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       # taz.de -- Fotoserie zum Palast der Republik: Die DDR hat es nie gegeben
       
       > Einzigartige Serie: Gerrit Engel konnte als einziger Fotograf den Abriss
       > des Palastes der Republik über die ganze Dauer mitverfolgen.
       
   IMG Bild: Gerrit Engel, Palast #24, 2008/15 (onlinekompatibler Ausschnitt)
       
       Ganz bewusst am 12. Juni, dem Tag des Schloss-Richtfestes, eröffnete Gerrit
       Engel in der Galerie Sexauer die Ausstellung „Palast. Die Illusion der
       Ewigkeit“. Der Architekturfotograf, der zum 20-jährigen Mauerfall den
       großartigen Bildband „Berlin – Photographien“ mit 234 Porträts städtischer
       Gebäude vorlegte, war der einzige Fotograf, der während des gesamten
       Abrissvorgangs zum Palast der Republik Zugang zum Gebäude hatte.
       
       So entstand in der Zeit von 2006 bis Ende 2009 eine einzigartige Serie
       künstlerischer Fotografien, die „den Abriss von der ersten Schraube bis zum
       letzten Sandkorn dokumentierten“, wie es im Informationsblatt der in
       Weißensee gelegenen Galerie heißt. Oder anders gesagt, eine Serie, die das
       Fensterraster mit der bezeichnenden Leerstelle, wo einst der Ährenkranz mit
       Hammer und Zirkel prangte, genauso auf analogem Film festhielt wie das
       Graffito auf einem letzten Mauerrest, das besagte: „Die DDR hat es nie
       gegeben“.
       
       Das war es, was Gegner des Abrisses befürchteten: dass nicht nur der
       Palast, sondern mit ihm auch ein Teil der jüngeren deutschen Geschichte zum
       Verschwinden gebracht sollte. Den Abriss allerdings, den hat es gegeben.
       Wir beobachten ihn in den Bildern von Engels, die sehr klassisch in
       Eichenholzrahmen gefasst sind. Der Rückbau, wie das im Fachjargon heißt,
       war ein langwieriges Unternehmen.
       
       Der Luxus des Palasts der Republik machte sich auch und gerade beim seinem
       Rückbau bemerkbar. 8.000 Quadratmeter Bronzeglas wurden verschenkt und
       insgesamt 78.000 Tonnen Baumaterialien Stück für Stück abgetragen. Bis die
       beeindruckende Konstruktion des freitragenden Stahlskelettbaus – ein
       Flaggschiff der DDR-Architektur – unübersehbar war. Gerrit Engels
       Palast-Serie unterscheidet sich merklich von der seines Berlinbuchs oder
       der aller Schinkelbauten in Berlin und Potsdam. Dort näherte sich der
       Fotograf sehr nüchtern den Bauten, die er in reduzierter Farbigkeit vor
       einem neutralem weißen Himmel und in gleichmäßiger Schärfentiefe
       fotografierte.
       
       ## Nachgerade festlich
       
       Jetzt dagegen fallen im „Palast #57“ das tiefe Schwarz des mit Wasser
       gefluteten Untergeschosses oder die dunklen, satten Brauntöne des
       korrodierten Baustahls auf, dessen Nietungen wir ganz von Nahem sehen:
       Gerrit Engels ist ins Innere des Bauwerks vorgedrungen – und zu einer
       neuen, nachgerade festlichen Art von Fotografie. Das Innere des Palasts
       erscheint, wie die Aufnahme Nummer 86 zeigt, als riesiger Schiffsbauch. In
       dieser Innerei schaut sich Engel gründlich um, nimmt die
       Konstruktionsdetails der Architektur ins Visier, vor allem aber schaut er
       aus ihr immer wieder hinaus auf die Stadt. Und in der schrittweisen
       Auflösung des Gebäudes bieten sich ihm immer wieder ungewöhnliche
       Perspektiven: „Palast #133“ etwa fokussiert frontal die Nationalgalerie,
       links flankiert vom Alten Museum und rechts vom Französischen Dom.
       
       „Palast #164“ wiederum zeigt zwischen zwei Stahlwänden den Blick auf
       Schinkels Friedrichwerdersche Kirche, den inzwischen längst das Haupttor
       des Schlosses rahmt. Hinter dem mächtigem Tragwerk ist in „Palast #108“
       ganz zart, im Nebel, die Silhouette des Fernsehturms zu erkennen – und in
       den Aufnahmen eine immer wieder tragische Berliner Stadt- und
       Architekturgeschichte.
       
       29 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
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   DIR DDR
       
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