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       # taz.de -- Friendsaktivist über US-Nahostpolitik: „Siedlungen sind größtes Hindernis“
       
       > Brian Reeves von der israelischen Friedensorganisation Peace Now
       > kritisiert die erneute Einmischung der USA in die israelische Politik.
       
   IMG Bild: Israelische Expansion: Siedlung Ramat Givat Zeev im Westjordanland
       
       taz: Die USA wollen [1][Siedlungen im Westjordanland künftig nicht mehr als
       illegal betrachten]. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie das hörten? 
       
       Brian Reeves: Ein Angriff auf die Zweistaatenlösung, dachte ich. Indem die
       USA sagen, dass Siedlungen in Ordnung sind, geben sie grünes Licht für den
       weiteren Siedlungsbau und geben Israel die Möglichkeit, in Verhandlungen
       weit mehr zu fordern, als die PalästinenserInnen jemals würden akzeptieren
       können. Israel kann den Siedlungsbau noch schneller vorantreiben bis zu
       einem Punkt, an dem es für wen auch immer in der Regierung nahezu unmöglich
       sein wird, die Entwicklungen rückgängig zu machen.
       
       [2][US-Außenminister Mike Pompeo] sagte auch, dass dies ein Schritt in
       Richtung Konfliktlösung sei. 
       
       Das ist einfach absurd. Siedlungen sind noch immer eines der größten
       Hindernisse im Friedensprozess.
       
       Welche Auswirkungen hat der Siedlungsbau auf das Leben der
       PalästinenserInnen? 
       
       Es hat zum Beispiel enormen Einfluss auf die Bewegungsfreiheit. Es gibt im
       Westjordanland 165 Inseln, die A- oder B-Gebiete sind, also mehr oder
       weniger unter palästinensischer Verwaltung stehen. Um von Insel zu Insel zu
       gelangen, muss man allerdings durch das israelisch kontrollierte C-Gebiet,
       was wiederum bedeutet, dass man Checkpoints passieren muss.
       
       Angenommen, eine Palästinenserin möchte von Ramallah nach Hebron, dann ist
       sie auf den guten Willen Israels angewiesen. Lebt man als PalästinenserIn
       im israelisch kontrollierten C-Gebiet, dann ist es nahezu unmöglich, eine
       Baugenehmigung zu bekommen, um ein Haus für seine Familie bauen zu können.
       
       Und wie beeinflusst der Siedlungsbau die Arbeitsbedingungen und die
       Wirtschaft? 
       
       Nehmen wir an, du willst eine Firma aufmachen, die Marmorsteine bearbeitet
       – eins der lukrativsten Unternehmen in diesem Teil der Welt. Recht
       wahrscheinlich ist, dass die Mine selber im C-Gebiet liegt. Denn das
       C-Gebiet macht 60 Prozent der Fläche aus, und für gewöhnlich liegen dort
       auch die Ressourcen. Du lebst aber in Ramallah. Also brauchst du eine
       Genehmigung, C-Gebiet betreten zu dürfen.
       
       Außerdem brauchst du eine Baugenehmigung und eine Genehmigung, das
       Unternehmen eröffnen zu dürfen. Es ist ausgesprochen unwahrscheinlich, dass
       du all diese Genehmigungen bekommst, während ein israelisches Unternehmen
       längst ohne Probleme seine Arbeit aufnehmen kann. In einer Fabrik im
       Industriegebiet einer Siedlung werden dann SiedlerInnen angestellt. Und so
       wächst die Siedlung ökonomisch und in der Fläche, während die
       palästinensische Wirtschaft immer weiter den Bach runtergeht.
       
       Was sind die Forderungen von Peace Now? 
       
       Die Grundidee der letzten Pläne zum Friedensprozess ist, dass die meisten
       SiedlerInnen die Westbank nicht verlassen müssten. Stattdessen soll es
       Austausche von Land geben auf der Basis der Grenzen von 1967. In der
       Westbank leben derzeit etwa 430.000 SiedlerInnen, nur 150.000 von ihnen
       müssten evakuiert werden. Sie würden kompensiert werden, mit 250.000 bis
       500.000 Dollar. Wenn Israel allerdings, wie Netanjahu das angekündigt hat,
       das Jordantal annektiert, dann sind das 21 Prozent des Westjordanlandes.
       Und die israelische Verwaltung diskutiert natürlich nicht, wie viel und
       welches Land stattdessen an die Palästinenser geht.
       
       Israel hat noch immer keine Regierung und steuert auf eine dritte Wahl zu.
       Was bedeutet die veränderte Haltung Amerikas für den
       Regierungsbildungsprozess? 
       
       Es sieht so aus, als würden sich die USA auch diesmal in die israelischen
       Wahlen einmischen. Erinnern wir uns, direkt vor der Wahl im April hat Trump
       die Annexion der Golanhöhen anerkannt. Dieses Manöver nun, das die USA ganz
       klar auf Seiten Netanjahus zeigt, kommt zwei Tage, bevor Gantz sein Mandat
       zurückgeben muss. Wären die USA wirklich daran interessiert, sich nicht in
       die Wahlen einzumischen, gerade jetzt, wo sie dafür kritisiert worden sind,
       hätten sie einfach ein paar Tage mit der Ankündigung warten können.
       
       Wie optimistisch sind Sie, dass es irgendwann einmal Frieden gibt? 
       
       Sagen wir so: Es ist zwar alles in den letzten zehn Jahren schlimmer
       geworden, aber das kann unter guter Führung rückgängig gemacht werden.
       Benny Gantz ist zwar nicht die große Hoffnung, die sich die Linke gewünscht
       hat. Aber ich bin zuversichtlich, dass er, sollte er Ministerpräsident
       werden, sich mit der palästinensischen Führung treffen wird und mit bestem
       Willen eine Zweistaatenlösung verhandeln wird. Und gerade sind wir an einem
       Punkt, an dem die Chance auf eine neue Regierung da ist.
       
       NaN NaN
       
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