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       # taz.de -- FAQ zum Deal zwischen Trump und der EU: Wer zieht hier wen über den Tisch?
       
       > Die Einigung im Handelsstreit lässt viele Fragen offen. Klar ist: Dem
       > Klima wird sie schaden. Wie es weitergehen könnte, dazu kursieren bizarre
       > Ideen.
       
   IMG Bild: Handschlag ist Handschlag – oder? Ursula von der Leyen (links) und Donald Trump am 27. Juli im schottischen Turnberry
       
       1 US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
       [1][haben einen „Deal“ geschlossen], um den Handelsstreit beizulegen. Ist
       jetzt mal Schluss mit dem leidigen Thema Zölle?
       
       Vielleicht. Aber Trump kann jederzeit wieder damit anfangen. Zwar haben er
       und von der Leyen eine Einigung über Zollabgaben erzielt, allerdings eher
       in Form einer losen Verabredung als in Gestalt eines formal korrekten
       Handelsabkommens. „TTIP per Handschlag“ [2][nennt das die Organisation
       LobbyControl] in Anlehnung an das einst geplante und gescheiterte
       Freihandelsabkommen Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP),
       gegen das Hunderttausende protestierten.
       
       Die US-Administration und die EU-Kommission interpretieren jedenfalls
       etliche Punkte der neuen Übereinkunft unterschiedlich. So wollen die USA
       eine Reihe von landwirtschaftlichen Produkten nach Europa exportieren, die
       nicht EU-Regeln entsprechen. Max Bank, Experte für Handelspolitik und
       Techregulierung bei LobbyControl, sagt: „Die USA reklamieren eine
       Interpretation, die stark an das gescheiterte TTIP-Abkommen erinnert.“
       Streitpunkt in den TTIP-Verhandlungen war etwa [3][das gefürchtete
       Chlorhühnchen]. Geschlachtete Hühner zwecks Bakterienbekämpfung in
       Chlordioxid zu baden, ist in den USA Praxis, in der EU verboten.
       
       Es gibt also offenbar noch viel Verhandlungsbedarf. Ein formelles Abkommen
       muss von den politischen Instanzen, etwa vom Europäischen Parlament,
       abgesegnet werden. Doch trotz aller Unwägbarkeiten: Wohin die Reise gehen
       soll, ist sichtbar. Denn mit ihrem „Deal“ haben von der Leyen und Trump
       Referenzpunkte gesetzt, die wieder aus der Welt zu bekommen schwer sein
       dürfte.
       
       2 Aber geht es nicht in erster Linie um Zölle?
       
       Doch, zumindest waren Zölle Ausgangspunkt des Handelsstreits. Trump hat
       gegen die EU willkürlich Zölle verhängt und so Verhandlungsmasse
       geschaffen. Die von ihm angedrohten 30 Prozent auf Waren aus der EU kommen
       nicht, das wurde mit dem „Deal“ vorläufig abgewendet. Stattdessen werden 15
       Prozent auf sehr viele Einfuhren aus der EU erhoben, ein Vielfaches dessen,
       was in der Vor-Trump-Zeit galt. Für Stahl und Aluminium bleibt es bei den
       von Trump verhängten hohen Zöllen von 50 Prozent. Diese Abgaben haben für
       Trump eine hohe Symbolkraft, weil er die Stahlindustrie in den USA stärken
       und dort neue Jobs schaffen will.
       
       3 Was hat von der Leyen Trump versprochen, damit er sich auf die Einigung
       eingelassen hat?
       
       Die EU-Kommissionschefin hat Trump zugesagt, dass die EU in den USA in den
       kommenden Jahren 600 Milliarden Dollar investieren wird. Wer dieses Geld in
       den USA anlegen soll, ist offen. Denn die EU-Kommission selbst kann nicht
       tätig werden. Das gilt auch für einen weiteren Punkt, den von der Leyen
       versprochen hat: Sie hat zugesichert, dass die EU in den USA in den
       kommenden drei Jahren Nuklearprodukte und fossile Energieträger wie
       Flüssiggas (LNG) und Öl im Wert von jährlich 250 Milliarden Dollar kaufen
       wird, also [4][insgesamt für 750 Milliarden Dollar] bis zu den nächsten
       US-Präsidentschaftswahlen. Das wäre das Drei- bis Vierfache der bisherigen
       Energieimporte aus den USA.
       
       Mit dem Handelsdeal regiere Donald Trump in die europäische Energiepolitik
       hinein, kritisiert die SPD-Bundestagsabgeordnete und Energieexpertin Nina
       Scheer. „Er verfolgt dabei nicht nur eine ausgeweitete Abhängigkeit von
       fossilen US-amerikanischen Ressourcen, sondern auch unsere Abkehr von
       erneuerbaren Energien, womit Folgelasten für nachfolgende Generationen
       deutlich verschärft werden“, sagt sie.
       
