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       # taz.de -- Flächenentsiegelung in Berlin: Scheibchenweise entsiegeln
       
       > Die Berliner Bezirke entsiegeln Boden in kleinen und kleinsten Schritten.
       > Der Senat hat dagegen (noch) keinen richtigen Plan.
       
   IMG Bild: Lässt kaum was durch, könnte auch mal weg: alter Asphalt (Symbolbild)
       
       Berlin taz | Dass [1][in Berlin zu viel Fläche versiegelt ist] – der
       natürliche Boden also durch Bebauung, Asphaltierung oder Pflasterung
       verschlossen ist –, darüber herrscht bei Verbänden und Politik weitgehend
       Einigkeit. Weniger eindeutig ist schon, wie umfangreich und schnell die
       Entsiegelung von Flächen vonstatten gehen soll. Die Senatsumweltverwaltung
       hat bislang laut ihren Antworten auf zwei Anfragen der Grünen-Abgeordneten
       Julia Schneider weder eine klare Datenbasis noch einen Zeitplan dafür.
       
       „Das Thema Entsiegelung spielt für die Klimaanpassung in Berlin eine
       zentrale Rolle“, schreibt Umweltstaatssekretärin Britta Behrendt in der
       Antwort auf die erste von Schneiders Anfragen. Sie begründet das
       erwartbarerweise mit Argumenten wie der Verbesserung des Mikroklimas, der
       verstärkten Grundwasserneubildung und der Stärkung des Stadtgrüns.
       
       Das gesamtstädtische Entsiegelungsprogramm aber, das der Vorgängersenat auf
       die Agenda gesetzt hatte, befindet sich laut Umweltverwaltung weiterhin „in
       der Aufstellung“: Seit Juni sei eine dafür neu geschaffene Stelle besetzt,
       derzeit erfolgten „inhaltliche und strukturelle Vorarbeiten für eine
       Ausschreibung“, die 2024 erfolgen solle.
       
       ## Zieljahr 2030 aufgegeben
       
       Für das Ziel der sogenannten Netto-Null-Versiegelung – das besagt, dass
       nicht mehr Boden neu versiegelt als an anderer Stelle Boden entsiegelt wird
       – ist allerdings „kein Zeitpunkt definiert“. Rot-Grün-Rot hatte noch per
       Koalitionsvereinbarung „spätestens 2030“ vorgegeben.
       
       Zwar führt die Umweltverwaltung laut Behrendt das Projekt „Erfassung der
       Entsiegelungspotenziale in Berlin“ fort, in dessen Rahmen Bezirks- und
       Forstämter sowie private Eigentümer zu Potenzialflächen kontaktiert würden,
       um einen Entsiegelungs-„Flächenpool“ bereitzustellen. Aktuell ist die
       Verwaltung jedoch nicht in der Lage, einen Überblick über seit 2022 in
       Berlin durchgeführte Entsiegelungsmaßnahmen zu geben.
       
       „Bedauerlich“, fand Julia Schneider und hakte nach. Auf ihre Frage nach
       [2][Entsiegelungserfolgen in den Bezirken] reichte die Senatsverwaltung
       dann Zahlen weiter – besonders üppig sind diese allerdings auch nicht.
       
       Einige der 12 Bezirke listen selbst kleinste Entsiegelungsmaßnahmen auf: So
       wurden im Köpenicker Allendeviertel durch den Abriss des Verkaufsstands
       „Obstkiste“ 30 Quadratmeter renaturiert. Auf den Bezirk oder gar das Land
       gerechnet eine quasi homöopathische Maßnahme – andererseits funktioniert
       Entsiegelung eben auch als Summe unzähliger Kleinstmaßnahmen wie der
       Vergrößerung von Baumscheiben, über die keiner der Bezirke
       Flächenstatistiken führt.
       
       Ein kleines bisschen umfangreicher sind da schon Maßnahmen wie die
       Entsiegelung von Parkplatzflächen im Kreuzberger Graefekiez (560 m²), der
       alten Skateanlage im Volkspark Friedrichshain (450 m²) oder auf dem
       Charlottenburger Eosanderplatz (1.180 m²).
       
       ## 4,4 Hektar in Tempelhof
       
       Als Einzelmaßnahme wirklich ins Gewicht fällt aber erst eine Maßnahme wie
       die Entsiegelung einer ehemaligen Bezirksgärtnerei in Tempelhof: Hier
       wurden 2023 ganze 44.000 m² – also 4,4 Hektar – entsiegelt, wo früher unter
       anderem Gewächshäuser standen. Anderenorts wurde gar nicht entsiegelt
       (Lichtenberg) oder nichts gemeldet (Pankow, Marzahn-Hellersdorf).
       
       Stadtgeschichtlich interessant ist die erst noch geplante Entsiegelung von
       12.000 m² Asphalt in Lichterfelde: Es handelt sich um den „Platz des 4.
       Juli“, einziges Teilstück eines von den Nazis geplanten Autobahnrings und
       später Paradeplatz der US-Armee. Hier wird die DB-Netz AG tätig – als
       Ausgleichsmaßnahme zum Bau der Trasse „Dresdner Bahn“.
       
       „Die Bezirke treiben aus eigener Kraft beispielhafte Entsiegelungsprojekte
       voran und schaffen einen wertvollen Erfahrungsschatz“, findet Julia
       Schneider. Allerdings fehlten ihnen künftig 30 Millionen Euro, die
       Rot-Grün-Rot im letzten Doppelhaushalt noch zur Verfügung gestellt habe.
       Dabei sei Entsiegelung „angesichts der fortschreitenden Klimakrise bitter
       nötig“.
       
       27 Dec 2023
       
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