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       # taz.de -- Experten raten Agrarministerin zu Reform: Klöckner versteckt kritische Gutachten
       
       > Berater der Agrarministerin fordern einen radikalen Umbau der
       > EU-Subventionen für Landwirte. Die CDUlerin wollte das verheimlichen.
       
   IMG Bild: Umweltfreundlich oder nicht? Das ist weitgehend egal bei den EU-Direktzahlungen
       
       Berlin taz | Die beiden Gutachten sind für Bundeslandwirtschaftsministerin
       Julia Klöckner (CDU) unangenehm: Die von ihrem eigenen Ministerium
       eingesetzten Beiräte für Agrarpolitik und für Artenvielfalt empfehlen in
       den Stellungnahmen, die milliardenschweren EU-Subventionen für die
       Landwirtschaft grundlegend anders zu verteilen als bisher – und anders als
       von Klöckner befürwortet.
       
       Kein Wunder, dass das Ministerium die Studien am Montagabend im Gegensatz
       zu früheren Gutachten klammheimlich entgegennehmen wollte. Weder
       verschickte es Einladungen an die Presse, noch trug es die Übergabe in den
       öffentlichen [1][Terminkalender der Behördenleitung] ein.
       
       Die Gutachten kommen zu einem kritischen Zeitpunkt. Denn gerade verhandelt
       die Europäische Union darüber, was sie mit ihrem bislang rund 59 Milliarden
       Euro umfassenden Agrarbudget nach Ablauf der aktuellen Förderperiode im
       Jahr 2020 machen will. Maßgeblich darüber entscheiden wird auch die
       Bundesregierung.
       
       Der Beirat für Agrarpolitik schlägt vor, innerhalb von etwa 10 Jahren die
       [2][wichtigste Subvention abzuschaffen]: die Direktzahlungen, in die
       bislang 73 Prozent des Etats fließen. Dieses Geld erhalten Bauern derzeit
       pro Hektar weitgehend nur dafür, dass sie auf dieser Fläche Landwirtschaft
       betreiben. Direktzahlungen „sind weder an der Bedürftigkeit der Landwirte
       noch an deren Leistungen orientiert“ und deshalb „heute nicht mehr zu
       rechtfertigen“, teilen die Wissenschaftler in ihrem Gutachten mit.
       
       ## Die größten Höfe bekommen das meiste Geld
       
       Tatsächlich spielt bei der Verteilung bisher keine Rolle, ob ein Betrieb
       das Geld wirklich braucht. Die höchsten Beträge bekommen sehr reiche
       Großgrundbesitzer. Und es ist auch weitgehend egal, wie umwelt- oder
       tierfreundlich die Bauern arbeiten.
       
       Der Beirat lehnt den Vorschlag der EU-Kommission ab, die Direktzahlungen
       für besonders große Betriebe zu begrenzen. Denn es sei nicht belegt, dass
       kleine Höfe grundsätzlich besser etwa für die Umwelt seien. Zudem würde so
       eine Reform der Direktzahlungen den politischen Druck senken, das ihrer
       Meinung nach verkorkste System wirksam zu verändern.
       
       Der Großteil des Geldes für die Direktzahlungen sollte den Forschern
       zufolge für Programme der EU-Länder genutzt werden, um zum Beispiel die
       Artenvielfalt auf Agrarflächen oder die Attraktivität ländlicher Räume zu
       steigern.
       
       Dass die Direktzahlungen schon bei der nächsten Reform abgeschafft werden,
       ist aber unwahrscheinlich. Die EU-Kommission will sie beibehalten und auch
       Klöckner etwa verteidigt sie als „wesentliches Element der
       Einkommenssicherung der landwirtschaftlichen Betriebe“.
       
       Unter dieser Voraussetzung empfiehlt der Beirat für Biodiversität
       (Artenvielfalt), für die Subventionen von den Landwirten anspruchsvolle
       Umweltleistungen zu verlangen – also nicht nur „Minimalstandards“ wie
       bislang. „Es sollte ein [3][Punktesystem zur Bewertung der ökologischen
       Leistungen] der Empfängerbetriebe eingeführt werden. Die Höhe der
       Direktzahlungen sollte von den erworbenen Punkten abhängen.“
       Öko-Anforderungen gibt es auch im bestehenden System, aber sie haben den
       Wissenschaftlern zufolge kaum Fortschritte gebracht. Deshalb müsse die neue
       Agrarpolitik zu erheblichen Unterschieden bei der Höhe der Direktzahlungen
       für Betriebe führen, „die viel oder wenig für die biologische Vielfalt
       leisten.“
       
       Genau das hat das seit Jahren von der Union geleitete Agrarministerium bei
       früheren Reformen erfolgreich bekämpft. Naturschutzverbände dagegen
       befürworten schon lange, die Direktzahlungen abzuschaffen oder zumindest
       die Umweltauflagen drastisch zu verschärfen.
       
       4 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmel.de/DE/Presse/Termine/termine_node.html
   DIR [2] http://www.bmel.de/DE/Ministerium/Organisation/Beiraete/_Texte/AgrOrganisation.html
   DIR [3] https://beirat-gr.genres.de/gutachten-stellungnahmen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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