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       # taz.de -- Folgen des Ukraine-Kriegs: Explosive Spuren
       
       > Die Ukraine ist mittlerweile das verminteste Land der Welt. Das ist nicht
       > nur gefährlich, sondern auch teuer. Unterwegs mit einem
       > Minenaufräumdienst.
       
       Charkiw taz | Ein lauter Pfiff hallt durch den Kiefernwald 60 Kilometer
       östlich von Charkiw. Er ist das Signal, dass die Minensucher:innen in
       dem ehemals von Russland besetzten Gebiet ihre Arbeit unterbrechen. Zehn
       Minuten Pause. Zwischen den Baumstämmen nähert sich Viktoria Sheleshei. Man
       kann sie schon von weitem sehen, nicht nur weil sie rund 1,80 Meter groß
       ist, sondern auch weil sich ihre hellblaue Schutzweste deutlich von den
       Grün- und Brauntönen der Umgebung abhebt. Sheleshei atmet tief durch und
       wischt sich Schweißtropfen von der Stirn. Über ihre Aufgabe erzählt sie
       gern, aber fotografieren lassen will sie sich nicht. Andere möchten ihre
       Namen nicht nennen, weil sie Verwandte in den von Russland besetzten
       Gebieten haben.
       
       Die Arbeit ist körperlich anstrengend. Meist knien die Minensucher:innen.
       Außerdem tragen sie Schutzausrüstung: Eine mit Kevlar gefüllte Weste
       schützt die Vorderseite des Oberkörpers, eine Verlängerung auch die
       Leistengegend. Die Schichten aus reißfesten Kunstfaser sollen die Energie
       von Projektilen oder Splittern aufnehmen und auf eine größere Fläche
       verteilen. Dazu kommt ein Visier aus Plexiglas, das etwa einen halben
       Zentimeter dick ist, für Gesicht und Hals.
       
       Die Ukraine gilt inzwischen als das am meisten verminte Land der Welt.
       Beide Kriegsparteien nutzen Antipanzerminen, Russland auch
       Antipersonenminen. Letztere können Menschen, die sie berühren, durch die
       Detonationsenergie und Splitter töten oder verletzen. Antipanzerminen lösen
       erst bei einem höheren Gewicht aus und enthalten mehrere Kilogramm
       Sprengstoff, genug, um einen Kampfpanzer durch die Zerstörung seiner Kette
       zumindest fahrunfähig zu machen.
       
       All diese Minen können nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden. Die
       überwiegende Menge der Minen hat allerdings die russische Armee gelegt. Sie
       baut seit ihren Rückzügen im Herbst auf dem linken Ufer des Dnipro und in
       der Region Charkiw systematisch Verteidigungsstellungen mit
       Betonhindernissen, Gräben und Minenfeldern aus und versucht sich so an dem
       eroberten Land festzukrallen. Doch auch schon vor den Rückzügen haben die
       Invasoren ihre Stellungen vermint. So war es auch in diesem Teil der Region
       Charkiw.
       
       Wie viele Minen und Sprengfallen auf ukrainischem Boden lauern, ist
       unbekannt. Schätzungen zufolge sind Gebiete von 175.000 bis zu 300.000
       Quadratkilometern betroffen. Das wäre etwa viermal so groß wie Österreich.
       Antifahrzeugminen gehören zur Kategorie der konventionellen Waffen.
       Antipersonenminen sind nach internationalem Recht verboten und durch das
       Ottawa-Übereinkommen von 1997 geächtet, das die Ukraine, [1][nicht aber
       Russland] unterzeichnet hat. Die UNO hat die bevorstehende Minenräumung in
       der Ukraine mit der Räumung von Sprengstoffen in Europa nach dem Zweiten
       Weltkrieg verglichen. Der Leiter des UN-Programms für Minenräumung, Paul
       Heslop, schätzte kürzlich, dass für die kommenden fünf Jahre bis zu 300
       Millionen Dollar (275 Millionen Euro) pro Jahr für die Räumung nötig sind.
       
       Je nachdem, wo die Minen und Sprengfallen liegen, haben sie
       unterschiedliche Folgen. In betroffene Siedlungen können auch dann keine
       Menschen zurückkehren, wenn die Front längst woanders verläuft. Die Räumung
       hat Vorrang. Auch landwirtschaftliche Flächen können nicht bestellt werden,
       solange Minengefahr besteht. Das ist wirtschaftlich ein großer Schaden: Die
       fruchtbaren Böden haben die Ukraine zu einem der größten [2][Exporteure von
       Getreide und Mais] gemacht. Wenn 30 Prozent davon nicht bestellt werden
       können, verliert das Land viel Geld und Nahrungsmittelpreise steigen
       weltweit.
       
