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       # taz.de -- Frauenrennen von Mailand: Singende Siegerin in San Remo
       
       > Bei der historischen Neuauflage von Mailand-San Remo gewinnt die
       > Niederländerin Lorena Wiebes. Das Rennen geht an die Sprinterinnen.
       
   IMG Bild: Das schöne Genua bildet den Hintergrund des Rennens Mailand-San Remo
       
       Die Neuauflage des Frauenrennens von Mailand nach San Remo nach zwei
       Jahrzehnten Pause erlebte ein glorreiches Finale. Auf der Via Roma fasste
       sich Elisa Longo Borghini ein Herz und stürmte in den Farben der
       italienischen Landesmeisterin voran. Die Attacke war gut gesetzt.
       
       Hinter ihr nahm allerdings die amtierende Weltmeisterin und große Favoritin
       [1][Lotte Kopecky] das Heft des Handelns in ihre Hand. 100 Meter vor dem
       Ziel war zur Enttäuschung der einheimischen Fans die Lokalmatadorin
       gestellt. Und Kopeckys Teamkollegin Lorena Wiebes sorgte im Trikot der
       Europameisterin für den Sieg. Gefährlich nahe kam noch Altmeisterin
       Marianne Vos auf. Der 37-jährigen Niederländerin blieb aber nur der zweite
       Platz.
       
       Für alle Glorienschreiber ist das etwas schade. Denn Vos fuhr bereits
       Rennen, als es die Primavera Rosa noch gab. Das fungierte zwischen 1999 und
       2005 als Frauenrennen von Mailand nach San Remo. Start war in Varazze an
       der ligurischen Küste, 116 Kilometer von San Remo entfernt. Und immerhin
       einen deutschen Sieg von [2][Trixi Worrack] im Jahr der letzten Austragung
       gab es zu feiern.
       
       Danach war zwei Jahrzehnte Pause. Rennveranstalter RCS hatte recht
       kurzfristig im Januar 2006 die weitere Austragung abgesagt. Und während
       andere Veranstalter von Männerklassikern auch den weiblichen Radprofis
       Startmöglichkeiten gaben – die Flandernrundfahrt ab 2004,
       Lüttich–Bastogne–Lüttich ab 2017, schließlich ab 2020 [3][Paris–Roubaix] –,
       führte RCS lieber E-Bike-Varianten für den Giro d’Italia der Männer ein,
       anstatt Ressourcen für eine neuerliche Frauenausgabe des längsten
       Frühjahrsklassikers bereitzustellen.
       
       ## Revival
       
       Vos immerhin erlebte jetzt das Revival. „Es ist fantastisch, das Rennen
       jetzt auch in unserem Kalender zu haben“, meinte sie. Als historischen
       Moment bewertete gar Longo Borghini die Rückkehr des wichtigsten
       italienischen Eintagesrennens. Sie dachte dabei nicht nur an sich selbst.
       
       „Für eine Fahrerin wie mich wird es sicher schwer, hier zu gewinnen. Zu
       viele Frauen mit den ganz schnellen Rädern werden gut über den Poggio
       kommen“, lautete ihre Prognose, die mit dem Ergebnis der
       Sprintspezialistinnen Wiebes und Vos auf den Plätzen 1 und 2 ja auch
       eintraf. „Es freut mich vor allem für die jungen Mädchen, die
       Radsportlerinnen werden wollen und jetzt Mailand–San Remo im Herzen
       tragen“, blickte sie auf die Jahrgänge nach ihr.
       
       ## Stolz und enttäuscht
       
       Die italienische Meisterin gab ihnen auch gleich ein gutes Beispiel. Obwohl
       das Profil des Rennens der exzellenten Kletterin nicht auf den Leib
       geschrieben ist, startete sie eben 3 Kilometer vor dem Ziel ihre Attacke.
       „100 Meter vor dem Ziel gestellt zu werden, ist dann sehr bitter. Ich habe
       aber meine Karten ausgespielt“, bilanzierte sie halb stolz, halb bitter
       enttäuscht. Kämpferisch kündigte sie an: „Das nächste Mal bekommen die mich
       nicht mehr.“
       
       Vielleicht hören die Ausrichter dann auch auf Stimmen im Peloton. Einigen
       Klassefrauen war das Rennen vor allem am Poggio nicht hart und vor allem
       die Distanz nicht lang genug. Sie war mit 156 Kilometern (vom Startort
       Genua aus, sozusagen dem alternativen Mailand) zwar deutlich länger als das
       Vorgängerrennen. „Wir können aber sicher mehr als 200 Kilometer fahren. Die
       tolle Sache bei den Männern ist ja die Distanz. Die erst macht den Poggio
       hart für sie. Wir allerdings kamen alle ziemlich frisch dort an“, meinte
       die bergfeste Niederländerin [4][Puck Pieterse], die beim Sprintfestival
       auf der Via Roma immerhin auf Platz 10 einkam.
       
       ## Deutsche spielten keine Rolle
       
       Anderseits können die kletterstarken Frauen aber auch die Taktik des
       slowenischen Überradlers Tadej Pogacar übernehmen. Dessen Team machte schon
       beim Anstieg davor, der Cipressa, derartigen Druck, dass sich ihr Kapitän
       mit nur zwei weiteren Fahrern im Rücken absetzen konnte. Dieses Trio machte
       dann den Sieg unter sich aus. Pogacar wurde Dritter im Sprint hinter
       Ex-Weltmeister Mathieu van der Poel und Bahnolympiasieger Filippo Ganna.
       
       Deutsche Sportlerinnen und Sportler spielten beim Doppelevent für beide
       Geschlechter keine Rolle. Liane Lippert hatte Pech mit einem Kettenschaden
       im Finale und wurde 14. Maximilian Schachmann passierte bei den Männern im
       großen Verfolgerfeld auf dem 33. Rang die Ziellinie.
       
       23 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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