       4 Importe fossiler Energieträger in gigantischen Mengen? Ist das mit den
       europäischen und deutschen Klimazielen zu vereinbaren?
       
       Nein. Öl ist einer der größten Klimakiller, auch Flüssiggas ist enorm
       klimaschädlich. Zudem werden die vorgesehenen Mengen in der EU gar nicht
       gebraucht.
       
       Als „höchst besorgniserregend“ bezeichnet Christoph Bals von der NGO
       Germanwatch die Vereinbarung zu den Energieträgerlieferungen aus den USA.
       „Das sind Mengen, die alle Klimaziele abschießen würden“, sagt er. Das
       Problem sind nicht nur die großen CO2-Emissionen, die mit dem Verbrauch von
       Flüssiggas und Öl verbunden wären. Mindestens so problematisch sind die
       Auswirkungen auf die langfristige Energieversorgung.
       
       Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein, die EU bis 2050. Das heißt,
       innerhalb der kommenden 20 Jahre muss der Ausstieg aus fossilen Energien
       gelingen. Wenn jetzt große Mengen LNG oder Öl in die europäischen Märkte
       gepresst werden, wird sich dieser Prozess verzögern. Denn die Infrastruktur
       für fossile Energie wird viel länger erhalten als ursprünglich vorgesehen,
       schlimmstenfalls werden Einrichtungen für fossile Energie sogar erweitert
       und der Ausbau der Erneuerbaren verlangsamt.
       
       Die gigantischen Mengen erzeugen auch neue Abhängigkeiten von den USA.
       Schon jetzt sind die Vereinigten Staaten Deutschlands LNG-Hauptlieferant.
       Die Lieferbeziehungen zu Ländern wie Norwegen gerieten unter Druck. Wie
       schwierig es ist, sich aus Energieabhängigkeiten zu befreien, hat
       Deutschland nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine erlebt. Dessen Folge
       war eine massive Energiepreiskrise, von der sich viele Unternehmen in
       Deutschland bis heute nicht erholt haben.
       
       5 Wer soll all das Flüssiggas und Öl kaufen?
       
       Das ist völlig unklar. Die EU-Kommission hat jedenfalls weder das Mandat
       noch das Geld für einen Kauf. Es ist Sache der Mitgliedsländer, wie sie
       ihre Energieversorgung gestalten. Die Kommission kann ihnen dazu keine
       Vorschriften machen.
       
       6 Was sagen eigentlich die deutsche Politik und Wirtschaft dazu?
       
       Wirklich gut findet den „Deal“ niemand. In der Regierung überwiegt
       Erleichterung, dass es überhaupt zu einer Verständigung gekommen ist. „Die
       deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle“,
       sagt Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Aber er glaubt, es sei „das Beste,
       was zu erreichen war“.
       
       Die Opposition hält nichts von der Einigung. Sie sei ein „fatales Signal“,
       sagt die Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion Katharina Dröge. Trump
       werde die Schwäche der EU als Einladung sehen zu eskalieren, fürchtet sie.
       Auch die Linkspartei sieht die Einigung als „herbe Niederlage“ für die EU.
       „Ursula von der Leyen wurde bei diesen Verhandlungen über den Tisch
       gezogen“, sagt die Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner.
       
       In der deutschen Wirtschaft sind die Reaktionen unterschiedlich: Manche
       Wirtschaftsvertreter:innen finden das Ergebnis fatal, andere sind der
       Überzeugung, mehr wäre einfach nicht herauszuholen gewesen.
       
       7 Und jetzt?
       
       Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten der EU können ihre
       Zustimmung verweigern. Aber das politische Problem würde damit nicht
       gelöst. Denn Donald Trump wird sicher nicht auf einmal gemachte
       Zugeständnisse verzichten. Andere Vorschläge reichen von Nachverhandlungen
       bis zu der bizarren Idee, nur so viel fossile Energien aus den USA
       abzunehmen, wie in der EU tatsächlich gebraucht werden – und für die
       Differenz zu den zugesagten Importmengen zu zahlen, aber das Öl und
       Flüssiggas nicht zu beziehen. Das wäre sehr teuer und zeigt die große
       Ratlosigkeit angesichts des „Deals“.
       
       Langfristig können sich Deutschland und die EU nur gegen Trump wappnen,
       indem sie sich nicht erpressbar machen. Das geht nur, wenn Politik und
       Wirtschaft nach neuen Absatzmärkten jenseits der USA suchen und den Ausbau
       der erneuerbaren Energien vorantreiben, um in der Energieversorgung
       unabhängig zu werden.
       
       1 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Vorlaeufiges-Ende-des-Zollstreits/!6099333
   DIR [2] https://www.lobbycontrol.de/pressemitteilung/zoll-deal-ttip-per-handschlag-121898/
   DIR [3] /Freihandelsabkommen-mit-den-USA/!5510673
   DIR [4] /Umstrittene-Zoll-Einigung-von-USA-und-EU/!6099486
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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