       Sheleshei will gegen diese Probleme kämpfen. „Kinder sollten sicher spielen
       können“, sagt sie. Sie denke dabei vor allem an ihre zwei Neffen. Wenn man
       die Minen nicht unschädlich mache, können sie noch viele Jahre Menschen
       töten oder verstümmeln. Die 25-Jährige gehört zu einer Gruppe
       Minensucher:innen, die in der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine
       arbeiten. Vor Kriegsbeginn hat sie im Einzelhandel gearbeitet.
       
       Nun sucht sie seit Herbst vergangenen Jahres Minen, inzwischen ist sie
       Teamleiterin. „Ich kann mich hier entwickeln“, sagt sie. Auch wenn die
       Arbeit anstrengend und gefährlich sei. „Wahrscheinlich werden wir noch
       viele Jahre damit zu tun haben.“ Sie kommt ursprünglich aus Kyjiw. Zuletzt
       habe sie am östlichen Stadtrand gewohnt. In der Vorstadt ist auch die
       Zentrale von Halo Trust, der NGO, für die sie nun arbeitet. Dann schallt
       wieder ein Pfiff durch den Wald. Die Pause ist vorbei. Viktoria Sheleshei
       geht zurück an die Arbeit.
       
       [3][Halo Trust] ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die
       seit mehr als drei Jahrzehnten weltweit nach Minen sucht. Die Zentrale ist
       im schottischen Thornhill. Halo steht für Hazardous Area Life-support
       Organization. Finanziert wird Halo über Zuwendungen aus einer Reihe von
       Staaten, darunter auch die Bundesrepublik, sowie aus privaten Spenden.
       Große Einsatzgebiete in den vergangenen Jahrzehnten waren Angola,
       Kambodscha und Afghanistan. In Europa ist Halo Trust beispielsweise im
       Kosovo und in Georgien tätig gewesen.
       
       In der Ukraine ist Halo Trust seit 2016 aktiv, um Minen und Munition im
       Donbass zu suchen. Seit Beginn der russischen Invasion 2022 hat die NGO
       ihre Arbeit enorm ausgeweitet. Nach eigenen Angaben sind derzeit rund 800
       Mitarbeiter:innen in der Ukraine tätig, davon 30 Prozent Frauen.
       Weitere werden ausgebildet. Das Basistraining dauert einen Monat. Stellen
       sind für Gehälter ab 30.000 Hrywnja (derzeit rund 750 Euro) ausgeschrieben,
       kein schlechter Verdienst in der Ukraine. Neben der Minensuche werden auch
       Zivilisten über Minengefahren aufgeklärt. Allein von Mitte April bis Mitte
       Juni habe man 5.000 Landminen gefunden.
       
       Dort wo Viktoria arbeitet, war mal eine Art Ferienresort. Einfache
       Holzhütten und größere Ferienhäuser ducken sich unter den Bäumen. Am
       Waldweg sind Sitzbänke um eine Feuerstelle aufgebaut. Es riecht nach dem
       Harz der Nadelbäume. Am Ufer des Sees gibt es einen Sandstrand.
       
       Es könnte eine Idylle sein, doch die russische Armee hat sie in eine
       tödliche Falle verwandelt. Hier auf der östlichen Seeseite hatte sie von
       März bis September 2022 ihre Stellungen, der See schirmte sie von den
       ukrainischen Soldaten im Nachbarort Petschenihy ab. Als sie abzogen, ließen
       sie die Minen zurück. „Wir finden hier praktisch alle Arten von Minen in
       diesem Areal“, erklärt Besart Aliçkaj. Er ist der Regionalleiter von Halo
       Trust. Am häufigsten seien aber Antipersonenminen und vor allem
       Sprengfallen.
       
       Er zeigt ein Foto. Darauf sieht man eine Splitterhandgranate, die mit einem
       Plastikriemen an einem Baumstamm etwa einen Meter über dem Boden befestigt
       ist. Den Stolperdraht kann man auf dem Foto nicht erkennen. „Auch in der
       Realität so gut wie nicht“, sagt Aliçkaj. Der Draht zündet die Granate, die
       bei der Explosion tausende Metallsplitter in alle Richtungen verstreut. Je
       nach Modell können die Splitter aus bis zu 20 Metern Entfernung tödlich
       sein.
       
