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       # taz.de -- Ex-Investor René Benko vor Gericht: Riesige Summen beiseitegeschafft
       
       > Der frühere Immobilienunternehmer René Benko muss sich in Österreich vor
       > Gericht verantworten. Ihm drohen zehn Jahre Haft. Die großen Brocken
       > kommen erst noch.
       
   IMG Bild: Der Immobilienunternehmer und Ex-Milliardär René Benko vor dem Landgericht Innsbruck, am 14.Oktober 2025
       
       Translator
       
       Um 9.02 Uhr kommt er rein in den größten Verhandlungssaal des Innsbrucker
       Landesgerichts, von einer Menschentraube umringt. René Benko ist korrekt
       gekleidet in Anzug und mit roter Krawatte, das schwarze Haar gegelt,
       Undercut-Schnitt. Schmaler ist er geworden in neun Monaten
       Untersuchungshaft.
       
       Fünf ziemlich martialisch aussehende Männer von der Justizwache umringen
       ihn, schirmen ihn ab: René Benko, Österreichs Mega-Immobilienunternehmer
       und Maxi-Pleitier, steht vor Gericht. Die Vorsitzende Richterin Andrea
       Wegscheider nimmt knapp die Personalien ab: 48 Jahre alt, derzeit kein
       Einkommen, vier Kinder. Keine Angaben zu Vermögen oder Schulden. Und auch
       sonst nichts, er verweist knapp auf seinen Verteidiger.
       
       Erstmals seit dem Konkurs seines Signa-Imperiums Anfang 2024, der sehr
       viele und sehr große Bauprojekte in den Abgrund gerissen hatte, muss sich
       Benko vor der Öffentlichkeit verantworten. Das Interesse ist groß, mehr als
       70 Journalisten sind angemeldet. Benko wird „betrügerische Krida“
       vorgeworfen, in Deutschland ist das ein Insolvenzvergehen – jemand legt
       Geld zur Seite, obwohl er weiß, dass er pleitegehen wird.
       
       ## Hinter ihm die Sintflut
       
       Benko hat einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die [1][Warenhauskette Galeria
       Kaufhof] ist ein prominentes Beispiel: Im Mai 2024 wurde sie an die
       US-Investmentgesellschaft NRDC und den deutschen Unternehmer Bernd Beetz
       verkauft. Es folgte ein massiver Stellenabbau, doch von den 92 Filialen in
       Deutschland werden immerhin 83 weiter betrieben. Dichtmachen mussten Häuser
       unter anderem in Berlin, Chemnitz, Essen, Augsburg oder Regensburg.
       
       Von den Signa-Immobilienprojekten ist der Hamburger Elbtower der
       bekannteste Unfall. Das Bauwerk sollte 245 Meter hoch werden und 64
       Stockwerke haben. Architektonisch war es als Abschluss der Hafen-City
       geplant. Es hat aber nur seine halbe Höhe erreicht, als die Arbeiten
       gestoppt wurden. Der Elbtower steht leer und wird mehr und mehr zur Ruine.
       Am Dienstag verkündete Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher,
       [2][die Stadt wolle Teile des Gebäudes für das geplante Naturkundemuseum
       nutzen]. Die Hamburger Bürgerschaft muss die Pläne allerdings noch
       absegnen.
       
       Insgesamt wurden in Deutschland [3][21 Signa-Projekte eingestellt, die im
       Bau oder in der Sanierung waren.] Benko-Hinterlassenschaften gibt es unter
       anderem [4][in Berlin], München, Frankfurt, Nürnberg und Stuttgart. Meist
       stehen erst einmal die Städte in der Pflicht, sich um die
       Hinterlassenschaften zu kümmern. Sie wollen, dass die Flächen genutzt
       werden und nicht die Innenstädte verschandeln.
       
       René Benkos Geldgeber werden nur sehr wenig von dem zurückerhalten, was sie
       investiert hatten. Es handelt sich dabei um Milliarden von Euro. Neben
       privaten Investoren zählen zu den Geschädigten Versicherungen und Banken.
       Auch landeseigene Banken wie die Bayern-LB und die Landesbank
       Baden-Württemberg sind dabei. Obwohl das öffentlich getragene Institute
       sind, verweigern sie Angaben darüber, wie viel Geld sie Benko gegeben
       hatten.
       
