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       # taz.de -- Folgen des Klimawandels: Dem Golfstrom geht die Puste aus
       
       > Die wichtige Meeresströmung schwächelt: Sie hat seit 1950 15 Prozent
       > ihrer Kraft eingebüßt. Der Grund soll der Klimawandel sein.
       
   IMG Bild: Bringt die Wärme Floridas nach Europa: der Golfstrom
       
       Die Besorgnis vieler Klimaforscher vor einer Störung des Golfstroms im
       Nordatlantik hat neue Nahrung erhalten. Die Meeresströmung, die Europa mit
       Wärme versorgt und das weltweite Klimasystem stabilisiert, hat sich nach
       neuen Daten seit 1950 so stark reduziert wie seit mindestens tausend Jahren
       nicht mehr. „Wir legen Hinweise vor, dass sich das System seit Mitte des
       20. Jahrhunderts um 15 Prozent abgeschwächt hat“, heißt es in einer
       [1][Studie], die am Mittwoch im Fachblatt Nature erschien. „Der vom
       Menschen verursachte Klimawandel ist der Hauptverdächtige für diese
       beunruhigenden Beobachtungen“, erklärte das Potsdam-Institut für
       Klimafolgenforschung (PIK), an dem einige Autoren der Studie arbeiten.
       
       Die Forschergruppe aus Potsdam, Madrid, Athen und Princeton verweist auf
       umfangreiche Messungen von Wassertemperatur und Strömungen und auf neue,
       exaktere Klimamodelle. Sie konzentrieren sich auf ein Gebiet im
       Nordatlantik südlich von Grönland, das unter Forschern schon lange als
       verhaltensauffällig gilt. Denn anders als überall sonst auf dem Planeten
       wird es dort nicht wärmer, sondern kälter. Eine mögliche Erklärung dafür,
       die sich nun offenbar erhärtet: Durch einen schwächeren Golfstrom wird
       weniger Wärme in die Gegend transportiert.
       
       „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Golfstrom in den letzten Jahren einen
       Rekordtiefstand erreicht zu haben scheint, in Übereinstimmung mit
       Rekord-Tieftemperaturen des Meerwassers“, schreiben die Forscher. Obwohl
       natürliche Schwankungen nicht völlig ausgeschlossen werden könnten, sei es
       „sehr wahrscheinlich größtenteils durch Menschen verursacht“.
       
       ## Golfstrom hat großen Einfluss auf das Wetter
       
       Nicht alle Experten folgen dieser Auffassung. Mojib Latif vom Kieler
       Meeresforschungsinstitut Geomar sieht „keinen Trend in die eine oder andere
       Richtung“, sagte er der taz. Eine schwächere Strömung hält er auch nach den
       neuen Daten für „nicht eindeutig“. Für Stefan Rahmstorf dagegen,
       Meeresexperte am PIK und einer der Autoren, zeigt sich in den Daten eine
       „statistisch signifikante“ Änderung der Strömung, die nicht mehr durch das
       „Rauschen“ der Vielzahl von Daten zu erklären ist. „Wir bewegen uns auf
       einen Punkt zu, an dem diese Entwicklung kippen kann. Aber wir wissen
       nicht, wie weit entfernt wir davon sind.“
       
       Die Region versetzt die Forscher schon lange in Aufregung. Mehr Regen und
       das Schmelzen der Grönlandgletscher bringen dort immer mehr Süßwasser ins
       Meer. Das so verdünnte Wasser ist weniger salzhaltig und sinkt nicht so
       schnell ab, wie es sonst der Fall war. Mit dem Golfstrom, der offiziell
       „Atlantische meridionale Umwälzströmung“ (Amoc) heißt, gelangen gigantische
       Wärmemengen vom Äquator nach Norden, wo das Wasser abkühlt und wieder zum
       Äquator zurückfließt. Die Abschwächung dieses „Förderbands“ haben auch
       schon andere Studien beobachtet und vorausgesagt. Die Forscher nutzen dafür
       Vergleichsdaten aus Eisbohrkernen und Sedimenten vom Meeresgrund ebenso wie
       Messungen von Schiffen, Bojen und Satelliten.
       
       Ein Abreißen des Golfstroms ist eines der Horrorzenarien für einen
       ungebremsten Klimawandel – nicht zuletzt durch den Hollywoodfilm „The Day
       after Tomorrow“ populär geworden. Aber schon eine deutliche Abschwächung
       könnte ernste Konsequenzen haben, warnen Wissenschaftler schon lange: Der
       Fischreichtum des Atlantiks hängt an diesem System ebenso wie das Wetter in
       Europa. Einfluss hat der Golfstrom aber auch auf den Monsun in Indien und
       Niederschläge in Afrika. Und an der US-Ostküste steigen die Temperaturen
       und der Meeresspiegel, zeigen Modelle und Messungen.
       
       11 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0006-5*
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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