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       # taz.de -- Fossiler Strom: Regierung fördert Gaskraftwerke
       
       > Die Ampel hat sich auf eine Kraftwerksstrategie geeinigt.
       > Klimaschützer*innen kritisieren, es gebe zu viele offene Fragen beim
       > Ausstieg.
       
   IMG Bild: Das neue Heizkraftwerk Süd in Leipzig ist das erste zertifizierte Wasserstoffkraftwerk Deutschlands
       
       Berlin taz | Ganz beim Namen nennt die Bundesregierung das Kind nicht.
       „Moderne, hochflexible und klimafreundliche Kraftwerke“ würden
       Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit erfordern, schreibt die
       Koalition am Montag in ihrer [1][Mitteilung] darüber, dass sie sich auf die
       schon lange erwartete Kraftwerksstrategie geeinigt habe.
       
       Gemeint sind: Gaskraftwerke. Sie sollen die Brücke bilden zwischen der
       fossilen und der erneuerbaren Welt. Dabei ist Erdgas natürlich auch ein
       fossiler Kraftstoff. Je nachdem, [2][wie es gefördert und transportiert
       wird], ist es nicht einmal klimafreundlicher als Kohle. Aber Gaskraftwerke
       sind weniger schwerfällig als ihre kohlebetriebenen Äquivalente. Man kann
       sie kurzfristig anschalten, um eine flüchtige Flaute bei den erneuerbaren
       Energien auszugleichen, und dann schnell wieder abstellen.
       
       Kurzfristig will die Regierung eine Ausschreibung für bis zu vier Anlagen
       mit insgesamt zehn Gigawatt Leistung ausschreiben. Diese sollen „H2-ready“
       sein, also auf den späteren Betrieb mit Wasserstoff ausgelegt.
       
       Wann der Umstieg stattfinden muss, steht noch nicht fest, das soll sich
       2032 entscheiden. Der Zeitpunkt solle aber zwischen 2035 und 2040 liegen.
       Das beißt sich potenziell damit, dass das Stromsystem schon 2035 CO2-frei
       sein soll, zehn Jahre vor dem Rest des Energiesystems.
       
       ## „Konjunkturprogramm für die Gaslobby“
       
       Auch ob der Umstieg auf Wasserstoff überhaupt CO2-Freiheit gewährleisten
       würde, ist unklar. Wasserstoff lässt sich auf verschiedene Weise
       herstellen. Klimaneutral ist er nur, wenn das [3][auf Basis von Ökostrom]
       passiert. Darauf legt sich die Bundesregierung aber bisher nicht fest.
       Überhaupt ist nicht definiert, [4][was „H2-ready“ bedeutet].
       
       Klimaschützer*innen sind wegen dieser Unklarheiten in Sorge. „Das
       Konjunkturprogramm für die Gaslobby geht weiter“, sagte Sascha
       Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe am Montag. Auch die
       Finanzierung aus dem Klima- und Transformationsfonds stehe auf wackligen
       Beinen, kritisiert er. Der Fonds steht im Zentrum der aktuellen
       Haushaltskrise.
       
       Das Geld für die Kraftwerksstrategie soll nun genau daraus kommen. Sie ist
       allerdings langfristig angelegt. Es geht um die kommenden zwei Jahrzehnte.
       In diesem Zeitraum sollen insgesamt 16 Milliarden Euro fließen, war aus
       Regierungskreisen zu hören. Auf den ersten Teil können sich Energiekonzerne
       im Rahmen der angekündigten Ausschreibungen bewerben.
       
       Ein Termin steht dafür noch nicht fest, erst muss die EU-Kommission die
       staatlichen Beihilfen noch akzeptieren. Die Regierung spricht von
       „kurzfristig“. Wenn die Kraftwerke zum von der Ampelkoalition anvisierten
       Kohleausstieg 2030 bereitstehen sollen, muss das auch sein. Schließlich ist
       von einer mehrjährigen Bauzeit auszugehen.
       
       Perspektivisch soll der Strommarkt über einen Kapazitätsmechanismus laufen.
       Das heißt: Betreiber werden nicht einfach für die Menge an Strom bezahlt,
       die sie verkaufen, sondern dafür, dass sie Kraftwerkskapazitäten
       bereithalten – selbst wenn die Anlagen letztlich nicht gebraucht werden.
       Genaueres will die Regierung bis zum Sommer klären.
       
       Der weitgehend verstaatlichte Energiekonzern Uniper ist zufrieden. „Wir
       sind sehr erleichtert, dass die Bundesregierung sich auf ein gemeinsames
       Vorgehen bei der Kraftwerksstrategie geeinigt hat“, sagte Unternehmenschef
       Chef Michael Lewis. „Sobald wir die Details prüfen konnten, werden wir
       entscheiden, ob und mit welchen Investitionen wir uns beteiligen.“
       
       Die Energieökonomin Claudia Kemfert sieht die Förderpläne hingegen
       kritisch. „Der Kohleausstieg wäre auch ohne einen subventionierten Zubau
       von Gaskraftwerken möglich“, sagte sie. Die Klima-Expertin würde die bisher
       erwartete Lücke beim Strom lieber anders schließen: „Der Markt braucht mehr
       Flexibilität in Form von einem digitalen Energie- und Lastmanagement, einem
       Ausbau von dezentralen Verteilnetzen und dem Zubau von Speicher.“
       
       5 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2024/02/20240205-einigung-zur-kraftwerksstrategie.html
   DIR [2] /Klimaschaedliche-Energietraeger/!5985521
   DIR [3] /Gefahr-fuer-die-Energiewende/!5963523
   DIR [4] https://nachrichten.idw-online.de/2023/11/30/h2-ready-kraftwerke-studie-zeigt-herausforderungen-und-loesungsansaetze-fuer-die-umruestung-von-gaskraftwerken
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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