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       # taz.de -- Finanzielle Folgen des Ukraine-Kriegs: Russland wird verlieren
       
       > Vielleicht siegt Putin in der Ukraine, aber ökonomisch wird er verlieren.
       > Die Kosten der Russen werden gigantisch sein, wenn sie jetzt nicht
       > aufgeben.
       
   IMG Bild: Anzeige der Wechselkurse von US-Dollar und Euro in russische Rubel am 28. Februar 2022
       
       Wladimir Putin wird strategisch verlieren, selbst wenn er die Ukraine
       militärisch besiegen sollte. Denn gegen ökonomische Realitäten lässt sich
       kein Krieg führen. Russland ist arm und wird durch die Invasion noch ärmer.
       
       Bekanntlich hat sich [1][Putin] auch schon verrechnet, als er dachte, dass
       sein „Blitzkrieg“ nur zwei Tage dauern würde. Aber selbst wenn er Kiew
       sofort eingenommen hätte, wäre dieser Angriff ein schlechtes Geschäft
       gewesen. Denn es würde ja nicht reichen, die Ukraine zu erobern – hinterher
       müssten die Russen dauerhaft bleiben, um ihre Nachbarn zu unterdrücken.
       
       Wie teuer Okkupationen werden können, haben die USA ab 2003 im Irak erlebt.
       Diktator Saddam Hussein war schnell ausgeschaltet, aber die US-Besatzung
       zog sich bis 2011 hin. Ökonomie-Nobelpreis-Träger Joseph Stiglitz hat
       später kalkuliert, dass der Irakkrieg die Amerikaner drei Billionen Dollar
       gekostet hat.
       
       Im Irak leben übrigens genauso viele Menschen wie in der Ukraine: 41
       Millionen. Die USA hatten jedoch den Vorteil, dass sie nicht von allen
       Irakern abgelehnt wurden, sondern auch einheimische Unterstützer hatten.
       Die Russen hingegen stoßen auf ein geeintes Volk und einen fähigen
       Präsidenten. Die Kosten werden noch höher sein.
       
       Die USA können sich strategische Misserfolge leisten, weil sie die reichste
       Volkswirtschaft der Welt sind – und die Leitwährung besitzen. Da Dollar so
       begehrt sind, können die USA einfach Geld drucken und damit Importe aus dem
       Ausland begleichen. Die Amerikaner saugen also permanent einen Teil des
       Reichtums ab, den andere Länder erwirtschaften. Am Rubel hingegen hat
       niemand Interesse. Im Gegenteil.
       
       Russland müsste eine Besatzung aus eigener Wirtschaftskraft stemmen – ist
       aber ein armes Schwellenland. Es hat nur Rohstoffe zu bieten, sonst nichts.
       Rechnet man die Kaufkraft ein, kommen die Russen auf ein Einkommen von
       28.000 Dollar pro Kopf und Jahr. Damit sind sie ärmer als die Rumänen,
       müssen aber aus diesen mageren Mitteln einen riesigen Militärapparat
       finanzieren, der selbst zu Friedenszeiten gewaltig ist und sich im
       Ukrainekrieg weiter aufblähen wird.
       
       Immerhin leben die Russen derzeit besser als zu Sowjetzeiten. Doch nun sind
       sie auf dem Weg zurück in diese dunklen Zeiten und machen erneut die
       gleichen Fehler. Putin glaubt zwar, dass seine geliebte Sowjetunion durch
       politische „Irrtümer“ auseinandergebrochen sei. Doch tatsächlich war die
       Ökonomie am Ende. Die Sowjetunion war finanziell damit überfordert, ihr
       Imperium militärisch zu unterdrücken. KGB-Offizier Putin war 1989 in
       Dresden live dabei, hat aber offenbar nicht verstanden, wie es zur „Wende“
       kam.
       