       Das sei auch der Grund, warum in diesem Areal immer nur eine
       Minensucher:in sich in einem Umkreis von 50 Metern aufhalte. Bisher sei
       aber alles gut gegangen. Es habe in der Ukraine unter den
       Mitarbeiter:innen noch keinen einzigen Verletzten durch Detonationen
       gegeben. „Sicherheit geht immer vor.“ In der Feriensiedlung bedeutet das,
       dass gesicherte Wege mit farbigen Holzstöcken markiert sind. Abseits davon
       darf man sich nicht bewegen. Zwischen ausgebrannten Ferienhäusern breitet
       er einen Übersichtplan aus. Auf Aliçkajs Karte und im Wald selbst ist alles
       in Quadrate aufgeteilt, die nun systematisch untersucht werden. An den noch
       nicht untersuchen Gebieten warnen rote Schilder mit einem Totenschädel und
       dem Wort „Minen“.
       
       Nach dem Abzug der Russen war zuerst die staatliche
       Katastrophenschutzbehörde DSNS in die Feriensiedlung gekommen. „Das ist der
       übliche Ablauf.“ Die Behörde entferne auch Minen, allerdings nicht sehr
       systematisch. „Es geht darum, festzustellen ob für ein Gebiet überhaupt
       Minengefahr besteht.“ Sichtbare Minen werden dann sofort vor Ort entschärft
       oder gesprengt. In der Feriensiedlung habe der DSNS allein mehr als 100
       Sprengfallen gefunden. Bevor nun wieder Zivilisten in das Gebiet dürfen,
       müsse aber systematisch gesucht werden. „Auch wir haben seit dem Frühjahr
       schon mehr als 100 Minen und Sprengfallen entdeckt.“ Und man sei noch
       längst nicht durch. Die Prozedur sei langwierig. „Wir haben eine Gefahr auf
       mehreren Ebenen.“ Erst kontrolliere man die Baumstämme, dann den Waldboden,
       der mit dichtem hohen Gras bewachsen ist. Danach erst könne man nach den
       Minen im Boden suchen.
       
       Auf dem Gebiet der Ferienanlage sieht man Minensucher:innen in allen
       Phasen arbeiten. Ein junger Mann kniet auf einem abgemähten Stück
       Waldboden. Eine etwa einen halben Meter lange Plastiknadel bewegt er
       langsam vorwärts durch das Gras vor sich und dann langsam nach oben. „Den
       Stolperdraht kann man nicht sehen, man muss ihn fühlen“, erklärt Aliçkaj.
       In einem anderen Planquadrat schneidet ein anderer Minensucher das Gras vor
       sich mit einer Gartenschere kurz. Anschließend kann man die Fläche mit
       einem Metalldetektor untersuchen. Doch nicht alle Minen bestehen aus
       Metall. Es gibt welche aus Holz oder Plastik. Manchmal ist nur ein kleiner
       Draht im Zünder aus Metall. Deshalb müssen die Suchgeräte sehr empfindlich
       sein.
       
       Gibt es einen Verdacht, muss horizontal gegraben werden. Mit einem
       Werkzeug, das in der Form einem Eiskratzer für Autoscheiben ähnelt, werden
       die obersten fünf Zentimeter Erde abgetragen. Findet man nichts, ist die
       nächste Schicht fünf Zentimeter tiefer dran. „Tiefer als 15 Zentimeter ist
       in der Ukraine noch keine Mine gefunden wurden“, erklärt Aliçkaj. Es mache
       keinen Sinn diese tiefer zu vergraben, weil sie dann wahrscheinlich nicht
       zünden.
       
       Besart Aliçkaj ähnelt in seiner Statur dem ukrainischen Präsidenten
       Selenski: nicht sehr groß, aber stabil. Khakifarbene Hose, dunkelblaues
       Polo-Shirt, Sonnenbrille. Er kommt nicht aus der Ukraine, sondern aus dem
       Kosovo. Vor dem Besuch auf dem Minenfeld sei er am Morgen noch im
       Fitnessstudio gewesen. „Ich muss in Form bleiben“, sagt er. Vor acht Jahren
       habe er bei Halo Trust angefangen, als Fahrer. „Ich musste mir mein
       Psychologiestudium finanzieren.“ Inzwischen hat er einen Masterabschluss
       und ist bei Halo Trust aufgestiegen.
       
