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       # taz.de -- Feminismus: Etwas andere Dinner Party
       
       > Im Brooklyn Museum of Art eröffnete mit der Ausstellung "Global
       > Feminisms" das erste ganz der feministischen Kunst gewidmete Museum der
       > USA.
       
   IMG Bild: Miwa Yanagi, "Yuka, from the ,My Grandmothers' series", 2000
       
       Mit der Ausstellung "Global Feminisms" eröffnete vor kurzem das Elisabeth
       A. Sackler Center for Feminist Art. Das erste dezidiert der feministischen
       Kunst gewidmete Museum der Vereinigten Staaten. Es ist Bestandteil des
       Brooklyn Museums, dem die Stifterin und Namensgeberin bereits 2002 Judy
       Chicagos legendäre Arbeit "The Dinner Party" (1974-1979) vermachte, um die
       herum die aktuelle Ausstellung angesiedelt ist. Die Installation von Judy
       Chicago (Jahrgang 1939) steht stellvertretend für den ersten und
       grundlegenden Ansatz eines frühen Feminismus, der in den Siebzigerjahren
       seine Aufgabe vor allem darin sah, die verborgene, vergessene und
       verdrängte Geschichte der Frauen und ihrer Leistungen für die Zivilisation
       in einer auf allen Ebenen von Männern dominierten Gesellschaft freizulegen.
       Die zum Dreieck formierte Tafel mit den Platzhaltern und dem festlichen
       Geschirr samt individueller Bemalung für 39 historische Frauenfiguren war
       ein wichtiger Beitrag für das Selbstverständnis der Frauen in der Kunst.
       
       Die ausladende Installation wirkt in der Konfrontation mit den nach 1990
       entstandenen Arbeiten von rund 90 Künstlerinnen - alle nach 1960 geboren -
       kunstgewerblich. Der aktuelle Feminismus hat sich schon lange von der
       simplen Dichotomie von männlich und weiblich weg zu einem differenzierten
       Ansatz unter Einbeziehung von Soziokultur, Politik, Gender, Ethnizität und
       Klasse weiterentwickelt. Die Kuratorin des neuen Museums, Maura Reilly,
       wurde bei "Global Feminisms" durch die Kunsthistorikerin Linda Nochlin
       unterstützt. Von ihr stammte auch die Konzeption der ersten feministisch
       motivierten Ausstellung 1976 im Brooklyn Museum, "Women Artists:
       1550-1950". Beide haben jetzt den Versuch unternommen, der vielschichtigen
       feministischen Perspektive gerecht zu werden.
       
       Transnationalität als einen Versuch, den euro-amerikanischen Zentrismus zu
       überwinden, ist neben Transsexualität und Gender ein wesentliches Thema der
       Show. Folgerichtig weist der plurale Titel bereits auf die Existenz
       verschiedener Feminismen hin. Der Ansatz einer international einigen
       Sisterhood ist dem Konzept der Differenz gewichen. Zwar haben in den
       letzten zehn Jahren viele international erfolgreiche Künstlerinnen den
       Kunstkanon erheblich erweitert, dennoch sind die Männer bei den
       renommierten, hoch dotierten Preisen noch immer vorn und wie Jerry Saltz
       von der Village Voice berichtete, wurde auch die Zahl der Arbeiten von
       Künstlerinnen in der neuen Hängung des erweiterten MoMA noch einmal
       reduziert.
       
       Die Kuratorinnen beobachteten dennoch wie sich junge Künstlerinnen in ihrem
       Werk unverdrossen und in einer großen Stilvielfalt allen möglichen Aspekten
       der weiblichen Existenz widmen. Dieses breite Spektrum fassten sie für die
       Ausstellung in vier Kapiteln -Lebenszyklen, Identitäten, Politik und
       Emotionen- zusammen. Neben vielen bekannten Stars wie Fiona Banner, Tracey
       Emin, Elke Krystufek, Sarah Lucas, Catherine Opie, Pipilotti Rist, Sam
       Taylor-Wood oder Kara Walker sind auch hierzulande noch nicht so bekannte
       Positionen vertreten.
       
