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       # taz.de -- Flugzeugabsturz in Kasachstan: Moskauer Vernebelungstaktik
       
       > Der Kreml hält sich mit Kommentaren zur Unglücksursache zurück. Hinweise
       > verdichten sich, dass eine russische Rakete das Flugzeug getroffen hat.
       
   IMG Bild: Eine Untersuchungskommission begutachtet das Flugzeugwrack an der Unfallstelle nahe der Stadt Aktau in Kasachstan, am 26.12.2024
       
       Berlin taz | Abwarten und Tee oder Wodka trinken: Auch am Tag zwei [1][nach
       dem Absturz eines kasachischen Passagierflugzeuges in der Nähe der
       westkasachischen Stadt Aqtau] hält sich Moskau bedeckt. An Bord waren 67
       Menschen, 38 von ihnen starben. Kremlsprecher Dmitri Peskow verwies am
       Freitag lediglich auf die laufenden Ermittlungen, deren Ergebnisse man
       abwarten müsse. Forderungen in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku,
       Russland müsse sich entschuldigen, erteilte er eine Absage.
       
       Erstmals äußerte sich der Chef des Bundesamtes für Luftverkehr
       (Rosaviazija), Dmitri Jadrow, zu dem Flugzeugunglück. Ihm zufolge sei die
       Situation in der Umgebung von Grosny zum Zeitpunkt der Katastrophe
       schwierig gewesen. Mit ukrainische Kampfdrohnen seien Terroranschläge auf
       die zivile Infrastruktur in den Städten Grosny und Wladikawkas gestartet
       worden.
       
       Für das Gebiet des Flughafens Grosny sei der sofortige Abflug aller
       Flugzeuge verfügt worden. Am Flughafen habe dichter Nebel geherrscht und
       der Pilot habe zwei erfolglose Versuche unternommen, das Flugzeug zu
       landen. Ihm seien andere Flughäfen angeboten worden, er habe jedoch
       beschlossen, nach Aqtau zu fliegen, zitiert die russische
       Nachrichtenagentur TASS Jadrow.
       
       Die Maschine vom Typ Embraer 190 war am Mittwoch auf dem Weg von Baku nach
       Grosny, Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, gewesen. Aus
       noch nicht abschließend geklärten Gründen hatte der Pilot jedoch die
       Flugroute geändert und offensichtlich um eine Erlaubnis gesucht, auf dem
       Flughafen in Aqtau notlanden zu dürfen.
       
       ## Angeblich zu viel Nebel
       
       Einer Version zufolge habe die Embraer 190 wegen Nebels nicht in Grosny
       landen können. Einem anderen zufolge habe der Pilot die Route ändern
       müssen, weil die Region im Nordkaukasus zu dieser Zeit von Drohnen
       angegriffen worden sei und der Flughafen Grosny keine Flugzeuge akzeptiert
       habe.
       
       Am Donnerstag hatte unter anderem der TV-Sender Euronews mit Verweis auf
       Quellen in der aserbaidschanischen Regierung berichtet, dass die Maschine
       durch den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete abgestürzt sei. Die
       Rakete sei während „Drohnenflugaktivitäten“ über Grosny abgefeuert worden,
       und in der Nähe des aserbaidschanischen Flugzeuges explodiert.
       
       Die Nachrichtenagentur Reuters hatte berichtet, dass das Flugzeug vom
       russischen Flugabwehr-Raketen- und Geschützsystem Pantsir-S (ZRPK)
       abgeschossen worden und das Kommunikationssystem des Flugzeuges beim Anflug
       auf Grosny blockiert gewesen sei. Bereits kurz nach dem Absturz waren
       Videos aufgetaucht. Sie zeigen Schäden im Heckbereich des Wracks, die
       Einschlaglöchern von Schrapnell aus Flugabwehrwaffen ähneln.
       
