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       # taz.de -- Frauenhaus-Ausbau in Bremerhaven: Kein Geld trotz Zusage und hohem Bedarf
       
       > Der Stadt Bremerhaven fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Auch die
       > dringend benötigte Erweiterung des Frauenhauses wird 2025 nicht
       > realisiert.
       
   IMG Bild: In Bremerhaven mussten schon zahlreiche abgewiesen werden: Eine Frau steht vor einem Frauenhaus
       
       Bremen taz | Der Platz im Frauenhaus Bremerhaven reicht hinten und vorne
       nicht. Allein im April und Mai diesen Jahres wurden 14 gewaltbetroffene
       Frauen, mit ihren Kindern insgesamt 36 Menschen, trotz akuter Bedrohung
       abgewiesen: Alle Betten waren belegt.
       
       „Das ist unheimlich schwer, da abzusagen“, sagt eine Beraterin von der
       zuständigen „Gesellschaft für integrative soziale Beratung und
       Unterstützung“ (GISBU). Man versuche, die Frauen in umliegenden
       Frauenhäusern in Niedersachsen unterzubringen. Viele Frauen kämen auch eine
       Zeitlang bei Familie oder Freundinnen unter, erzählt die Beraterin. Aber
       das sei nicht optimal – der Kontakt verliere sich; was später aus ihnen
       würde, wisse man dann nicht. Notfalls würden auch Pensionen oder Hotels
       angemietet, ergänzt die Gesamtleiterin der GISBU, Gabriela von Glahn, im
       Telefonat.
       
       Eigentlich soll alles besser werden: Seit zehn Jahren setzt sich die
       Zentralstelle für die Gleichstellung der Frau (ZGF) in Bremerhaven für eine
       [1][Erweiterung des Frauenhauses] ein. Vergangenes Jahr dann der Durchbruch
       – die Stadtverordnetenversammlung hat damals beschlossen, dass die Zahl der
       Betten im Frauenhaus von aktuell 17 auf zukünftig 30 Betten steigen soll.
       Die Koalition aus SPD, CDU und FDP hat dabei das Dezernat beauftragt, ein
       Finanzierungskonzept „im Rahmen der Haushaltsaufstellung“ vorzulegen.
       
       Das war Februar 2024. Mittlerweile steht das Konzept im Detail, sogar ein
       passendes Gebäude zur Anmietung ist schon gefunden. Doch es fehlt: das
       Geld. An diesem Donnerstag wurde der Stadthaushalt für das laufende Jahr
       2025 unter großen Anstrengungen beschlossen. 10.000 Euro für das
       Frauenhaus, die die Institution jedes Jahr von der Stadt bekommt, sind auch
       dieses Mal darin berücksichtigt. Aber von dem Ausbau ist im Haushaltsplan
       keine Spur zu sehen.
       
       ## Bremerhaven spart an allen Ecken
       
       Dieser Haushalt, er ist wahrlich kein Vergnügen für die, die ihn erstellen
       und mit ihm gar noch die Zukunft der gebeutelten Stadt gestalten sollen.
       Die sich stetig verschuldende Stadt (den letzten Schuldenschnitt hat das
       Land Bremen 2020 vorgenommen) sollte im Rahmen der Haushaltskonsolidierung
       dieses Jahr 20 Millionen Euro einsparen – eine Auflage des Landes.
       
       Grund- und Gewerbesteuer wollte die Koalition aus SPD, CDU und FDP dafür
       nicht anheben, ansonsten aber hat man zusammengekratzt, was geht: Die
       Gebühren für Stadtbibliothek, das Parken und fürs Kita-Essen steigen, kein
       neues Personal darf eingestellt werden, und [2][freiwillige Aufgaben der
       Stadt wurden gestrichen] – vom Blumenbuketts für Jubiläen (35.400 Euro)
       über einen Zuschuss ans Stadttheater (900.000 Euro) bis zur Inobhutnahme
       von Kindern (3,2 Millionen Euro) wird [3][gespart, bis es knirscht.]
       
