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       # taz.de -- Feuerkatastrophe in Australien: Opfer, Täter, Ignoranten
       
       > Australien ist von der Klimakrise so bedroht wie kein anderes
       > Industrieland. Trotzdem gibt es bisher praktisch keine Klimapolitik.
       
   IMG Bild: Abbau in Queensland: Kohle ist das zweitwichtigste Exportgut in Australien
       
       Berlin taz | Die Umweltschützer vom „Climate Action Network“ (CAN) waren
       entsetzt. Bei der [1][UN-Klimakonferenz im Madrid] fragte ihr Newsletter:
       „Australien – ist es möglich, so schlecht zu sein?“
       
       Die Antwort gibt die Politik der letzten Jahre. Während der Kontinent von
       der größten Hitzewelle, Dürreperiode und Feuerkatastrophe seiner jüngeren
       Geschichte heimgesucht wird, verweigert die konservative Regierung zu Hause
       und international eine wirksame Klimapolitik. Australien hat seine
       Emissionen kaum gesenkt, hat schwache Klimaziele und keine konkreten Pläne
       für den Ausbau von erneuerbaren Energien. Regelmäßig landet Australien bei
       Ländervergleichen zum Klimaschutz auf den hintersten Plätzen. Die Regierung
       verweigert Geld für den „grünen Klimafonds“ der UNO und schwänzte den
       „Klima-Aktionsgipfel“ von UN-Chef Guterres im September.
       
       Dabei ist die Klimakrise Down Under sehr präsent. Kein Industrieland ist
       verwundbarer als der Südkontinent, [2][keines hat eine schlechtere
       Klimabilanz,] und in keinem anderen Land der Welt ist Klimapolitik so
       wichtig, dass sie regelmäßig über das Schicksal der Regierung entscheidet.
       „Australien liegt an der vordersten Front des Klimawandels“, sagt Bill
       Hare, Leiter des renommierten Thinktanks Climate Analytics und selbst
       Australier. „Aber unsere Verwundbarkeit wird oft übersehen.“
       
       Das beginnt mit der Geografie. „Unser Kontinent ist ökologisch sehr
       anfällig“, meint Hare: Der Süden ist ein riesiges Trockengebiet, anfällig
       für Hitze und Dürren, der Boden ist arm, die Landwirtschaft leidet
       inzwischen unter einer dreijährigen Trockenzeit. Das Great Barrier Reef vor
       der Nordostküste stirbt, weil sich im Klimawandel der Ozean erwärmt. Viele
       Wälder bestehen aus Eukalyptusbäumen, die auch wegen ihres Harzes brennen
       wie Zunder. Aber ein demokratisches System, westlicher Wohlstand und ein
       gutes soziales Netz täuschten laut Bill Hare eine Stabilität vor, die
       derzeit gerade sichtbar in Rauch aufgeht.
       
       Premierminister Scott Morrison und seine Regierung haben lange
       abgestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen der Feuerkatastrophe und
       dem Klimawandel geben könne. Noch im November nannte Vizepremier McCormack
       das eine Idee von Grünen und „innerstädtischen Verrückten“. In der Tat gibt
       es im Land immer wieder große Brände. Ob es einen Fingerabdruck des
       Klimawandels in den Buschfeuern gibt, errechnet derzeit eine Arbeitsgruppe
       an der Universität Oxford. Ergebnisse werden Ende Januar erwartet.
       
       ## Eine angekündigte Katastrophe
       
       Allerdings passen die Rekordhitze, die Rekorddürre und die Rekordfeuer
       genau zu den Warnungen, die etwa der UN-Klimarat IPCC für die Region
       veröffentlicht hat. Schon 2013 führte die australische Wetterbehörde für
       Temperaturen über 50 Grad Celsius auf der Skala die Warnfarbe Lila ein. Und
       der Klimabericht der Regierung von 2018 klingt ebenfalls wie eine
       Vorhersage der Katastrophe: Mehr als ein Grad Erwärmung im langjährigen
       Mittel, Rückgang der Niederschläge und der Flusspegel im Süden und
       „langfristiger Anstieg bei extremem Feuerwetter und der Länge der
       Feuersaison“.
       