       Skowmon Hastanan, 1961 in Thailand geboren, thematisiert die Ausbeutung
       asiatischer Frauen in westlichen Gesellschaften und stellt dazu in einem
       Bild eine Analogie zur Zeit des Sklavenhandels her. Die aus Afghanistan
       stammende und mittlerweile in den USA lebende Lida Abdul, Jahrgang 1973,
       zeigt in dem Video "White House" von 2005, wie eine junge Frau und ein Mann
       ein durch Bomben zerstörtes Haus in der Nähe Kabuls mit weißer Farbe
       tünchen und setzt damit auch ein deutliches Zeichen gegen die Außenpolitik
       der Bush-Administration.
       
       Aber auch die Abschottung des alten kapitalistischen Europas gegen einige
       postkommunistische Länder wird in der Ausstellung durch die 1972 geborene
       Jugoslawin/Serbin Tanja Ostojic zum Thema gemacht. Als konzeptuelle Arbeit
       hat sie ihr Bemühen um eine Aufenthaltsgenehmigung in einem Land der
       Europäischen Union geplant und organisiert. In einer Anzeige suchte sie
       einen Ehemann mit EU-Pass zwecks Heirat und hat diesen Prozess für eine
       Installation in Dokumenten und ein Video vom ersten Treffen bis zur
       Scheidung und der anschließenden Ausweisung festgehalten. Mit dieser Arbeit
       macht Tanja Ostojic klar, wie Frauen sich prostituieren müssen, um sich
       Zugang zu den besseren Lebensverhältnissen in den EU-Ländern zu
       verschaffen.
       
       In vielen Arbeiten ist männliche Gewalt das beherrschende Thema, die in
       vielen Ländern immer noch Frauen das Leben kostet. Rebecca Belmore, eine
       Angehörige des indianischen Stammes der Anishinabekwe aus Kanada, erinnert
       mit ihrer Videoinstallation "The Named and Unnamed" an die vielen
       namenlosen und bekannten Frauen, die im East End Vancouvers einem
       Serienmörder zum Opfer fielen. Die Projektion zeigt Belmore im Stadtraum,
       bei ihrem performativen Auftritt der in seiner Gewalttätigkeit sowohl Klage
       als auch Anklage ist. In einem verzweifelten Furor arbeitet sich Belmore
       körperlich ab, um die ermordeten Frauen dem Prozess des Vergessens zu
       entreißen. Dabei nagelt sie ihr langes Gewand an einem Zaunpfahl, um es
       immer wieder ab- und dadurch immer weiter zu zerfetzen.
       
       Doch gehören der Ausstellung auch durchaus humorvolle und ironische
       Positionen an, die vor allem im Bereich Identities angesiedelt sind. So
       treibt Hiroko Okada die Transsexualität und den gesellschaftlichen
       Rollenwechsel bis in die perfektionierten Körperfunktionen voran und zeigt
       in einer Foto- und Videoarbeit "Future Plan #2" den schwangeren und
       glücklich gebärenden Mann.
       
       Im Kapitel Emotions gibt es eine schöne Arbeit zu Frauen im Grenzbereich
       der Gefühle, wenn Wut in Aktionen mündet. Tracey Moffatt unternimmt in
       ihrer Kompilation von Spielfilmszenen einen sehr witzigen Parforceritt
       durch die Filmgeschichte und zeigt Frauen in Rage, ohrfeigend, schreiend
       und Geschirr zerdeppernd.
       
       Ein Still des Videos der 1972 in Bulgarien geborenen Boryana Rossa wurde
       zum Titel- und Plakatmotiv gekürt. In ihrer "Celebrating the Next
       Twinkling" betitelten Arbeit verfallen zwei Frauen von einer Gestik der
       Hysterie in die andere. Die Stilvielfalt, die Zitierfreudigkeit und der
       spielerische Einsatz von Ironie gerade unter den jüngeren Künstlerinnen
       scheinen der Beweis für ein starkes Selbstbewusstsein zu sein. Von der
       sakralen Pathetik Judy Chicagos aus den Siebzigerjahre haben sie sich
       meilenweit entfernt.
       
       Bis 1. Juli, Katalog 39,95 Euro
       
       24 Jun 2007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Matthias Reichelt
       
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