       Nun mit 27 Jahren hat er den Überblick über eines der größten
       Einsatzgebiete der NGO. „In der Region Charkiw sind 42 Gemeinden von Minen
       betroffen.“ Die Arbeit gefällt ihm. „Viel Verantwortung, aber es hilft den
       Leuten hier.“ Halo Trust ist in der Region nicht die einzige NGO, die Minen
       sucht, aber die größte. Er spreche absichtlich vom Suchen der Minen, denn
       selbst unschädlich machen dürfe man die Sprengsätze nicht. Dafür fehlen
       noch Genehmigungen. „Wenn wir etwas finden, rufen wir den DSNS.“
       
       Aus [4][Charkiw] verläuft die Fernstraße M03 Richtung Südosten, teilweise
       wie eine Autobahn. Sie führt in den Donbass nach Slowjansk, dann weiter
       nach Bachmut. Je weiter man aus Charkiw auf der Straße fährt, umso häufiger
       sieht man Zerstörung. Mal sind die Löcher in den Dächern der Dorfhäuser mit
       Folie abgedeckt, mal sind nur noch verkohlte Außenmauern übrig. Daneben
       stehen auch völlig intakte Gebäude. Es wirkt zufällig. Teile des Rajons
       Tschuhujiw waren 2022 rund sechs Monate besetzt. An den Ein- und Ausfahrten
       der Stadt gibt es Checkpoints der Armee. Neben Betonbarrieren kontrollieren
       die Soldaten stoisch die Ausweise. Der Wagen mit dem Halo Trust Logo wird
       oft durchgewunken. Man kennt sich schon.
       
       Besetzt war auch das Dörfchen Mykolajiwka. Es liegt inmitten großer Felder
       in der sanft welligen Landschaft. Im Hochsommer würde es hier normalerweise
       aussehen, wie in einer ukrainischen Bilderbuchlandschaft: unten gelbe
       Getreidefelder, oben blauer Himmel. Wie die Flagge des Landes. Doch in
       diesem Jahr stehen auf vielen Feldern noch die vertrockneten Sonnenblumen
       vom Vorjahr, die nie geerntet wurden.
       
       Auf einem Feld neben der schmalen Zufahrtsstraße nach Mykolajiwka steht ein
       riesiger, rot und schwarz lackierter Mähdrescher. Etwas windschief sieht er
       aus der Entfernung aus. Die Geschichte zum Fahrzeug erzählt Serhii Kotenko,
       er ist der Leiter der Militäradministration für die Gemeinde Tschkalowska,
       zu der auch Mykolajiwka gehört. Er wurde von der Regierung eingesetzt. Der
       Posten war vakant: Sein Vorgänger habe sich nach Russland abgesetzt, als
       die ukrainischen Truppen die Gegend befreit haben. „Ein Kollaborateur“,
       sagt Kotenko.
       
       Der Mann sei auch Chef der örtlichen Agrarfirma gewesen, die auf den
       Feldern Getreide und Gemüse angebaut und Schweine gezüchtet hat. Im Sommer
       2022 habe der versucht, den Winterweizen zu ernten. „Die Russen haben ihm
       gesagt, er soll 100 Meter von der Straße Abstand halten, haben Dorfbewohner
       erzählt. Aber er hat sich nicht daran gehalten.“ Zwei Antipanzerminen sind
       unter der mächtigen Maschine detoniert. Das mannshohe Vorderrad hat es
       komplett zerfetzt. Die Windschutzscheibe der Fahrerkabine ist eingedrückt
       und hat Sprünge wie das Muster eines Spinnennetzes. Die Kabine ist rund
       zwei Meter über dem Boden. Das habe den Mann wohl gerettet, meint Kotenko.
       Der habe nicht mal einen Kratzer gehabt.
       
       Nun ist der Mähdrescher eine weithin sichtbare Warnung vor einem Minenfeld.
       Geht man an der Straße entlang, sieht man auch die kleinen roten Schilder
       mit dem Totenkopf. Halo Regionalleiter Aliçkaj packt an einer Kreuzung am
       Ortseingang seine Karte aus. Rechts und links der Straße sieht man darauf
       rote Punkte in einer Doppelreihe im rechten Winkel zur Straße. „Das sind
       die Minen, die wir hier schon gefunden haben“, erklärt er. Ausnahmslos
       Antipanzerminen. Alle 1,5 Meter eine Mine, fünf Meter Abstand zwischen den
       beiden Reihen. Man nehme an, die Minensperre sollte eine russische Stellung
       auf der anderen Dorfseite absichern.
       