       Unterdessen haben mehrere Fluggesellschaften für Flüge nach Russland aus
       dem Vorfall erste Konsequenzen gezogen. So stellte die kasachische
       Fluggesellschaft Qazaq Air ihre Flüge von Astana nach Jekaterinburg bis zum
       27. Januar 2025 ein. Zur Begründung hieß es, die Aussetzung der Flüge
       erfolge zur Gewährleistung der Sicherheit von Passagieren sowie
       Besatzungsmitgliedern und auf Grundlage der Ergebnisse einer laufenden
       Risikobewertung von Flügen nach Russland.
       
       ## Flüge gecancelt
       
       Die Azerbaijan Airlines (AZAL) cancelte Flüge in sieben russische Städte:
       Mineralnije Wody, Sotschi, Wolgograd, Ufa, Samara, Grosny und Machatschkala
       – Hauptstadt der an Tschetschenien grenzenden russischen Teilrepublik
       Dagestan. Zur Unglücksursache hieß es von der AZAl am Freitag, dass den
       Absturz ersten Untersuchungsergebnissen zufolge eine „physische und
       technische Einwirkung von außen“ verursacht habe.
       
       Die israelische Fluggesellschaft El Al fliegt bis auf weiteres Moskau nicht
       mehr an. Auch in Russland selbst kam es am Freitag zu Beeinträchtigungen
       des Flugverkehrs, so auf den Flughäfen in Sotschi, Kasan, Astrachan und
       Wolgograd – zwecks Gewährleistung der Sicherheit von Flügen der zivilen
       Luftfahrt, wie es offiziell hieß.
       
       Aufschlussreich sind Äußerungen von Ibragim Jangulbajew, Vorsitzender der
       oppositionellen tschetschenischen Bewegung „Adat“ in einem Interview mit
       dem russischsprachigen Webportal Nastojaschee vremja.
       
       Angesichts von Versuchen einiger Anhänger des tschetschenischen Präsidenten
       Ramsan Kadyrow die „Abschuss-Version“ zu widerlegen, frage er sich, warum
       das Flugzeug nicht habe landen dürfen, als es schon über Machatschkala
       gewesen sowie vom Radar verschwunden sei und dem Piloten dann gesagt worden
       sei, er solle über das Kaspische Meer nach Kasachstan fliegen. Zu diesem
       Zeitpunkt habe es im gesamten Nordkaukasus Drohnenangriffe gegeben.
       
       ## Medaillie für den Neffen
       
       Dass dem so gewesen ist, räumte auch Ramsan Kadyrow ein – offensichtlich
       ohne es selbst zu merken. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass er
       während einer erweiterten Sitzung anlässlich einer Jahresbilanz seinem
       Neffen und Sekretär des tschetschenischen Sicherheitsrats Chamzat Kadyrow
       die Medaille „Für Verdienste um die Republik Tschetschenien“ verliehen
       hatte. Der ausgezeichnete Verwandte hatte am Tag des Flugzeugabsturzes von
       der Zerstörung alle Ziele über Tschetschenien berichtete, womit
       offensichtlich die feindlichen Drohnen gemeint waren.
       
       Der Telegram-Kanal WTSCHK-OGPU, in Russland auf der Liste ausländischer
       Agenten, veröffentlichte Fragmente eines Gesprächs (der Inhalt kann nicht
       verifiziert werden) des Piloten des später abgestürzten Flugzeuges mit dem
       zuständigen Dispatcher. Daraus geht hervor, dass die Maschine bereits bei
       ihrem Anflug auf Grosny beschädigt worden sei.
       
       Später berichtete der Kanal, dass das Flugzeug über dem tschetschenischen
       Bezirk Naursky, 18 Kilometer vom Flughafen Grosnys entfernt, getroffen
       worden sei. Dort seien mehrere russische Militäreinheiten stationiert,
       darunter solche mit Luftverteidigungssystemen.
       
       27 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Oertel
       
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