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       # taz.de -- Fridays for Future in Moskau: Einsam gegen den Wandel
       
       > Protestierende haben es in Russland nicht einfach, auch nicht, wenn es
       > ums Klima geht. Student Arschak Makitschija kämpft zur Not auch allein.
       
   IMG Bild: Protest ist erlaubt, aber nur allein und nicht überall: Arschak (l.) mit Sicherheitsleuten
       
       Moskau taz | Zum 37. Mal bricht Arschak Makitschian zu einer Klimawache in
       Moskau auf. Meistens ist der 25jährige Aktivist allein. Die Behörden
       verweigern regelmäßig Genehmigungen für mehrere Teilnehmende. Viel mehr als
       20 oder 30 Demonstrierende beteiligten sich ohnehin nie an dem Protest,
       meint er.
       
       In Russland hat der Klima-Widerstand noch lange nicht die Dimensionen des
       Westens erreicht. Wohl auch deswegen sei der Genehmigungsantrag immer eine
       aufwendige Prozedur, sagt Arschak. Im März entschied sich der
       Violine-Student, die FFF-Bewegung in Russland aufzubauen. Er war der erste
       Aktivist im Land, der sich der weltweiten Bewegung anschloss.
       
       Arschak Makitschian ist hartnäckig. Ob bei Sturm, Regen oder brennendem
       Sonnenschein er bezieht jede Woche Posten. Ein-Mann-Mahnwachen sind in
       Moskau nicht genehmigungspflichtig.
       
       In letzter Zeit wird er dennoch immer häufiger an Orte verbannt, wo er mit
       selbstgemalten Klimabannern nur gelegentlich auf aufmerksame Passant!nnen
       trifft. „Neulich übernahm eine ältere Frau spontan eine Wache“, freut sich
       Arschak. Dass er auch weiterhin dicke Bretter bohren muss, schreckt ihn
       nicht ab.
       
       ## Langsame Veränderung
       
       Ein Demonstrant hat es in Russland nicht leicht. Sich gegen die Freisetzung
       von Treibhausgasen einzusetzen, macht die Angelegenheit nicht einfacher.
       
       Lange wurden Umweltschäden in Moskau nicht ernst genommen. Abfall und Dreck
       entsorgten Staat und Bürger dorthin, wo man sie in dem riesigen Land nicht
       auf Anhieb findet. Das Verhalten ändert sich, jedoch nur langsam.
       
       Der Klimawandel ist ein besonderer Fall. Der Unterschied zwischen Klima und
       Wetter ist vielen nicht geläufig. Erwärmt sich das Klima, können
       Wetterbedingungen ungemütlich bleiben. Wo es bitterkalt ist, wird auch ein
       bisschen mehr Wärme begrüßt. Das hemmt Einsichten, meinen Aktivist!nnen.
       
       ## Einseitige fossile Abhängigkeit lähmt
       
       Erschwerend kommt hinzu: Russland lebt vom Öl- und Gasexport. Ein Feldzug
       gegen fossile Brennstoffe träfe das Land am Nerv. Sinkt der Verbrauch,
       hätte das auch wirtschaftlich und politisch einen Einflussverlust zufolge.
       
       Präsident Wladimir Putin warnte Mitte November auf einer
       Investitionskonferenz der russischen VTB Bank in Moskau, den fossilen
       Energiesektor nicht abzuschreiben. Die Menschheit würde in „Höhlen enden“,
       weil sie nichts mehr konsumieren wolle, meinte Putin dramatisch. Ohne
       Brennstoffe, Atomenergie und Wasserkraft sei die Zivilisation nicht
       überlebensfähig, lautete sein Fazit. Der Umstieg auf erneuerbare Energien
       bereitet dem Kreml Sorge. Technikbegeisterte russische Autofahrer erfahren
       offiziell denn auch kaum etwas über elektro-und wasserstoffbetriebene
       Entwicklungen.
       
       Russland hat im Oktober nach längerem Zögern dennoch die Pariser
       Klimacharta unterzeichnet. Aktivist!nnen bleiben skeptisch. Bislang werden
       die grünen Lungen in Sibirien mit der CO2-Belastung verrechnet. In den
       letzten Jahren brennen dort in den trockenen Sommern jedoch tausende
       Quadratkilometer Wald ab, die nun als Speicher des Treibhausgases fehlen.
       
       Arschak beweist unterdessen langen Atem. Er gibt nicht auf. „Viele unserer
       Aktivisten gehen ein paar Mal zu Mahnwachen und schauen dann in den
       Westen“, sagt er. „Wir können der Klimakrise in Russland jedoch nicht
       entfliehen“. Wie das Orchester auf der Titanic möchte der Geiger auf keinen
       Fall enden. Spielend ging es unter, sagt er noch.
       
       29 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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