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       # taz.de -- Frauensolidarität per Telegram: Selbsthilfe gegen Mackerverhalten
       
       > Per Telegram-Gruppe vernetzen sich in Bremen belästigte Frauen*. Lotta
       > fand so heraus, dass der Mann, der sie stalkte, ein Wiederholungstäter
       > war.
       
   IMG Bild: Mancher Stalker finden es attraktiv, wenn Frauen ihre Stacheln ausfahren
       
       Bremen taz | Letztes Jahr im Sommer war Lotta mit ein paar Freund*innen
       in einer [1][Bar im Bremer Viertel] und kam dort mit einem Mann ins
       Gespräch. „Dieser Typ hat mich angeschnackt und hat mich provoziert und
       gegen Ausländer und Geflüchtete gewettert. Und ich war betrunken und hatte
       irgendwie auch Spaß daran, mit ihm zu diskutieren“, erzählt sie. „Ich habe
       ziemlich heftig diskutiert und mich aufgeregt.
       
       Und da hat er mich schon so angemacht und gesagt: ‚Es ist so süß, wenn du
       dich aufregst, Honey, das ist so sweet.‘ Und ich habe immer gesagt: ‚Lass
       es.‘ Und er hat es nicht gelassen. Und dann hatte ich irgendwann keinen
       Bock mehr und habe gesagt: ‚Ich habe keinen Bock mehr, mit dir zu reden.‘
       Und bin mit meiner Gruppe gegangen.“
       
       Der Mann verließ die Bar. Später, als Lotta mit dem Fahrrad nach Hause
       fahren wollte, fuhr sie zufällig an ihm vorbei. Der Mann stieg auf sein
       Fahrrad und folgte ihr. Am Anfang rief er ihr nur hinterher. Lotta wollte
       ihn abwimmeln, sie war müde und betrunken und wollte nach Hause. Er wollte
       aber unbedingt ein Gespräch anfangen. Sie sagte, er solle sie in Ruhe
       lassen.
       
       Als sie fast zu Hause war, wollte sie nicht, dass er weiß, wo sie wohnt.
       Sie blieb an einer Kreuzung stehen, woraufhin er sich ihr mit seinem
       Fahrrad in den Weg stellte. „Ich habe mehrmals gesagt: Jetzt lass mich doch
       einfach nach Hause gehen, ich will keinen Kaffee mit dir trinken, ich will
       dich nicht kennenlernen, lass mich in Ruhe.“
       
       ## Der Mann lässt nicht locker
       
       Er gab nicht nach.
       
       „Jetzt geh mir aus dem Weg, du stehst vor meinem Fahrrad.“
       
       Er sagte: „Wenn du mir deine Handynummer gibst, dann gehe ich.“ Um ihn
       loszuwerden, gab sie ihm schließlich ihr Handy und forderte ihn auf, dort
       seine Nummer einzutippen. Er tippte sie ein und rief sich selbst an. Auch
       wenn das ein bekannter Trick ist, hatte Lotta in dem Moment nicht damit
       gerechnet. Sie sagt, dass sie mit so etwas aber auch nicht rechnen müssen
       will.
       
       Lotta fuhr nach Hause, der Mann schickte ihr viele Nachrichten auf jedem
       ihrer aktiven Kanäle und Messenger. Er schrieb Sachen wie „Ich hätte dich
       schon nicht vergewaltigt, ich will ja nicht in den Knast gehen“. Nachdem
       sie ihn blockiert hatte, begann er, Freund*innen von ihr zu schreiben,
       mit denen sie an dem Abend in der Bar gewesen war und die er auf Instagram
       identifiziert hatte. Er erstellte sogar einen Fake-Account, um zu ihr
       Kontakt aufzubauen.
       
       „Es fühlt sich halt scheiße an“, sagt Lotta.
       
       Wenige Wochen später erzählte ihr ein Freund von einer Telegram-Gruppe, in
       der sie ihr Erlebnis teilen könnte. Die Gruppe beschreibt sich als
       Frauen*-Support-Gruppe für Bremen und Umgebung und hat das Ziel, Personen,
       die sich als Frauen* definieren und die übergriffige Situationen erlebt
       haben, einen sicheren Ort zur Vernetzung zu bieten.
       
       Die Telegram-Gruppe ist also eine Graswurzel-Organisation, ihr Ziel ist es,
       in Bremen eine Masse von Personen zu bilden, die einander unterstützen und
       gegen sexualisierte Gewalt einstehen. Die Gruppe hat momentan rund 600
       Teilnehmer*innen.
       
       ## Der Stalker war kein Unbekannter
       
       Als Lotta in der Gruppe berichtete, was ihr widerfahren war, stieß sie
       nicht nur auf Mitgefühl, sondern auch auf andere Frauen, die von demselben
       Mann belästigt worden waren. Jedoch waren nur wenige von ihnen gewillt,
       weiter gegen ihn vorzugehen. Die meisten hatten mit dem Erlebnis
       abgeschlossen.
       
       Lotta nicht: Sie hat Kontakt zu einer Anwältin aufgenommen und sich an den
       [2][Opferverband „Weißer Ring“] gewandt, der ihr in der Telegram-Gruppe
       empfohlen worden war. Sie will versuchen, ihren Belästiger anzuzeigen.
       
       Lotta empfindet die Gruppe als Gedankenanstoß: „Wenn etwas berichtet wird,
       kann die Person, die es liest, direkt auf sich aufpassen. Sich daran
       erinnert fühlen: Die Welt ist doch nicht so sicher, wie ich glaube.“ Die
       Gruppe sei ein „Resonanzraum für Solidarität – von Leuten, die wissen, wie
       sich das anfühlt“.
       
       4 Apr 2021
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Youtube-Serie-Hazel--Thomas/!5691388
   DIR [2] /Opferhilfe-Weisser-Ring-in-Luebeck/!5663549
       
       ## AUTOREN
       
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