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       # taz.de -- G20 und Klima: Die Welt ist noch nicht gerettet
       
       > Der G20-Gipfel endet mit einer klaren Botschaft: Selbst ein US-Präsident
       > hat nicht die Macht, den Kampf gegen den Klimawandel aufzuhalten.
       
   IMG Bild: Das G20-Abschlussdokument ist kein Schritt nach vorn, aber immerhin auch keiner zurück
       
       Hamburg taz | Wäre Donald Trump nicht US-Präsident, wäre folgende Nachricht
       eine schlechte: Der G20-Gipfel in Hamburg hat keine Fortschritte im
       Klimaschutz gebracht. Aber eben auch keinen Rückschritt. Und in Zeiten von
       Trump ist schon Stillstand ein Erfolg.
       
       Das Treffen der zwanzig ökonomisch mächtigsten Staaten der Welt ist am
       Nachmittag zu Ende gegangen – und hat den US-Präsidenten weitgehend
       isoliert. Der Rest der Welt bekennt sich im Schlussdokument
       unmissverständlich zum Klimaschutzabkommen von Paris, mit dem sich im
       Dezember 2015 alle Staaten der Welt verpflichtet haben, die Erderwärmung
       auf „deutlich unter zwei Grad“ zu begrenzen.
       
       Man könnte es die Geburt der G19 nennen. Im 15-seitigen Communiqué des
       Gipfels wird festgehalten, dass die USA aus dem Klimaschutzabkommen von
       Paris aussteigen. Das allerdings war ohnehin bereits klar. Dann heißt es:
       „Die Staats- und Regierungschefs der anderen G20-Staaten bekennen, dass das
       Paris-Abkommen unumkehrbar ist.“ Zwar erklärte der türkische Präsident
       Recep Tayyip Erdoğan unmittelbar nach dem Gipfel, dass sein Land das
       Paris-Abkommen nicht ratifizieren werde, weil nach dem US-Ausstieg eine
       „neue Situation“ entstanden sei. Doch zumindest auf dem Papier steht der
       US-Präsident allein da.
       
       Trump hat dafür seine Extrawurst in einem separaten Abschnitt bekommen.
       Darin steht, dass die USA gerne anderen Ländern helfen wollen „einen Zugang
       zu fossilen Energien zu bekommen und sie sauberer und effizienter zu
       nutzen“. Der Satz war von den europäischen G20-Staaten nicht gewollt, denn
       eigentlich müssten fossile Energien aus dem Energiemix der Welt
       verschwinden.
       
       Merkel misst der Aussage allerdings keine große Bedeutung bei. Er sei kurz
       vor Schluss extra noch umformuliert worden, um deutlicher zu machen, dass
       dies allein die Position der USA sei. „Das ist nicht unsere Meinung“,
       betonte Kanzlerin Angela Merkel in ihrer abschließenden Pressekonferenz.
       
       ## Zu wenig Mittel gegen den Hunger
       
       Dass Erdoğan ihr kurze Zeit später in den Rücken fallen würde, wusste die
       Kanzlerin noch nicht, als sie betonte, sie sei „sehr froh“, dass beim
       Bekenntnis zum Paris-Abkommen „alle gegen die Vereinigten Staaten“ ständen.
       
       In diesem Punkt stimmten Umweltorganisationen der Kanzlerin zu. Dass die
       übrigen 19 Teilnehmer sich klar zu Paris bekannt und Trump damit isoliert
       hätten, sei ein positives Signal, hieß es bei Greenpeace, WWF und
       Germanwatch gleichermaßen. Bedenklich sei der Versuch der USA, ein
       Bekenntnis zu fossilen Energiequellen ins Abschlussdokument zu bringen,
       sagte Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals der taz. „Zum Glück ist es
       gelungen, das einigermaßen einzudämmen.“
       
       Unzufrieden äußerten sich die Umweltverbände, dass die Zusage einer
       schnellen Umsetzung der Paris-Ziele nicht durch konkrete Ankündigungen
       ergänzt wurde. „Hamburg hätte ein Zeichen senden müssen, dass die großen
       Industrie- und Schwellenländer den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas
       beschleunigen“, sagte Greenpeace-Geschäftsführerin Sweelin Heuss. „Die
       Bundeskanzlerin hätte den G20-Gipfel dafür nutzen müssen, den Ausstieg aus
       der klimaschädlichen Kohlekraft in Aussicht zu stellen“, erklärte
       Oxfam-Kampagnenleiter Jörn Kalinski.
       