       ## U-Haft zu regulärer Haft
       
       Bei der jetzt angeklagten Summe von insgesamt 660.000 Euro steht Benko eine
       Haftstraße von bis zu zehn Jahren in Aussicht. In den Dimensionen des
       Benko-Komplexes ist das allerdings erst einmal nur ein kleiner
       Zwischenschritt. Denn die Strategie der Wiener Wirtschafts- und
       Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist klar, wie ein Sprecher erläutert:
       Benko soll durch diesen Teil-Prozess regulär hinter Gitter gebracht werden
       und nicht länger in U-Haft bleiben, die immer wieder verlängert werden
       muss. Derweil werde dann weiter ermittelt zu den ganz großen Brocken, etwa
       zur Täuschung von Investoren. Weitere Prozesse sollen folgen.
       
       An diesem Dienstag im Innsbrucker Landgericht geht es aber zunächst mal um
       360.000 Euro, die er für Miet- und Nebenkostenzahlungen seiner Villa auf
       dem Innsbrucker Hungerberg verwendet haben soll. Das Anwesen gehört
       rechtlich nicht Benko, sondern einer seiner Familienstiftungen, die er
       gegründet hat. Und bei denen ist er de facto der Chef. Benko ist also sein
       eigener Vermieter.
       
       Er habe „Gelder beiseitegeschafft“, ist sich die Staatsanwältin bei ihrem
       Vortrag sicher, das „zur Befriedigung der Gläubiger“ hätte verwendet
       müssen. Benko soll gewusst haben, dass ihm die Pleite bevorstand, er sei
       eigentlich „mehr als knapp bei Kasse“ gewesen. Laut WKStA wollte er mit dem
       Geld aber „trotz des Konkurses den luxuriösen Lebensstil von sich und
       seiner Familie sichern“.
       
       Der zweite Anklagepunkt: 300.000 Euro soll er einer Familienstiftung
       zugeschanzt haben – auch, um nach einer Pleite flüssig zu bleiben. Seine
       Mutter Ingeborg ist als Chefin der Stiftungen eingesetzt, als Strohfrau,
       wie vermutet wird. Benkos Verschiebungen von Geldern, seine komplizierten
       Konstruktionen, nennt die Staatsanwältin „Verschleierungen“. Doch man solle
       sich „nicht von künstlich geschaffener Komplexität verwirren lassen“.
       
       ## Dachböden zu Penthouses
       
       Ein völlig gegensätzliches Bild zeichnet der Verteidiger Norbert Wess von
       seinem Mandanten. Die Anklage liege „völlig daneben“, meint er, der sich
       heroisch als Benkos „vielleicht letzten Mitstreiter“ bezeichnet. Wess sieht
       ihn als Macher, als Kämpfer, als eine Art Visionär, der unermüdlich an
       seinen Immobilienprojekten arbeitete. Mit 17 Jahren hatte er angefangen,
       alte Innsbrucker Dachböden in Luxus-Penthouses umzubauen.
       
       Im Herbst 2023 allerdings „war das Marktumfeld eine Katastrophe“, so der
       Anwalt. Die Corona-Krise lag in den letzten Zügen, Baustoffe und Energie
       wurden immens teuer, die Immobilienpreise bröckelten. Schlechte
       Geschäftsbedingungen für Benko und Signa.
       
       Dieser aber, so Wess, „hat um sein Lebenswerk gekämpft, rund um die Uhr“.
       Er habe den „Turnaround“ erreichen wollen. Hatte mit Investoren und Geld
       hin und her jongliert. Norbert Wess scheint Mitleid mit Benko zu haben:
       „Aber der Kampfgeist hat nichts gebracht.“
       
       Mit seinen gewaltigen und hochfliegenden Signa-Projekten ist René Benko zum
       größten Pleitier der österreichischen Nachkriegsgeschichte geworden. Laut
       Berichten wurden 27 Milliarden Euro versenkt, von denen seine Geldgeber in
       den laufenden Insolvenzverfahren nur wenig zurückbekommen dürften. Das ist
       zuerst einmal nicht strafbar. Unternehmen dürfen scheitern, wenn sie sich
       an die Gesetze halten. Doch laut WKStA hat sich Benko an viele Gesetze
       nicht gehalten und damit einen strafrechtlich relevanten Schaden von 300
       Millionen Euro verursacht.
       