       Auf dem Feld repräsentieren gelbe Holzstöcke die roten Punkte auf der
       Karte. „Ein übliches Muster.“ Sicher sein könne man aber trotzdem nicht.
       Deshalb werde auch die Umgebung abgesucht. Auf den gelben Stöcken ist in
       schwarzer Schrift der Typ der Mine vermerkt. TM62P steht auch auf dem
       Pflock neben dem Mähdrescher. Das ist eine Version der sowjetischen
       Standardantipanzermine mit Kunststoffgehäuse. Zuerst habe man mit einer
       Drohne nach Auffälligkeiten auf dem Feld gesucht. Das sei das
       Standardverfahren. Dann komme das Gras dran. Hinweise auf Sprengfallen gebe
       es hier nicht. Dennoch ist man ganz froh, dass man sozusagen einen
       ferngesteuerten Rasenmäher hat.
       
       ## „Die Arbeit ist hart“
       
       Hinter einer kleinen Betonbarriere sitzt ein Minensucher und steuert den
       gelben „Robocut“. In mehr als einem Dutzend Meter Entfernung frisst er sich
       mit Motorengetöse auf vier Rädern durch das wiederaufgekeimte Getreide vom
       Vorjahr. Das sei sicherer, aber vor allem schneller. Eine Antipanzermine
       würde auch ein Rasenmäher im Handbetrieb nicht auslösen. Wenn Robocut einen
       Streifen abgegrast hat, können die Minensucher mit den Detektoren arbeiten.
       „Je näher am Boden, desto besser. Das Gras stört dabei.“ Gibt es ein
       Signal, wird die Stelle markiert und dann vorsichtig ausgegraben.
       
       Makysm Moseikin gehört zu denen, die diesen Teil der Arbeit koordinieren.
       Mit Funkgerät und dunkelblauer Schirmmütze steht er in einer Pause am
       Straßenrand. Gut 1,80 Meter groß, schlank und braungebrannt. Schatten gibt
       es hier nicht. Die Mitarbeiter haben sich einen kleinen Sonnenschutz aus
       Holzlatten und Tüchern gebastelt. Moseikin ist erst 21 Jahre alt und schon
       Teamleiter. Er ist für die Sicherheit verantwortlich und muss seine Leute
       auch bei Laune halten.
       
       „Die Arbeit ist hart“, sagt er. Man verbringe viel Zeit miteinander. Acht
       Stunden auf dem Feld und dann in der Unterkunft. Die Teams rotieren
       wöchentlich. Wenn er nicht nach Minen sucht, studiert er
       Wirtschaftswissenschaft. Er wisse, wie wichtig es für die Dorfbewohner sei,
       dass die Minen von den Feldern wieder verschwinden. An anderen Orten hätten
       die Bauern versucht die Minen selbst unschädlich zu machen. „Sie brennen
       die Felder ab oder basteln selbstgebaute Vorrichtungen an Traktoren.“ Das
       könne aber gefährlich sein und es könne etwas übersehen werden.
       
       Verwaltungsschef Kotenko hofft, dass man die Felder im nächsten Jahr wieder
       bestellen kann. „Die Menschen hier brauchen eine Perspektive.“ Fast alle
       haben vor der Invasion von der Landwirtschaft gelebt. Mindestens die Hälfte
       der rund 300 Einwohner sind geflohen. Einige seien nach der Befreiung
       wieder zurückgekehrt, weil sie in ihren Fluchtorten in der Ukraine keine
       Arbeit gefunden haben oder die Miete nicht zahlen konnten. „Hier haben sie
       immerhin ein zu Hause.“
       
       3 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://sicherheitspolitik.bpb.de/de/m5/layers/conventional-weapons/land-mine-and-cluster-munitions/ottawa-con#1/13/17
   DIR [2] /Minister-ueber-ukrainisches-Getreide/!5919191
   DIR [3] https://www.halotrust.org/
   DIR [4] /Folgen-des-Ukrainekriegs-in-Charkiw/!5909328
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marco Zschieck
       
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