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       # taz.de -- Fahrradaktivist Natenom tot: Der Mann mit dem Abstandhalter
       
       > Jahrelang kämpfte Andreas Mandalka auf der Straße und im Netz für
       > Sicherheit für Radfahrende. Nun wurde er von einem Auto angefahren und
       > verstarb.
       
   IMG Bild: Abstandhalten: Das war das große Thema von Radaktivist Andreas Mandalka, hier eine Aktion des ADFC (Archivbild)
       
       Berlin taz | In [1][seinem vorletzten Eintrag] berichtete der
       Fahrradblogger „Natenom“ von einer Begegnung auf der Landstraße L 574 bei
       Pforzheim. Dort stand ein älterer Mann mit seinem Auto mitten auf Straße.
       Es fuhr nicht mehr. Nach einigem Hin und Her sah Natenom ein rot
       leuchtendes P (für „Parken“) am Lenkrad des Wagens und machte der Fahrer
       darauf aufmerksam. „Dann machte er etwas mit der rechten Hand, das rote P
       ging aus, und plötzlich konnte er losfahren.“ Es sei kein gutes Gefühl
       gewesen, so jemanden weiterfahren zu lassen, schrieb Natenom. Der etwa 70
       bis 80 Jahre alte „Herr war mit seinem eigenen Auto überfordert und das hat
       man auch deutlich gemerkt.“ Das war am Montag.
       
       Am Dienstagabend war Natenom tot. Er starb auf der Landstraße L 574,
       überfahren von einem 77-jährigen Autofahrer. „Aus noch unbekannter Ursache
       kollidierte der Citroen-Fahrer mit dem vorausfahrenden Mountainbikefahrer.
       Der 43-Jährige erlitt durch den Verkehrsunfall schwerste Verletzungen und
       verstarb trotz Reanimationsmaßnahmen noch an der Unfallstelle“, heißt es
       nüchtern in [2][einer Meldung der Pforzheimer Polizei].
       
       In der Fahrradcommunity herrscht seither Entsetzen. Denn Andreas Mandalka,
       wie der Verstorbene mit richtigem Namen hieß, hatte sich in der Szene einen
       Namen gemacht. Ob auf seinem [3][Profil auf Twitter], [4][auf Mastodon]
       oder eben [5][in seinem Blog] berichtete Mandalka seit Jahren über seine
       Erfahrungen als Radfahrer. Eins seiner wichtigsten Themen – der Abstand
       zwischen Auto und Fahrrad.
       
       Eigentlich ist der klar geregelt: „Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von
       zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt
       der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 Meter und außerorts
       mindestens 2 Meter“, heißt es seit 2020 in [6][Paragraf 5 der
       Straßenverkehrsordnung]. Doch in der Praxis sieht das leider anders aus.
       
       ## „Dann ist das ja schon Hass“
       
       Es sei zwar nur ein kleiner Anteil der Autofahrer:innen, erzählte Mandalka
       mal in einem [7][Interview mit dem ADFC]. Aber diese würden „absichtlich
       mit wenig Abstand überholen, manchmal mit nur einem Meter, in Extremfällen
       nur einen halben Meter. Immer wieder wird das Scheibenwischerwasser
       aktiviert oder der Motor zum Aufheulen gebracht.“
       
       Und [8][der Zeit erzählte Mandalka], es gebe drei Gruppen von Autofahrern.
       Die, die vom Abstandsgebot nichts wissen. Die, die sich beim Abstand völlig
       verschätzen. Und eben die, die wissentlich ganz nah vorbei rasen: „Wenn
       mich einer absichtlich knapp überholt, dann ist das ja schon Hass.“
       
       Mandalka wollte nicht übersehen werden. Er trug immer eine gelbe
       Leuchtweste. Auch bei seinem Unfall, wie die Polizei bestätigte. Um die
       Autofahrer:innen auf Distanz zu halten, nutzte Natenom zudem immer
       wieder auch Abstandhalter. Mal eine auf dem Gepäckträger [9][quer liegende
       Fahnenstange], mal [10][eine Schwimmnudel aus Schaumstoff]. Seine
       Erfahrungen damit waren gut – was ihn selbst betraf. Und schlecht in Bezug
       auf Autofahrer:innen und sogar auf die Polizei.
       
       Mit „Nudel“ im Gepäck überholten die Autofahrer:innen mit deutlich
       größerem Abstand. Um seinen subjektiven Eindruck zu untermauern, hat
       [11][Natenom die Überholmanöver sogar eigens gemessen]. Er setzte sich für
       das Projekt [12][Openbikesensor] ein, das Fahrradaktivist:innen
       entwickelt haben, um Abstände zum Auto zu dokumentieren.
       