       Wie reagierten die G20-Staaten auf den Hunger in Afrika? Die USA haben auf
       dem Gipfel zugesagt, 639 Millionen Dollar gegen den Hunger im Südsudan,
       Nigeria, Somalia und Jemen beizusteuern. Die NGO World Vision nannte das
       ein „wichtiges Signal“, aber eben auch zu wenig Mittel, angesichts des
       Hungers. 600.000 Kinder seien schwer unterernährt. „Viele von ihnen werden
       den heutigen Tag nicht überleben“, schreibt World Vision.
       
       Der Schritt der USA war längst überfällig, da der US-Kongress im April
       schon 990 Millionen US-Dollar zur Ernährungssicherung bereitgestellt hatte.
       Bislang hatten andere Staaten erst knapp die Hälfte von 4,9 Milliarden
       Dollar zugesagt, die die Vereinten Nationen erbeten hatten.
       
       Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisiert, dass die G20 drängende
       Probleme in Afrika nicht anpacken würden. „Trotz der Proteste gegen die
       wachsende soziale Ungleichheit auf der Welt haben die Staats- und
       Regierungschefs es nicht vermocht, die Weichen in Richtung mehr soziale
       Gerechtigkeit zu stellen“, schreib Oxfam. Zwar hat Deutschland eine neue
       Partnerschaft mit Afrika mit Namen „Compact with Africa“ ins Leben gerufen.
       Mit ihr sollen private Investitionen nach Afrika gelockt werden, etwa für
       die Infrastruktur. Entwicklungsorganisationen sehen das kritisch, weil
       damit den wirklich armen Ländern nicht geholfen ist.
       
       Handelskrieg nicht gebannt 
       
       Ein weiteres großes Thema des Gipfel war der internationale Handel. Die
       Frage, die eine Journalistin an Angela Merkel auf der
       Abschlusspressekonferenz dazu richtete, ist simpel: Glaubt Merkel, dass die
       Gefahr eines Handelskrieges zwischen der EU und den USA mit dem
       Abschluss-Communiqué gebannt ist? „Ich glaube, dass die Diskussionen weiter
       schwierig bleiben wird“, sagte die Kanzlerin, was übersetzt heißt: Die
       Gefahr ist nicht gebannt.
       
       Hintergrund ist ein seit Jahren tobender und seit Trumps Amtsübernahme
       eskalierender Streit über die zu hohen Exportüberschüsse der EU,
       insbesondere Deutschlands, in die USA. Das erzeugt ein wirtschaftliches
       Ungleichgewicht – das zu ändern ist eines der Kernanliegen der
       Trump-Regierung. Washington schwebt ein neues Steuersystem vor, das
       ausländische Unternehmen, die Waren in die USA einführen wollen, stark
       benachteiligen würde. Das wiederum würde einen Gegenschlag der
       EU-Kommission auslösen und könnte zu dem führen, was Journalisten gern
       martialisch „Handelskrieg“ nennen, de facto Protektionismus bedeutet.
       
       Nun seht immerhin ein Satz im Communiqué, dass die G20 gegen
       Protektionismus sind. Außerdem wolle man exzessive globale Ungleichgewichte
       reduzieren. Heißt das also, weniger deutschen Exportüberschuss? Im Prinzip
       kann jeder in den Satz hineininterpretieren, was er will. Erst einmal
       köcheln die Konflikte also weiter. Bis zum Treffen der Handelsminister der
       Welthandelsorganisation in Buenos Aires im Dezember dieses Jahres. Da soll
       dann weiter über das heikle Thema verhandelt werden.
       
       Und was macht so ein Gipfelbeschluss jetzt? Erst einmal nichts. Die 15
       Seiten sind eine reine Absichtserklärung. Dennoch gelten die G20-Beschlüsse
       als Leitlinie internationaler Politik. Die Gipfeldokumente sind der
       Kompass, wo es hingeht auf der Welt. Sonst würden auch kaum so viele
       Menschen dagegen demonstrieren.
       
       8 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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