       Auch ungut für Putin: Im Westen wird jetzt aufgerüstet. Bisher hatte die
       Bundeswehr noch nicht einmal Unterwäsche, wenn Medienberichten zu glauben
       ist. Aber nun soll in allen Nato-Ländern in die neueste Technik investiert
       werden. Also muss Russland nachrüsten, um mitzuhalten, was weiteres Geld
       schluckt und die Armut vergrößert.
       
       ## Der Rubel ist in Gefahr
       
       Kurz: Bereits ein Blitzkrieg plus Besatzung hätte ausgereicht, um Russland
       mittelfristig in den Bankrott zu treiben. Doch jetzt kommt es noch
       schlimmer. In der Ukraine zieht sich der Vormarsch in die Länge, und
       zugleich wurden [2][Sanktionen] beschlossen, die vor zehn Tagen niemand für
       möglich gehalten hätte.
       
       Der Westen hat einfach Putins Kriegskasse blockiert, indem die russische
       Zentralbank vom Weltfinanzsystem abgekoppelt wurde. Putin hatte Devisen und
       Gold im Wert von umgerechnet 630 Milliarden Dollar angehäuft, wovon etwa
       zwei Drittel im Westen lagern dürften. Dieses Geld fehlt nun, um den Rubel
       zu stabilisieren.
       
       Der Rubel ist aber in Gefahr – schon durch den Krieg an sich. Kein Angriff
       ist umsonst zu haben, immer wird „die Druckerpresse angeworfen“. Auch in
       Russland dürften gerade viele neue Rubel entstehen, um die Invasion in der
       Ukraine zu finanzieren. Ein ökonomischer Gegenwert ist aber nicht in Sicht,
       denn Kriege produzieren nun einmal keine Güter, sondern nur Zerstörung. Es
       ist banal: Jeder große Krieg führt zu einer großen Inflation. Und Putin
       führt einen großen Krieg. Er will 41 Millionen Menschen erobern.
       
       ## Auch Putin ist in einer anderen Welt aufgewacht
       
       Die Russen haben seit 1990 diverse Inflationen erlebt und sind
       traumatisiert. Sie fühlen sich nur sicher, wenn die Flucht in Dollar,
       Schweizer Franken oder Euro jederzeit offensteht. Nichts wird so
       argwöhnisch beobachtet wie der Dollarkurs des Rubels. Also wusste Putin,
       dass er Devisen in Umlauf bringen und den Rubelkurs stabilisieren muss,
       damit seine Bürger möglichst lange nicht merken, dass er einen Krieg in der
       Ukraine führt, der alle Russen verarmen lässt. Für dieses Täuschungsmanöver
       sollte die Kriegskasse dienen, die nun blockiert ist.
       
       Nicht nur der Westen ist „in einer anderen Welt aufgewacht“, sondern auch
       Putin. Ohne seine Kriegskasse hat er nur noch die Devisen, die täglich nach
       Russland strömen, weil Europa noch immer [3][Gas und Öl] importiert.
       Energie ist nämlich von den Sanktionen ausgenommen. Wichtige russische
       Banken wurden zwar vom Swift-Abkommen ausgeschlossen und können kein Geld
       mehr transferieren, aber offen geblieben sind jene Finanzkanäle, mit denen
       die Europäer ihre Energieimporte begleichen. Das ist rational: Es würde gar
       nichts bringen, wenn sich Deutschland oder Italien ökonomisch
       strangulieren, weil sie russisches Gas boykottieren.
       
       Also kommen täglich umgerechnet 600 Millionen Dollar in Russland an. Das
       klingt stattlich, sind aber nur 4 Dollar pro Bürger. Das reicht nicht, um
       den Eindruck zu erwecken, dass keine Inflation drohe. Wenn nicht bald
       Frieden herrscht, wird eine Geldentwertung einsetzen, die allen Russen
       deutlich macht, was dieser Krieg bedeutet: Armut. Vielleicht siegt Putin in
       der Ukraine militärisch – ökonomisch verliert er. Die Frage ist nur, wie
       schnell die Russen das begreifen.
       
       3 Mar 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Herrmann
       
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