       ## Mal angehupt, mal bespuckt
       
       Die deutliche Ausweitung seiner Sicherheit kam bei anderen aber nur mäßig
       an. Mal werde er nur angehupt, mal bespuckt, berichtete Natenom. Mindestens
       einmal endete der Streit sogar [13][in einer heftigen Auseinandersetzung
       mit monatelangen Rechtsfolgen] – bis das Verfahren eingestellt wurde. Ein
       anderes Mal wurde Mandalka von der Polizei gestoppt, weil ein Autofahrer
       sich über ihn beschwert hatte. Die Polizisten hätten unter anderem
       behauptet, er habe Autofahrer behindert, [14][schrieb Natenom in seinem
       Blog].
       
       Mandalka wehrte sich auch mit Anzeigen gegen gewalttätige
       Autofahrer:innen und wandte sich mit offenen Briefen an die Politik.
       Das Echo war meist ernüchternd. Immer wieder berichtete er von einer
       [15][Standardantwort: Es sei ja nichts passiert].
       
       Jetzt ist etwas passiert. „Mit Natenom verliert die Fahrradcommunity ein
       sehr aktives Mitglied“, [16][schrieb das Team vom Openbikesensor in einem
       Nachruf]. „Eigentlich wollte er, wie viele von uns, einfach nur die Natur
       genießen und in Ruhe von A nach B kommen“, [17][heißt es auf der Homepage
       des ADFC Frankfurt]. Aber „alleine seine Existenz auf zwei Rädern und sein
       später auch öffentlich geäußerter Wunsch nach Einhaltung der Gesetze bzw.
       Verkehrsregeln provozierte manche Menschen so sehr, dass ihm sogar ganz
       direkt den Tod wünschten und androhten.“
       
       Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) meldete
       sich zu Wort. „Wir trauern mit der #Rad-Community um Andreas Mandalka
       #Natenom“, [18][twitterte er am Freitag auf X]. „Sein tödlicher Unfall ist
       ein bitterer Anstoß und Anlass, mit verstärktem Engagement die Sicherheit
       des Radverkehrs zu verbessern.“
       
       In [19][Köln], [20][Nürnberg,] [21][Stuttgart] und [22][weiteren Städten]
       wird zu Demonstrationen und Gedenkfahrten mobilisiert, mit denen an
       „Natenom“ Andreas Mandalka erinnert werden soll.
       
       Pforzheimer Fahrradaktivist:innen aus dem Umfeld von Natenom
       [23][sammeln Spenden zur Finanzierung seiner Beerdigung].
       
       2 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://natenom.de/2024/01/ueberfordert-im-eigenen-auto/#post-content-body
   DIR [2] https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/137462/5703634
   DIR [3] https://twitter.com/Natenom
   DIR [4] https://social.anoxinon.de/@natenom@digitalcourage.social
   DIR [5] https://natenom.de/
   DIR [6] https://dejure.org/gesetze/StVO/5.html
   DIR [7] https://bw.adfc.de/artikel/interview-mit-einem-aktivisten-fuer-sicheren-ueberholabstand
   DIR [8] https://www.zeit.de/mobilitaet/2019-12/radfahren-landstrassen-mut-erfahrungen-natenom-blog
   DIR [9] https://natenom.de/2021/01/wenig-ueberholabstand-okay-aber-abstandshalter-boese/
   DIR [10] https://natenom.de/2020/05/wieder-mit-abstandshalter-am-fahrrad-unterwegs/
   DIR [11] https://natenom.de/2019/09/ueberholabstaende-mit-und-ohne-abstandshalter-mit-dem-radmessers-gemessene-daten-zeigen-deutlichen-unterschied/
   DIR [12] https://www.openbikesensor.org/device/
   DIR [13] https://natenom.de/2021/08/taeter-opfer-ausgleich-nach-angriff/#post-content-body
   DIR [14] https://natenom.de/2021/01/wenig-ueberholabstand-okay-aber-abstandshalter-boese/
   DIR [15] https://natenom.de/2019/10/radfahrer-extrem-knapp-ueberholt-abstandshalter-gestreift-ermittlungsverfahren-eingestellt-weil-gefahr-nur-abstrakt-sei-nicht-konkret/
   DIR [16] https://www.openbikesensor.org/blog/2024/02/01/nachruf/
   DIR [17] https://www.adfc-frankfurt.de/2024/02/verein/wenn-der-ueberholabstand-nicht-mehr-messbar-ist/
   DIR [18] https://twitter.com/WinneHermann/status/1753404167656267862
   DIR [19] https://twitter.com/KidicalmassK/status/1753090410128289972
   DIR [20] https://twitter.com/JoergAltSJ/status/1753041521698373891
   DIR [21] https://twitter.com/CriticalMass_S/status/1753181724916203600
   DIR [22] https://www.nimms-rad.de/news/fahrrad-aktivist-getoetet-natenom/#Termine_Mahnwachen_Demos_und_Gedenken
   DIR [23] https://www.fahrradstadt-pforzheim.de/index.php/2024/02/02/spendenaufruf-natenom/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
       
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