       Dem Phänomen Benko kann man sich über zwei Zugänge nähern. Der eine ist der
       persönliche. Es ist die Geschichte vom unglaublichen Auf- und noch
       unglaublicheren Abstieg. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, wurde zum
       „Wunderwuzzi“ und einem der reichsten Männer der Alpenrepublik. Sein
       Reichtum wurde nach der Insolvenz regelrecht ausgestellt: Das Büroinventar
       in Wien wurde versteigert. Seine Villa in Sirmione am Gardasee wurde sogar
       samt allen Gegenständen darin der Öffentlichkeit gezeigt.
       Auktions-Interessenten konnten sich vor Ort alles anschauen – große Lampen,
       alte Sessel, das Inventar der Küche. Alles musste raus.
       
       Benko schaffte sich zwei Villen in Innsbruck an, jene am Lago di Garda, ein
       Chalet im Nobelskiort Lech am Arlberg, eine Penthouse-Wohnung in Wien,
       Hubschrauber und Yacht. Er gilt als prunksüchtig. Nun jagen die
       Insolvenzverwalter nach jedem Cent.
       
       Der andere Zugang ist der systemische. Wie konnte es überhaupt dazu kommen,
       dass Benko mit einem offensichtlich wackligen Finanzierungsmodell dennoch
       so lange Geldgeber fand? In seinem Arbeitszimmer an der Uni Innsbruck hat
       sich der Wirtschaftsprofessor Leonhard Dobusch Gedanken dazu gemacht.
       
       ## Benko-Modell nicht nachhaltig
       
       Er sagt, das Benko-Modell sei „nicht nachhaltig“. Es habe auch bereits
       verschiedene Vorläufer gegeben, wie etwa den Frankfurter
       Immobilienentwickler Jürgen Schneider, der eine Milliardenpleite hinlegte
       und in Haft musste. Bei niedrigen Zinsen, einer boomenden Nachfrage und
       steigenden Preisen sind mit solchen Geschäftsmodellen Milliarden zu holen.
       Dreht sich der Wind, droht der Sturz.
       
       Und Benko hat sehr reiche Menschen – dazu auch Banken und Versicherungen –
       um den Finger gewickelt. Dobusch bezeichnet solche Leute als „Geldadel“.
       „Das alte Geld verachtet Aufsteiger wie Benko zwar“, sagt er, „die Renditen
       von 8 oder mehr Prozent nahm man aber gerne.“
       
       Verzückt von der Aussicht auf mehr und mehr waren Milliardäre, die nicht so
       in der Öffentlichkeit stehen: etwa Hans-Peter Haselsteiner, ehemaliger Chef
       des österreichischen Baukonzerns Strabag und Benko-Investor. Oder
       Klaus-Michael Kühne, aus Hamburg stammender Logistik-Unternehmer, der nun
       sagt: „Ich bin einem Ganoven ersten Ranges auf den Leim gegangen.“ Der von
       ihm selbst bezifferte Verlust: eine halbe Milliarde Euro.
       
       In Innsbruck sagt Richterin Wegscheider im Gerichtssaal, dass sich ein
       Geständnis strafmildernd auswirken könne. Doch Benko plädiert auf
       „unschuldig.“ Am Mittwoch werden Zeugenaussagen erwartet, schon am Abend
       könnte ein Urteil fallen.
       
       14 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Glaeubiger-stimmen-fuer-Sanierungsplan/!6013720
   DIR [2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/hamburger-plant-teilnutzung-des-elbtowers-fuer-naturkundemuseum,naturkundemuseum-100.html
   DIR [3] /Spekulation-mit-Immobilien/!5925353
   DIR [4] /Gruene-fuer-Jugendzentrum-am-Hermannplatz/!6099681
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
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