck der staatlichen
       Souveränität. Außerdem wäre es abwegig, wenn ein Staat austreten müsste,
       der gar nicht mehr austreten will. Dies widerspreche dem Geist der
       EU-Verträge von einer „immer engeren Union“ und wäre auch nicht im
       Interesse der betroffenen EU-Bürger.
       
       Der EuGH folgte damit weitgehend dem Votum des unabhängigen Generalanwalts
       von voriger Woche. Anders als dieser will der EuGH einen eventuellen
       britischen Abbruch des Brexit aber nicht auf „Missbrauch“ prüfen. Die
       Richter stellen nur fest, dass ein Abbruch des Brexit „bedingungslos“ sein
       muss. Der Abbruch soll also nicht dafür genutzt werden, einen anderen
       Status Großbritanniens auszuhandeln. Das Land werde anschließend seine
       Mitgliedschaft unverändert fortsetzen. Auch die EU könnte also keine
       Bedingungen stellen. Das heißt britische Sonderrechte blieben erhalten:
       Großbritannien müsste weiterhin nicht am Euro und der gemeinsamen
       Innenpolitik teilnehmen.
       
       Der EuGH betonte, dass ein Abbruch des Brexits in Großbritannien nach den
       dortigen verfassungsrechtlichen Regeln beschlossen werden müsste. Die
       EU-Richter spekulierten aber nicht über die Details, insbesondere über die
       Frage, ob eine erneute Volksabstimmung möglich oder sogar nötig wäre.
       
       Klar ist jedoch, dass die Zwei-Jahres-Frist, die am 29. März 2019 ausläuft,
       durch einen EU-Gipfel (Europäischer Rat) einstimmig verlängert werden
       könnte.
       
       Das EuGH-Urteil stärkt die Kräfte in Großbritannien, die in der EU bleiben
       wollen. Wenn am Dienstag das englische Parlament den von Premierministerin
       Theresa May mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag ablehnt, hat
       Großbritannien nun drei Möglichkeiten. Erstens: Großbritannien handelt
       Änderungen am Austrittsvertrag aus, über die dann erneut abgestimmt würde.
       Zweitens: Großbritannien tritt ohne Vertrag aus, was chaotisch werden
       könnte. Drittens: Großbritannien zieht den Austrittsantrag zurück. (Az.:
       C-621/18)
       
       10 Dec 2018
       
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