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       # taz.de -- Europäischer Klimaschutz: Von der Leyen sägt am Green Deal
       
       > Die EU-Kommission will Bürokratie abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit
       > stärken. Politiker und NGOs warnen vor den Folgen für Mensch und Natur.
       
   IMG Bild: Klimaschutz kommt in der neuen Arbeitsagenda von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nur noch am Rande vor
       
       Brüssel taz | Mit dem Green Deal will die EU eigentlich bis 2050
       [1][klimaneutral] werden. Doch fällt er jetzt dem Mantra der
       Wettbewerbsfähigkeit zum Opfer? Diese Sorge treibt Klimaschützer,
       Gewerkschaften und Verbraucherverbände um. Am Mittwoch wurde diese
       Befürchtung bei einer Aussprache im Europaparlament in Straßburg laut. Das
       Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2025 nährt die schlimmsten
       Befürchtungen.
       
       „Dieses Programm weist den Weg zu einem wettbewerbsfähigeren Europa“, sagte
       Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Im Mittelpunkt der Agenda
       stehe der Bürokratieabbau, betonte Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis.
       Die EU habe die Zeit „intensiver Gesetzgebung“ hinter sich gelassen. Nun
       gelte es, das Regelwerk zu entschlacken.
       
       Dombrovskis betonte genau wie von der Leyen, dass dies nicht zulasten der
       Klimaziele gehen werde. Doch ihr Arbeitsprogramm spricht eine andere
       Sprache. Es sieht nicht weniger als 35 „Fitness-Checks“ für bestehende
       EU-Regeln vor, außerdem kündigte die Kommission drei sogenannte
       Omnibus-Pakete zur Deregulierung an. Dabei geht es um den Versuch, mehrere
       EU-Gesetze auf einmal zu ändern. Das Handelsblatt verglich von der Leyens
       Vorstoß mit der Kettensäge des [2][argentinischen Präsidenten Javier
       Milei]. Ähnlich wie in Buenos Aires gehe es darum, die Gesetzgebung radikal
       zu beschneiden.
       
       Brüssel hat sich viel vorgenommen: Neben den Berichtspflichten für
       Unternehmen will die EU-Kommission auch die Regeln für Investitionen,
       Produktsicherheit, Cybersicherheit und Landwirtschaft überarbeiten. So will
       sie die „bürokratischen Bürden“ für Unternehmen um mindestens 25 Prozent
       absenken.
       
       ## Klimaziele nur noch am Rande
       
       Zudem soll der „Aquis“, also die gesamte EU-Gesetzgebung, durchforstet
       werden – offiziell mit dem Ziel der Vereinfachung. Kritiker fürchten aber,
       dass es um Deregulierung geht. Für Unmut sorgt auch, dass die Kommission
       ein Programm für günstigen Wohnraum nicht mehr aufführt und die Klimaziele
       nur noch am Rande erwähnt.
       
       Das treibt Klimaschützer, Gewerkschaften und Verbraucher-verbände in
       Brüssel auf die Barrikaden. „Weiter Umweltstandards abzubauen, wird die EU
       nicht wettbewerbsfähiger machen“, warnt Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
       „Der Green Deal war und ist kein Hindernis, sondern der Schlüssel für
       Europas Wettbewerbsfähigkeit.“
       
       Das Arbeitsprogramm der Kommission enthalte nichts für Arbeitnehmer,
       kritisiert der Europäische Gewerkschaftsbund EGB. Zwar habe von der Leyen
       den Unternehmen günstigere Energie versprochen. Doch für die Beschäftigten
       und Verbraucher sei ihr nichts eingefallen, sagte EGB-Generalsekretärin
       Esther Lynch.
       
       Ähnlich äußerte sich der EU-Verbraucherverband BEUC. „Die Kommission darf
       nicht nur auf die Unternehmen hören“, so BEUC-Chef Agustín Reyna. Der
       Verbraucherschutz müsse ebenfalls Priorität genießen. Doch bei den Rechten
       der Bahnfahrer, bei der E-Privacy oder einem geplanten Gesetz zu
       künstlicher Intelligenz komme nichts.
       
       ## Auch EU-Parlament besorgt
       
       Nicht nur die Verbände machen sich Sorgen. Auch im EU-Parlament kommen
       Zweifel auf, ob sich von der Leyen noch an ihre Wahlversprechen gebunden
       fühlt und den Green Deal weiterführen will. Die Sozialdemokraten
       unterstellen der CDU-Politikerin, dass sie die Klimagesetze mit Hilfe von
       Rechtspopulisten aushöhlen will.
       
       „Rückschritte sind inakzeptabel“, warnte René Repasi von der SPD. Auch die
       Grünen, die von der Leyen zur Wiederwahl verholfen hatten, um den Green
       Deal zu retten, verschärfen die Tonart. Die geplante Vereinfachung der
       Nachhaltigkeitsregeln sei „ein Paradebeispiel für schlechte Gesetzgebung“,
       sagte Anna Cavazzini, die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses.
       
       Ihre grüne Parlaments-Kollegin Alice Bah Kuhnke wittert sogar einen
       Skandal. Die EU-Kommission wolle ein geplantes Antidiskriminierungsgesetz
       zurückziehen, erklärte die schwedische Europaabgeordnete. Dies sei ein
       „Verrat“ an den Bürgern und am EU-Parlament. [3][Von der Leyen] sei vor den
       Rechten und Populisten eingeknickt.
       
       12 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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