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       # taz.de -- Friedensdemo in Berlin: Pfiffe für das Wort „Angriffskrieg“
       
       > Bei der Friedensdemo im Berliner Tiergarten ist BSW-Gründerin Sahra
       > Wagenknecht die Umjubelte – ganz im Gegensatz zu SPD-Mann Ralf Stegner.
       
   IMG Bild: Ralf Stegner hatte auf der Friedensdemo wenig zu lachen
       
       BERLIN taz | Wenigstens von dem Nieselregen hat [1][Ralf Stegner] auf der
       Bühne nichts abbekommen. Das dürfte aber zu dem wenigen Erfreulichen
       gehören, das der SPD-Bundestagsabgeordnete von seinem Auftritt auf der
       bundesweiten Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin mitnimmt.
       Zunächst noch mit freundlichem Applaus begrüßt, wandelte sich die Stimmung
       schnell. „Wir haben in der Ukraine einen russischen Angriffskrieg“, sagte
       Stegner direkt zu Beginn seiner Rede – was mit wütenden Pfiffen quittiert
       wurde.
       
       Als Stegner dann auch noch der Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung
       zubilligte und sich für eine humanitäre wie auch militärische deutsche
       Hilfe für das geschundene Land aussprach, ertönten ohrenbetäubende Buhrufe.
       „Aufhören“, schallte es ihm entgegen, worauf er seine Rede unterbrechen
       musste. Stegners eindringlichem Appell nach mehr Diplomatie hörten viele
       schon nicht mehr zu. „Die SPD war und ist Teil der Friedensbewegung“, sagte
       er zum Schluss trotzig – und erntete lautstarkes Lachen. Seine Hoffnung,
       dass viele SPD-Mitglieder an der Demo teilnehmen würden, erfüllte sich
       offensichtlich nicht.
       
       Dass der Sozialdemokrat keinen leichten Stand haben würde, war allerdings
       absehbar gewesen. Organisiert wurde die Demo von der Initiative „Nie
       wieder Krieg – die Waffen nieder“, einem zehnköpfigen Kreis um die
       Alt-Friedensbewegten [2][Reiner Braun] und [3][Willi van Ooyen]. Für
       heftige Diskussionen hatte im Vorfeld gesorgt, dass der von der Initiative
       verfasste zentrale Aufruf allzu deutlich die Handschrift des Bündnisses
       Sahra Wagenknecht (BSW) trägt.
       
       So wird darin nicht einmal benannt, wer wen angegriffen hat. Auch die
       Forderungen nach einem Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine oder
       nach Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweiger:innen und
       Deserteur:innen aus Russland, Belarus und der Ukraine in Deutschland
       und der EU fehlten. Das könnte daran gelegen haben, dass die Mehrzahl der
       Veranstalter:innen mit der neuen Partei sympathisieren oder, wie etwa
       die Berliner BSW-Landesgeschäftsführerin Wiebke Diehl, Mitglied sind. Diehl
       war eine der beiden Moderatorinnen der Abschlusskundgebung.
       
       ## Drei Demozüge zur Siegessäule
       
       Bereits im Februar 2023 hatte der Kern der Initiative eine von
       Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Friedensdemo in Berlin mit bis
       zu 29.000 Teilnehmer:innen organisiert. Zu einer Nachfolgedemo im
       November 2023 kamen etwa 10.000 Menschen – ebenfalls mit Wagenknecht als
       Hauptrednerin, die auch diesmal wieder vielumjubelt dabei war.
       
       25.000 Teilnehmer:innen hatten die Organisator:innen 2024
       angemeldet. „Wir sind jetzt schon mehr als 42.000 Menschen und es kommen
       immer mehr dazu“, sagte Reiner Braun zu Anfang der Abschlusskundgebung.
       Eine sehr wohlwollende Schätzung. Die Polizei bezifferte die Anzahl auf
       unter 10.000. Was zu gering geschätzt sein dürfte.
       
       In drei Demozügen waren die Teilnehmer:innen am Mittag vor die
       Siegessäule im Berliner Tiergarten gezogen. Links von der Bühne hatten die
       DKP, die MLPD und diverse andere kleine linken Gruppen ihre Stände
       aufgebaut. Die Junge Welt verteilte ihre Wochenendausgabe mit der Beilage
       „75 Jahre DDR“. Rechts von der Bühne standen, gut beschützt von der
       Polizei, ein paar Gegendemonstrant:innen. „Eure Friedenstauben sind nur
       Russenbroiler“ stand auf ihrem Transparent.
       
       Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der die Menge mit „Grüß Gott“ begrüßte,
       wurde freundlicher als Stegner aufgenommen. „Ich habe noch nie in meinem
       Leben auf einer Demonstration der Friedensbewegung gesprochen“, sagte er.
       „Jeder weiß, dass Russland nicht zu den Waffen hätte greifen dürfen, da
       braucht man nicht zu diskutieren“, sagte der Nationalkonservative in
       Richtung derjenigen, die bei dem Sozialdemokraten noch gepfiffen hatten.
       Das taten sie bei Gauweiler nicht, da er schnell hinzufügte, dass
       Schuldzuweisungen den Konflikt in der Ukraine nicht lösen würden.
       
       ## Wagenknecht respektiert Stegner
       
       Frenetischen Applaus erntete schließlich Wagenknecht, die wie üblich scharf
       die Bundesregierung und die Ampelparteien geißelte. Die grüne
       Außenministerin Annalena Baerbock sei ein „Sicherheitsrisiko für
       Deutschland“, ätzte sie und forderte „ein Bataillon der
       Kriegstüchtigkeits-Maulhelden“. Dann könnten Marie-Agnes Strack-Zimmermann,
       Anton Hofreiter und der CDU-Mann Roderich Kiesewetter „sich mal beweisen“.
       Vor Stegner aber habe sie „großen Respekt“, weil er auf der Demonstration
       aufgetreten sei, sagte Wagenknecht. Auch wenn sie vieles von dem, was er
       sagte, nicht teile.
       
       Mehrere im Vorfeld angefragte Redner:innen hatte ihre Teilnahme
       abgesagt, darunter der DFG-VK-Bundessprecher Jürgen Grässlin und die
       Ex-EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann.
       
       3 Oct 2024
       
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   DIR Pascal Beucker
       
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