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       # taz.de -- Fragerunde mit CDU-Vorsitz-Kandidaten: Nur Norbert sticht raus
       
       > Laschet, Merz und Röttgen sind in einer Fragerunde nett zueinander. Wer
       > genau hinhört, erfährt Überraschendes über einen Kandidaten.
       
   IMG Bild: Der Neoliberale, der Grüne oder der nette Onkel? Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet
       
       Berlin taz | Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet sitzen am
       Montagabend im Konrad-Adenauer-Haus um einen Tisch. Live, ohne zoom. Dafür
       ist man schon mal dankbar. Sie tun sich nichts Böses, bloß kein offener
       Zwist. Die CDU ist eine harmoniesüchtige Partei, Angriffe auf den
       Konkurrenten verwirren leicht. Die Moderatorin liest Fragen der Basis vor,
       gibt Stichworte und meidet Nachfragen.
       
       Röttgen will die CDU noch immer weiblicher, jünger und digitaler machen.
       Merz betont schneidig, dass er einen Plan für die Zeit nach Merkel hat, und
       lächelt viel. Laschet betont onkelig wie immer, dass er ein Teamplayer ist.
       Er will alles versöhnen, Wirtschaft und Ökologie, Stadt und Land, ein
       wandelnder Vermittlungsausschuss. Alle drei sind für Europa, alle sind für
       die soziale Marktwirtschaft, alle sind für Klimaschutz, den man sich aber
       nicht von den Grünen vorschreiben lassen will. Alle wollen mehr Frauen in
       der CDU, Merz will dafür sogar die Quote ertragen.
       
       In der CDU gibt es zwei Zustände. Entweder den bitteren Krieg, den Merz
       kürzlich bei Streit um den [1][Termin des Parteitages] entfachte oder den
       Normalmodus, in dem man freundlich Argumente austauscht, bei denen alle
       wissen, dass es eigentlich um etwas anderes geht. Denn die CDU, die letzte
       große klassische Volkspartei in Europa, hält nicht der Diskurs im Innersten
       zusammen, sondern die Macht. Programm ist eher Girlande.
       
       Bei der Frage, wo die Union in einer schwarz-grünen Regierung hart bleiben
       muss, gibt es aber doch verschiedene Tönungen. Merz legt die bekannte
       Platte auf, [2][dass die Grünen alles verbieten wollen]. Dieser Schuss saß
       allerdings zum letzten Mal 2013. Armin Laschet nennt zwei konkrete Punkte:
       Innere Sicherheit und Deutschland als Industriestandort. Das zeigt, dass
       das Bild – Merz als Grünen-Schreck, Laschet als pflegeleichter,
       ökokompatibler Merkel-Nachfolger – zu schlicht ist.
       
       ## Röttgen der Öko?
       
       Letzteres wiederum trifft auf Röttgen zu, dem zu den Grünen partout nichts
       Unfreundliches einfällt und der daher lieber noch mal über Digitalisierung
       redet. Laschet verdeckt mit seinem stets verbindlichen Ton, dass er genauso
       oft wie Merz die klassische CDU-Mixtur von gebremst neoliberal und
       konservativ vorträgt. Er fordert Entbürokratisierung, ein klassisches
       FDP-Thema, will am liebsten mit den Liberalen regieren und bloß keine
       Steuererhöhungen wie die SPD.
       
       Der Aufklärung dienlich ist eine Frage am Ende der 90-Minuten-Runde, die in
       Unionskreisen exotisch wirkt: Was kann man gegen die Spaltung in Reich und
       Arm tun? Merz findet, dass es ohne den Flüchtlingsherbst 2015 eine Million
       Hartz-IV-Empfänger weniger gäbe – Schuld an der Armut ist also, zumindest
       zum Teil, wie oft bei Merz – Angela Merkel. Die Null-Zins-Politik enteigne
       die Sparer und gegen Altersarmut hilft, laut Merz, die Rente mit Aktien
       aufzumöbeln. Mit Merz als CDU-Chef bekommen SPD und Linkspartei ihren
       Lieblingsgegner.
       
       Laschet kann das Problem von Arm und Reich nicht erkennen. Seit die
       Arbeitslosigkeit gesunken sei, werde die Schere doch gar nicht größer, sagt
       er treuherzig und wider alle Statistik. Das dürfte Laschets Freund
       Christian Lindner auch so sehen. Merz klingt aggressiver, aber bei der
       sozialen Frage passt zwischen ihn und Laschet an diesem Abend kaum ein
       Bierdeckel.
       
       Nur Röttgen ist bereit die Realität zur Kenntnis zu nehmen. Der Trend sei
       so, Armut oft weiblich, während Kapitalbesitzer gerade in der Pandemie zu
       den Gewinnern gehören. Das sei „eine eklatante Ungerechtigkeit“. Das hätte
       Robert Habeck nicht schöner sagen können. Nur tun könne man gegen
       Krisenprofiteure wie Amazon national leider nichts. Röttgen zu fragen, ob
       denn ein höherer Mindestlohn diese Ungerechtigkeit abmildern könnte, möchte
       die Moderatorin lieber nicht.
       
       Merz lobt den Abend am Ende als Wetterleuchten „einer neuen
       Diskussionskultur in der CDU“, offenbar nach Jahren finsteren Schweigens in
       den Merkel-Jahren. Das ist allzu euphorisch. Zu erkennen ist aber: der
       ökologisch aufgeklärte, liberale CDU-Chef wäre keineswegs Armin Laschet,
       sondern Norbert Röttgen.
       
       15 Dec 2020
       
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