       Und dennoch fehlen der Stadt in der Aufstellung noch 50 Millionen Euro.
       Dazu kommt ein Defizit aus dem vergangenen Jahr von über 30 Millionen Euro,
       die im Laufe dieses Jahres irgendwo eingespart und nachgezahlt werden
       müssen. Das Land Bremen müsse noch einmal einspringen, so die Forderung der
       Koalition. Sie hat den Haushalt am Donnerstag beschlossen, obwohl das
       Budget so eigentlich nicht aufgeht.
       
       ## Viel Kritik am Haushalt
       
       Während der Haushaltsdebatte sprechen ein paar Oppositionspolitikerinnen
       die Leerstelle rund um das Frauenhaus an – doch es gibt genug anderes zu
       bemängeln, zu hinterfragen und zu erklären; Magistrat und Vertreter der
       Bremerhavener Deutschland-Koalition antworten auf andere Kritikpunkte – und
       auch so dauert die Debatte um den Haushalt viele Stunden.
       
       Die CDU-Fraktion antwortet am Nachmittag schließlich als einzige auf eine
       entsprechende Anfrage der taz: Natürlich plane man weiterhin den Ausbau des
       Frauenhauses – schließlich gehe auch der beschlossene Antrag von Februar
       2024 auf eine Initiative der Koalition zurück. „Wir wollen auf jeden Fall,
       dass [4][es dem Frauenhaus gut geht“,] so der sozialpolitische Sprecher der
       CDU, Fatih Önal.
       
       Allerdings habe lange ein Konzept gefehlt, etwa um zu klären, wie sich die
       Betten auf die Frauen und deren Kinder in der Berechnung verteilen. Erst
       vor Kurzem wurde ein überarbeitetes Konzept von der GISBU eingereicht. „Ich
       selbst habe es erst Mittwoch bekommen“, so Önal.
       
       ## 2024 war das Geld schon mal bewilligt
       
       Zu spät für den Haushalt also. Allerdings ist die Erklärung nicht ganz
       schlüssig. Denn erstens hatte die Stadtverordnetenversammlung dem Träger
       für das Konzept eine Frist bis in den Juni gewährt – diese Frist wurde
       eingehalten. Und zweitens war das Geld auch ganz ohne Konzept schon einmal
       bewilligt worden: Im Haushalt 2024, der ironischerweise erst im Dezember
       2024 verabschiedet wurde, hatte die Stadt noch 75.000 Euro für den Ausbau
       bereitgestellt. Abgerufen wurden diese Mittel im Dezember nicht mehr –
       übertragen auf das nächste Haushaltsjahr aber eben auch nicht.
       
       „Wir werden versuchen, das in den nächsten Haushalt mit einzuplanen“, so
       Önal nun. 2026 also könnte es etwas werden. Dass der Eigentümer das
       anvisierte Gebäude bis dahin freihalten wird, ist allerdings
       unwahrscheinlich. Zumal jetzt schon klar ist: Die Finanzlage der Stadt wird
       2026 nicht besser. Denn im kommenden Jahr müssen laut Konsolidierungskurs
       statt 20 Millionen wie dieses Jahr sogar 28 Millionen Euro eingespart
       werden.
       
       „Ich glaube schon an den guten Willen der Politiker*innen“, so Kathrin
       Stern, Leiterin der Bremerhavener Gleichstellungszentrale ZGF. „Aber ich
       habe Angst, dass mit diesen großen Herausforderungen die Prioritäten nicht
       richtig gesetzt werden. Es geht um so viele Famillien, die den Platz
       dringend brauchen.“
       
       27 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundesweite-Frauenhaus-Statistik/!5972196
   DIR [2] /Sozialleistungen-auf-dem-Pruefstand/!6057220
   DIR [3] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/haushalt-einsparungen-koalition-bremerhaven-100.html
   DIR [4] /Beirat-zu-Istanbul-Konvention-in-Bremen/!5808591
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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