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       # taz.de -- Förderung von Hörspielen: Hör mal, wer da spart
       
       > Ganz plötzlich wurde die wichtige Hörspielförderung der Film- und
       > Medienstiftung NRW abgeschafft. Dabei ist die Kunstform immer noch
       > beliebt.
       
   IMG Bild: Hörspiele sind beliebt, aber ab jetzt wird die Förderung dafür abgeschafft
       
       Die aktuelle Hörspiel-Collection der ARD versammelt unter dem Titel „100
       aus 100“ Rang und Namen: Orson Welles und Nobelpreisträgerin Elfriede
       Jelinek sowie neue Hörspiele von Theatergruppen wie She She Pop oder dem
       Autor Tomer Gardi. Mit dieser Collection, die man digital einsehen und vor
       allen Dingen anhören kann, feiert die ARD den 100. Geburtstag der Kunstform
       Hörspiel.
       
       Mittlerweile nimmt das Hörspiel in der linearen Programmplanung von
       Radiosendern nur noch eine randständige Rolle ein – doch das tut der
       Bedeutung keinen Abbruch. Die Nutzerstatistik [1][der digitalen
       ARD-Audiothek] belegt exemplarisch: Formate wie WDR 3 Hörspiel erfreuen
       sich großer Beliebtheit. Sie gehören bisweilen zu den meistgenutzten
       Audio-Serien-Formaten der einzelnen Sender.
       
       Eine der größten Förderinnen der Kunstform Hörspiel war bisher die
       [2][Film- und Medienstiftung NRW in Düsseldorf]. Die 1991 gegründete GmbH
       gilt mit ihrem Volumen von 35 Millionen Euro zu den bedeutendsten
       Förderhäusern in Europa. Ein Großteil davon fließt in Film- und
       Fernsehproduktionen, doch 100.000 Euro nutzte man, um kleinere und große
       Hörspielprojekte zu unterstützen.
       
       So geringfügig dieser Bruchteil auch scheint, ist er von herausragender
       Bedeutung für die deutschlandweite Hörspiel-Szene. Allein im Jahr 2022
       wurden 15 Hörspiele direkt gefördert, ebenso wie Veranstaltungen, Festivals
       und der Hörspielpreis der Kriegsblinden.
       
       Viele Autor*innen könnten ihre Arbeit für das Hörspiel nur dank der
       Förderungen der Film- und Medienstiftung aufrechterhalten, sagt Martin
       Stengel der taz. Stengel ist selbst Autor und Journalist, darüber hinaus
       Veranstalter des jährlichen Festivals „Hörspielwiese“ in Köln.
       
       ## Offener Brief für mehr Förderung
       
       Seit dem 28. Juni dieses Jahres ist Stengel außerdem Verfasser eines
       Offenen Briefs, der in der Medienszene in Deutschland zu Aufsehen und
       Besorgnis geführt hat. Darin bittet Stengel – und mit ihm bereits fast
       1.000 Unterzeichnende – die „Hörspielförderung, die auch für die Förderung
       von Features zuständig ist, zu retten“.
       
       Der neue Geschäftsführer der Stiftung, Walid Nakschbandi, habe diese
       faktisch mit sofortiger Wirkung abgeschafft, heißt es dort. Nakschbandi,
       seit dem 1. Januar 2024 Geschäftsführer, hat vorher jahrelang in
       verschiedenen Positionen bei der Verlagsgruppe Holtzbrinck gearbeitet und
       ist ein berüchtigter Fernsehproduzent.
       
       Der Offene Brief führt weiter aus: „Nicht nur wurde die zuständige
       Mitarbeiterin von ihren Förderaufgaben entbunden, wodurch es keine:n
       Ansprechpartner:in mehr für (laufende) Förderprojekte gibt, auch wurde
       das Hörspielforum NRW […] abgesagt.“ Auf der Homepage der Stiftung findet
       man den Namen der Referentin, Anke Morawe, obwohl sie dem Vernehmen nach
       seit Ende Februar nicht mehr zuständig ist.
       
       Versucht die Film- und Medienstiftung, diese Causa zu verschweigen? Und
       wenn ja, warum? Wie kommt es zu diesem Vorgehen, wo doch ein ausdrücklich
       formulierter Auftrag zur Hörspielförderung durch die vier Gesellschafter,
       das Land NRW und der WDR (je 40 Prozent) sowie ZDF und RTL (je 10 Prozent),
       besteht? Alle vier Gesellschafter halten sich bedeckt, keiner hat sich bei
       Martin Stengel gemeldet.
       
       Doch Stengel scheint mit seinem öffentlichen Brief, [3][der unter
       pro-hoerspiel.de] aufzurufen ist, einen Nerv getroffen zu haben: Etliche
       namhafte Autor*innen, Medien- und Kulturschaffende und Größen des Hörfunks
       haben unterschrieben; darüber hinaus habe er schon „E-Mails im
       vierstelligen Bereich“ beantworten müssen. Die Szene zeigt sich in großer
       Sorge.
       
       Walid Nakschbandi hat sich wenige Tage nach der Veröffentlichung des Briefs
       bei Stengel telefonisch gemeldet. Dies hat die Stiftung am folgenden Tag
       gegenüber dem Evangelischen Pressedienst verlautbaren lassen, außerdem
       möchte Nakschbandi die „Missverständnisse aus dem Weg geräumt“ haben. Dass
       wirklich etwas geklärt worden wäre, dementiert Stengel nicht nur, sondern
       betont, dass er an seiner Kritik festhalte: „Herr Nakschbandi hat mir
       gegenüber keine konkreten Maßnahmen formuliert.“
       
       Auch eine Anfrage der taz blieb von der Film- und Medienstiftung
       unbeantwortet. Warum man so ausgerechnet im Festjahr des Hörspiels
       verfährt, scheint niemand beantworten zu können – oder zu wollen.
       
       11 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /ARD-Hoerspiel-Auricula/!5941466
   DIR [2] /Zukunft-des-Grimme-Instituts/!5978060
   DIR [3] https://pro-hoerspiel.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lars Fleischmann
       
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