# taz.de -- FC Barcelona im Wiederaufschwung: Die wunderbare Pep-Krankheit
> Unter Josep Guardiola hat sich der FC Barcelona in Windeseile vom
> Niedergang der letzten Jahre erholt. Der junge Trainer hat wiederbelebt,
> was Barças Identität ausmacht.
IMG Bild: Josep Guardiola steht ständig unter Strom.
Ein paar Minuten bevor es losgeht, hat das Training im Körper von Pep
Guardiola bereits begonnen. Mit federnden Schritten, der Körper auch mit 38
der eines Asketen, eilt der Trainer an diesem Morgen in der Sportstadt des
FC Barcelona über den Fußballplatz. Es gibt noch nichts zu korrigieren,
noch nichts anzuweisen, doch Guardiola redet und redet schon mit der
Intensität des Wettkampfsports auf alle ein, er nimmt Stürmer Samuel Etoo
in den Schwitzkasten; spielerisch, versteht sich. "Pep ist ein Kranker",
erklärte Spielmacher Xavi Hernández fröhlich die Leidenschaft seines
Trainers für das Spiel: Der denke abends im Bett vermutlich noch immer über
jeden Pass nach.
Längst hat die wunderbare Pep-Krankheit den FC Barcelona angesteckt. Mit
der knisternden Intensität, die ihr Trainer aussendet, trägt Barça dieses
Jahr wieder seine legendäre Kurzpasskunst vor. Zwei Jahre kämpfte der
Champions-League-Sieger von 2006 vergeblich gegen die Dekadenz, heute, vor
dem Champions-League-Viertelfinale gegen Bayern München (20:45 Uhr live im
frei empfangbaren und im Bezahlfernsehen), wird Barça wieder als das größte
Spektakel betrachtet. Ihnen fehlt die Unumstößlichkeit des 2006er-Jahrgangs
um Ronaldinho, aber sie schlagen die Gegner mit Herrlichkeit, ständig 6:1
oder 5:2 und bringen es auf schwindelerregende 126 Saisontore.
Guardiola, der im vergangenen Sommer mit der Erfahrung von einem einzigen
Trainerjahr in der vierten Liga die Elf übernahm, gilt als Initiator dieser
Erholung und unzweifelhaft offenbart er viele Begabungen eines besonderen
Trainers. Doch viel mehr als der Erfolg eines Einzelnen ist die Rückkehr
des schönen Barças ein Lehrbeispiel, wie weit ein Klub mit unbeirrbarem
Wagemut und konsequentem Konzept kommen kann.
Hartnäckiger als jeder andere Verein hält Barça an einem Stil fest, auch
wenn sich sonst niemand so zu spielen traut, im endlosen Kurzpass, im
ewigen Angriff. Konsequenter als jeder andere bildet es die Fußballer dafür
selbst aus. Elf der 24 Profis der aktuellen Mannschaft stammen aus der
eigenen Schule, eine einmalige Quote. In diesem Klub galt die Berufung von
Guardiola dem Unerfahrenen nicht als Irrsinn, sondern logisch. Er ist ein
Sohn Barças. Von 13 bis 30 spielte er für den Klub, da fanden sie ihn nach
nur einem Trainerjahr nicht grün, sondern weise: Er weiß alles über Barças
Ideologie vom permanenten Ballbesitz, über das Spielsystem mit fünf
Offensiven, das einzigartig ballorientierte Training. "Für mich existiert
nur eine Weise, Fußball zu verstehen", sagt er, "die Art Barças: vorwärts!"
Guardiola erschien in einem - auch in diesem Verein - seltenen Moment, als
alle Protagonisten verinnerlicht hatten: "Der Spielstil ist unsere Kraft",
wie Musterspieler Andrés Iniesta sagt. Hier gibt es keinen Sportdirektor,
der vor allem seinen eigenen Einfluss durchsetzen will, hier trifft ein
Trainer auf Stars wie Leo Messi oder Thierry Henry, die akzeptieren, dass
sie nur ein Teil einer größeren Idee sind. Überall werden dieser Tage etwa
Bayerns und Barças hinreißende Dribbler Franck Ribéry und Messi verglichen
- doch wer sie auf eine Höhe stellt, hat Messi nie erkannt.
Ribéry dribbelt ergreifend, übersieht dabei Mitspieler, hinterlässt
defensive Löcher; Messi dribbelt einzigartig und ist eine fixe Station in
Barças Passspiel, ein unglaublich zweikampfstarker Block im Pressing; er
folgt den automatisierten Bewegungen Barças. Es war eine erschlaffte
Weltklasself, die Guardiola vorfand, aber noch immer eine Elf, in der alles
eingespielt war: das Team, die Taktik, die Trainingsmethoden; die Idee. Was
es brauchte, war ein neuer Stimulus. Sie fanden Guardiola. Den Impulsator.
"Zum Geburtstag schenke ich ihm einen Lautsprecher", scherzt Barças
Torwarttrainer Juan Carlos Unzué: "Er redet und redet, in jedem Training,
in jedem Spiel. Mit einem Lautsprecher würden ihn wenigstens alle hören."
Die Intensität, verkörpert durch das elektrische Pressing in Gegners
Spielhälfte, ist ein Markenzeichen von Guardiolas Barças. "Wenn er Popp
sagt, gibt es kein Stopp", sagt Verteidiger Gerard Piqué.
Wie viele Frischlinge, die noch keine Gelegenheit hatten, desillusioniert
zu werden, glaubt Guardiola unabdingbar daran, dass in diesem Spiel jede
Kleinigkeit entscheidend sei; wie die besten Neulinge hat er viele
originelle kleine Ideen, im Spiel wie danach. Seinem Stürmer Leo Messi, der
noch nie ein Buch gelesen hat, schenkte er den Roman von David Trueba
"Saber Perder": Verstehen zu verlieren. Gelegentlich wirken die Einfälle
sehr gewollt, wie etwa zu Saisonbeginn Pedrito aus dem B-Team statt Thierry
Henry stürmen zu lassen. Doch bei einem Trainer, der geradlinig,
authentisch und weitgehend kompetent seinen Weg geht, erscheinen
missglückte Manöver plötzlich nicht wie falsche, sondern wie mutige
Entscheidungen. "Wenn ich wiedergeboren werde", sagt Barças Präsident Joan
Laporta, "möchte ich Guardiola sein."
8 Apr 2009
## AUTOREN
DIR Ronald Reng
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