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       # taz.de -- Fridays for Future: Gegen die leeren Versprechen
       
       > Aktivist*innen rufen auf der ganzen Welt zum Klimastreik auf. Der
       > Austausch mit dem Globalen Süden hat die Bewegung in Deutschland
       > verändert.
       
   IMG Bild: Globaler Klimastreik im September 2020, hier in Neu-Delhi vor dem indischen Umweltministerium
       
       Berlin taz | Mit Massendemonstrationen, die nicht wie Massendemonstrationen
       daherkommen dürfen, hat Fridays for Future (FFF) inzwischen Erfahrung. Am
       Freitag können die Aktivist*innen sie erneut unter Beweis stellen:
       Weltweit haben sie für diesen Tag zum Protest aufgerufen. Es soll der
       dritte globale Streik werden, der [1][unter den Bedingungen der
       Coronapandemie] stattfindet, und der siebte insgesamt.
       
       Dass der Streiktag ausgerechnet in eine so brenzlige Phase der Pandemie
       fallen würde – [2][eine dritte Welle mit sich verbreitenden Mutationen] –,
       sei nicht absehbar gewesen, als die Aktivist*innen sich im Dezember für
       den Termin entschieden, sagt FFF-Sprecherin Carla Reemtsma. Allerdings war
       die Lage in Deutschland auch im Dezember alles andere als entspannt, der
       Sieben-Tage-Mittelwert der gemeldeten Neuinfektionen bewegte sich kurz vor
       Weihnachten bei 25.000.
       
       Warum sie dennoch an dem Termin festhalten, begründen die
       Aktivist*innen außer mit der Dringlichkeit der Klimakrise auch mit
       ihrer globalen Vernetzung. Vor allem den Gruppen aus dem Globalen Süden sei
       es ein Anliegen gewesen, zeitnah wieder koordiniert auf die Straße zu
       gehen. Da die „Mapa“ (kurz für [3][„Most affected people and areas“], auf
       Deutsch: am stärksten betroffene Menschen und Regionen) im weltweiten
       Netzwerk aufgrund mangelnder Privilegien schwächer vertreten seien, sei es
       ein gemeinsames Anliegen, ihnen Sichtbarkeit zu verschaffen, sagt Reemtsma.
       „Ihr Kampf muss an vorderster Stelle stehen.“
       
       Das Motto des Streiktags lautet dieses Mal „No more empty promises“, also
       „Keine leeren Versprechen mehr“. Das Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende
       des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen, oder Maßnahmenpakete wie der
       Recovery- und Transformationsfonds auf EU-Ebene verkämen immer mehr zu
       hohlen Phrasen, kritisiert Fridays for Future. Im Rahmen der
       Corona-Konjunkturhilfen flössen hohe finanzielle Summen in fossile
       Energieträger und andere klimaschädliche Wirtschaftsbereiche.
       
       ## Nur 2,5 Prozent der Wirtschaftshilfen in grüne Erholung investiert
       
       Das bestätigt auch [4][eine Studie der britischen Universität Oxford und
       des UN-Umweltpogramms Unep,] die vergangene Woche veröffentlicht wurde: Von
       den insgesamt etwa 14,6 Billionen Dollar an Wirtschaftshilfen in der
       Coronakrise investierten die 50 wirtschaftlich stärksten Länder der Welt
       2020 nur etwa 2,5 Prozent in eine grüne Erholung.
       
       Derweil, so argumentiert FFF, rissen die Schreckensnachrichten über das
       Klima nicht ab, sie würden lediglich von denen überlagert, die die Pandemie
       betreffen. Das stimmt – so war etwa das vergangene Jahr das wärmste jemals
       gemessene in Europa und die Treibhausgas-Emissionen lagen im Dezember 2020
       trotz Pandemie deutlich über denen vom Dezember 2019. „Wir dürfen nicht
       zulassen, dass das Thema hinter der Pandemie verschwindet“, sagt Reemtsma.
       Mit den richtigen Hygienekonzepten und kreativen Aktionsformen sei es
       selbstverständlich möglich, zu protestieren und gleichzeitig Abstände
       einzuhalten.
       
       So wollen die Aktivist*innen wie schon beim letzten globalen Streik am
       25. September versuchen, auch ohne Großdemonstrationen beeindruckende
       Bilder für Medien und Öffentlichkeit zu erzeugen. Ob der Tag ein Erfolg
       werde, könne man nicht an der Anzahl der Personen festmachen, die auf die
       Straße gingen, sagt Reemtsma. In über 200 deutschen Städten seien
       Fahrraddemos, Baumpflanzungen und andere Aktionen geplant. Es sei schon ein
       Erfolg, in solchen Zeiten überhaupt einen weltweit abgestimmten Aktionstag
       zu starten.
       
       Derweil drückt das Motto, das die Aktivist*innen dieses Mal gewählt
       haben, auch eine Entwicklung in der Bewegung aus. In ihren Anfangszeiten
       2019 hatten sie oft betont, wütend zu sein, weil die ältere Generation
       ihnen die Zukunft klaue. Oder sie sagten, dass es keinen Sinn mache, zur
       Schule zu gehen, wenn es ohnehin keine Zukunft gebe. Jetzt dreht sich ihr
       Diskurs stärker um die Gegenwart.
       
       Der Austausch mit Aktivist*innen im Globalen Süden, deren Lebensräume
       schon längst akut von der Klimakrise beeinträchtigt werden, dürfte das
       Bewusstsein dafür gestärkt haben, dass der Klimawandel keine Zukunftsfrage
       mehr ist. Außerdem spricht aus dem Slogan die Frustration, von
       Politiker*innen gern zu PR-Terminen eingeladen zu werden, aber nie
       handfeste Zugeständnisse zu bekommen.
       
       19 Mar 2021
       
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