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       # taz.de -- Finanzbildung in der Schule: Mit „Planspiel Börse“ ist es nicht getan
       
       > Neobroker laden zum Zocken ein, auf Tiktok kursiert der Hashtag
       > #klarnaschulden. Wie man am besten mit Geld umgeht, sollte
       > klausurrelevant sein.
       
   IMG Bild: Bevor es von der Inflation ‚aufgefressen‘ wird: Junge Menschen sollten lernen besser mit Geld umzugehen
       
       Wieso steht Finanzbildung eigentlich nicht auf dem Lehrplan der Schulen?
       Die Nachfrage wäre da! Laut einer [1][Forsa-Umfrage aus 2023] lag der
       Wunsch nach mehr Unterricht zum Thema „Umgang mit Geld“ mit 85 Prozent
       knapp auf Platz zwei hinter „Ernährung und Gesundheit“ und vor
       „Umweltschutz“. Und [2][eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung] unter
       jungen Menschen ergab, dass 78 Prozent der Befragten gerne mehr
       Wirtschaftsinhalte in der Schule hätten.
       
       Klar, manch einer darf sich durchs eher dröge „Planspiel Börse“ quälen.
       Bloß ist es damit nicht getan, wenn man – gerade volljährig – auf
       Online-Handelsplätzen für Aktien, Kryptowährungen und Co mit Derivaten
       handeln und binnen Sekunden einen Totalverlust erleiden kann.
       
       Doch nicht nur durch riskante Investments lässt sich Geld verlieren. Auf
       TikTok kursiert der Hashtag #klarnaschulden, der sich auf „Buy now, pay
       later“-Angebote bezieht, bei denen man bei Anbietern wie eben Klarna
       meistens einige Wochen Zeit hat, um seine Bestellung zu bezahlen. Ein Kauf
       auf Pump, den viele mögen: Eine Umfrage der [3][Verbraucherzentrale] ergab,
       dass rund 37 Prozent der befragten Interneteinkäufer in den vorangegangenen
       12 Monaten per Rechnung, Ratenkauf oder längerem Zahlungsaufschub geshoppt
       haben.
       
       Nun führen Schulden nicht gleich in die Privatinsolvenz. Wer aber hier mal
       ein Shirt, da mal eine Uhr und dort ein neues iPhone kauft und den
       Überblick verliert, für den wird es eng. Der [4][Schuldneratlas]
       unterscheidet dabei zwischen Schulden und Überschuldung. Nimmt jemand einen
       Kredit für sein Auto auf und zahlt diesen brav ab, ist alles gut. Als
       überschuldet gilt, wer seine Raten nicht begleichen kann. Das konnten im
       letzten Jahr 5,56 Millionen Menschen in Deutschland nicht. Im Durchschnitt
       steckte jeder von ihnen mit 31.300 Euro in den Miesen. Während die
       Gesamtzahl der Menschen in Deutschland, die überschuldet sind, leicht
       zurückging, nahm sie in zwei Altersgruppen zu: bei den über 60- und bei den
       unter 30-Jährigen.
       
       ## Zwischen Familienwissen und Finanzguruversprechen
       
       Während es nachvollziehbar – wenn auch scheiße – ist, dass ältere Menschen
       bei nur marginaler Erhöhung der Rente, Inflation, Wohnungsnot und
       gestiegenen Energiekosten in die Schuldenfalle gedrückt werden, fragt man
       sich bei denjenigen unter 30: Wieso verschulden die sich mehr? Hat es
       womöglich damit zu tun, dass sie nirgendwo lernen, mit Geld umzugehen?
       
       In einer [5][Studie der Internationalen Hochschule] gab eine Mehrheit der
       befragten Gen-Zler an, sich innerhalb der Familie über das Thema Finanzen
       zu informieren. Doch was, wenn die Familie dieses Wissen nicht hat? Manche
       landen dann bei Finanzgurus aus dem Netz, die schnellen Reichtum
       versprechen und sich eigentlich nur sich selbst bereichern wollen.
       
       Im September 2024 nahm die damalige Bildungsministerin Bettina
       Stark-Watzinger (FDP) einen Vorschlag der OECD für eine nationale
       Finanzbildungsstrategie entgegen. Die von ihr und dem ebenfalls
       FPD-geführten Finanzministerium [6][initiierte Plattform
       mitgeldundverstand.de] erhielt gemischte Reaktionen. Wäre ein Grunderbe für
       alle jungen Menschen plus finanzielle Schulbildung nicht eine bessere
       Lösung? Die Schere zwischen Arm und Reich würde womöglich weniger weit
       auseinanderklaffen.
       
       Jungen Menschen fällt es in (Wirtschafts-)Krisen-Zeiten wie diesen schwer,
       optimistisch in die Zukunft zu blicken. Man sollte ihnen daher endlich
       beibringen, auf dem Schachbrett des Kapitalismus bewusste Züge zu machen.
       
       11 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/verbraucherumfrage-finanzbildung-schulen-reicht-nicht-aus
   DIR [2] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/oktober/junge-menschen-wollen-die-wirtschaft-besser-verstehen
   DIR [3] https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/onlinedienste/buy-now-pay-later-schuldenfalle-oder-moderner-rechnungskauf-75599
   DIR [4] https://www.boniversum.de/aktuelles-studien/schuldner-atlas#c65215
   DIR [5] https://www.iu.de/forschung/studien/finanzielle-bildung/
   DIR [6] /Plattform-mitgeldundverstandde/!6043211
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaudia Lagozinski
       
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