       Für Greg Mullins, den ehemaligen Chef der Feuerwehr im betroffenen
       Bundesstaat New South Wales, ist die Sache ohnehin klar: „In der
       Öffentlichkeit ist der Groschen gefallen, dass unsere unkontrollierbaren
       Feuer vom Klimawandel angetrieben werden“, sagte er dem US-Radiosender NPR.
       „Unsere nationale Regierung will nichts vom Klimawandel wissen. Als Chefs
       der Feuerwehr haben wir beobachtet, wie die Buschfeuer, die Stürme, die
       Überflutungen schlimmer werden, wenn Extremwetter immer extremer werden. In
       Australien brennen jetzt Regionen, die noch nie gebrannt haben.“
       
       Wie schlecht die Ökobilanz des Kontinents ist, hat [3][Climate Analytics in
       einer aktuellen Studie] festgehalten: Die Pro-Kopf-Emissionen des
       26-Millionen-Volks an Treibhausgasen gehören mit etwa 25 Tonnen pro Jahr zu
       den höchsten unter den Industriestaaten (Deutschland: 11 Tonnen), die
       Klimaziele für 2030 dagegen zu den schwächsten; die versprochene Reduktion
       von 26 Prozent bis 2030 will die Regierung zum großen Teil durch
       Tricksereien bei der Buchhaltung erbringen – diese harte Haltung war einer
       der Gründe für das Scheitern der Klimakonferenz in Madrid.
       
       Dabei läge der „faire Anteil“ von Australien am globalen Klimaschutz, der
       Wirtschaftskraft und Geschichte einbezieht, für die Experten von Climate
       Analytics bei einem Minus zwischen 47 und 85 Prozent. Weil staatliche
       Vorgaben fehlen, verschwenden Industrie, Kraftwerke und Verkehr deutlich
       mehr Energie als in anderen Ländern, teilweise steht das Land schlechter da
       als Indien und China. Die Waldbrände verschlimmern die Lage noch: Nach
       ersten Schätzungen hat die Feuerkatastrophe bisher fast 350 Millionen
       Tonnen CO2 freigesetzt – ein Plus von über 60 Prozent auf den CO2-Ausstoß
       des Landes.
       
       In der Hauptstadt Canberra ist das Klimathema zwischen den wechselnden
       Regierungen ein heißes Eisen: Das Kioto-Protokoll wurde lange Jahre nicht
       ratifiziert. Ein Emissionshandel wurde 2012 von Labor eingeführt und 2014
       von den Konservativen wieder abgeschafft. Der aktuelle Premier Morrison
       nutzte auch die Energiepolitik, um seinen Parteifreund Malcolm Turnbull
       loszuwerden, der für begrenzten Klimaschutz wirbt.
       
       „Klimapolitik ist in Australien die Frage, an der sich Wahlen entscheiden“,
       sagt Frank Jotzo, Direktor des Zentrums für Klima- und Energiepolitik an
       der Australian National University in Canberra. Im Land und der Politik ist
       die Kohle allgegenwärtig: Sie erzeugt etwa zwei Drittel des Stroms und ist
       der zweitwichtigste Exportartikel des Landes.
       
       ## Pläne für eine dekarbonisierte Wirtschaft
       
       Andererseits habe laut Umfragen für etwa zwei Drittel der Bevölkerung das
       Klimathema hohe Priorität, sagt Jotzo, das dürften inzwischen durch die
       Waldbrände noch mehr sein. Auch wenn die Bundesregierung einen
       langfristigen Klimaplan verweigert, die Bundesstaaten hätten durchaus
       Planungen für eine „dekarbonisierte“ Wirtschaft.
       
       „Schon jetzt sind neue Solar- und Windkraftwerke viel billiger als neue
       Kohle“, sagt Jotzo. „Mittelfristig wird unser Strom vollständig aus
       Erneuerbaren kommen und Kohle nur ein Exportgut bleiben.“ Der
       Wissenschaftler sieht die Katastrophe deshalb auch als Chance für einen
       Richtungswechsel: „Diese Krise könne Wendepunkt sein. Premier Morrison ist
       bisher eingeschlossen in seiner Position, nicht zu handeln. Die Waldbrände
       geben ihm einen Grund, das zu ändern.“
       
       Der Premier könne nun sein Land vor Schaden schützen, eine zutiefst
       konservative Haltung, wie sie auch konservative Regierungen in
       Großbritannien und Deutschland hätten, so Jotzo: „Vielleicht wird 2020 das
       Jahr, wo der politische Streit darüber beginnt, was genau wir gegen den
       Klimawandel tun, und nicht mehr, ob wir überhaupt handeln.“
       
       Ein mögliches erstes Zeichen: Am Wochenende kündigte Morrison eine
       Kommission ein, die die Brände untersuchen soll, und deutete an, die
       Regierung könne über schärfere Klimaziele reden. Klimapolitik bleibt in
       Australien eine brennende Frage.
       
       14 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Abschluss-der-COP25/!5646156
   DIR [2] /Klimaexpertin-zu-Feuern-in-Australien/!5651270
   DIR [3] https://climateanalytics.org/latest/no-legal-basis-for-australias-use-of-kyoto-credits/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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