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       # taz.de -- FDP bei der Bundestagswahl: Bloß nicht mehr lindnern
       
       > Die FDP kommt bei der Wahl wohl auf knappe 12 Prozent – die Chance einer
       > Regierungsbeteiligung ist groß. Zur Freude von Chef Lindner.
       
   IMG Bild: Christian Lindner bei der FDP-Wahlparty am Sonntag
       
       BERLIN taz | Am Wahlabend sind Jubelrufe und Klatschen im
       Hans-Dietrich-Genscher-Haus in Berlin-Mitte zu hören. Auf knapp 12 Prozent
       kommt die FDP nach der ersten Hochrechnung der Forschungsgruppe Wahlen.
       „Die FDP hat eines ihrer besten Wahlergebnisse in ihrer Geschichte
       erzielt“, sagt FDP-Chef Christian Lindner. Die politische Mitte sei
       gestärkt, die Ränder geschwächt. „Es ist Zeit für einen Aufbruch“.
       
       Die Chance der FDP, an der nächsten Regierung beteiligt zu sein, ist groß.
       Aber Parteichef Lindner, 42, ist auch eine unberechenbare Größe. 2013 – die
       Liberalen flogen damals aus dem Bundestag – übernahm er eine zutiefst
       zerstrittene und totgesagte Partei. Vier Jahre später führte er sie mit
       10,7 Prozent zurück ins Parlament.
       
       Als er dann aber die [1][Jamaika-Sondierungen] mit den Worten platzen ließ:
       „Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“, war die Häme
       groß. Immerhin: Nicht jeder kann von sich behaupten, eine Wortschöpfung
       begründet zu haben. Das Verb lindnern bedeutet heute in etwa: sich aus der
       Verantwortung stehlen.
       
       ## FDP ohne Lindner undenkbar
       
       Die FDP ohne Christian Lindner, das ist derzeit undenkbar. Alle Macht
       konzentriert sich auf ihn. Er ist Parteivorsitzender,
       Fraktionsvorsitzender, Spitzenkandidat. Er selbst hat in diesem Wahlkampf
       keine Gelegenheit ausgelassen zu betonen, [2][dass er bereit ist zu
       regieren,] am liebsten als Finanzminister.
       
       Insgesamt war während der Pandemie ein Strategiewechsel zu beobachten,
       inhaltlich wie performancemäßig. Recht staatsmännisch trat der FDP-Chef
       jüngst auf. Niemand, das muss man ihm lassen, kann so telegen und ernsthaft
       besorgt vor einem Linksrutsch warnen wie er. Zeiten, in denen er Fridays
       for Future zuraunte, man [3][solle Klimaschutz doch lieber Profis
       überlassen], oder mit [4][sexistischen Witzen] auffiel, scheinen passé.
       
       Inhaltlich wurde der Markenkern der FDP als Bürgerrechtspartei wieder
       betont. Die FDP will weg vom Image, eine kaltherzige Partei für Reiche zu
       sein – was [5][ihre Steuerpläne] zwar immer noch nahelegen, aber das
       Angebot wurde erweitert.
       
       ## Abgrenzung nach Rechts
       
       In der Pandemie leugnete die Partei die Gefahr des Coronavirus nicht,
       grenzte sich nach rechts ab, aber fragte immer wieder nach der
       Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen. Von Lindners Versuch
       während der sogenannten Flüchtlingskrise, die FDP rechts von der Union zu
       positionieren, ist wenig übrig geblieben.
       
       Und der politische Dammbruch, als sich [6][FDP-Mann Thomas Kemmerich in
       Thüringen mit den Stimmen der AfD kurzzeitig zum Ministerpräsidenten wählen
       ließ], wird bestmöglich unter den Teppich gekehrt. Der neue Kurs hat sich
       offenbar ausgezahlt. Zudem profitiert die FDP von der Schwäche der Union.
       
       Denkbar wäre nun: Eine [7][unter FDPler:innen unbeliebte Ampelkoalition]
       mit SPD und Grünen oder die von der FDP präferierte Option eines
       Jamaika-Bündnisses. Steuererhöhungen soll es mit Lindner nicht geben, ein
       Aufweichen der Schuldenbremse auch nicht. Gewagt ist das allemal: Noch mal
       lindnern kann er nicht.
       
       26 Sep 2021
       
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