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       # taz.de -- Gaskrise und Gesellschaft: Uniper und Co enteignen
       
       > Werden Konzerne gerettet, gehören sie vergesellschaftet: Wer zahlt, muss
       > auch über Produktionsbedingungen und Unternehmensethik entscheiden
       > dürfen.
       
   IMG Bild: Gehört es bald uns allen? Uniper-Gaskraftwerk in Gebersdorf
       
       „Churchill sagte: ‚Verpasse niemals eine gute Krise.‘ Wir haben definitiv
       eine gute Krise, lassen Sie uns die nicht verpassen.“ Das sagte Uniper-Chef
       Klaus-Dieter Maubach Anfang September in Mailand, zumindest [1][twitterte
       es die Messe „Gastech Event“] am 5. September samt einem Foto des
       Unternehmenschefs. Wenige Stunden später war der Eintrag gelöscht.
       
       Da es keinen offiziellen Mitschnitt der Rede gibt und eine taz-Anfrage
       unbeantwortet blieb, kann nicht eindeutig geklärt werden, ob die Aussage
       wirklich fiel. Es wäre aber jedenfalls recht ungewöhnlich, sich als
       professionelles Social-Media-Team einer hochkarätigen Messe einen solchen
       Satz ohne jegliche Grundlage auszudenken.
       
       Fakt ist: Es gibt Gründe für die Annahme, dass [2][Deutschlands größter
       Gaslieferant Uniper,] der sich gerade von 34 Milliarden Euro der
       Verbraucher*innen in Form einer Gasumlage retten lässt, diese Krise,
       diesen Krieg, ganz „gut“ findet. Das Unternehmen schrieb schon 2021 rote
       Zahlen, [3][wies nach IRFS-Berechnungen einen Jahresfehlbetrag von über 4
       Millionen Euro auf.]
       
       Auch in den Jahren 2015–2018 hatte es schon schlecht ausgesehen, zum Teil
       verbuchte Uniper da schon [4][Milliardenverluste]. Das war alles vor dem
       Krieg, vor der Gasdrosselung durch Russland. Es kann dem Konzern nur
       gelegen kommen, dass es dieses Jahr mit der Krise einen einleuchtenden
       Grund gibt, staatliche Milliarden für sich abzuschöpfen.
       
       Uniper, das ist ein Energiekonzern, der ungeachtet der Klimakatastrophe
       Steinkohle- und Kohlestrom in Deutschland produziert hat. Weltweit betreibt
       er Atomkraftwerke und plant Frackingprojekte, [5][die Meere und Wälder
       zerstören würden], nimmt Menschenrechtsverletzungen für Steinkohleabbau in
       Kolumbien in Kauf. Uniper [6][verklagt die niederländische Regierung auf
       eine halbe Milliarde Euro], weil diese den Kohleausstieg beschlossen hat.
       Gerade tritt Uniper mit 175.000 Euro als „Platin-Sponsor“ der oben
       genannten Gastech-Messe in Erscheinung. Sinn für das Gemeinwohl kann man da
       nur schwer erkennen.
       
       Nun ist es bei Uniper ein bisschen wie damals mit den Banken in der
       Finanzkrise: Sie haben eine so enorme Auswirkung auf das Leben fast aller,
       dass ihr Zusammenbruch verheerend wäre. Ohne Uniper könnte es in
       Deutschland mit dem Heizen diesen Winter schwierig werden. Es ist also
       notwendig, den Konzern zu „retten“. Mit der Gasumlage beteiligen sich an
       dieser Rettung alle, die Gaskosten bezahlen – also Menschen ohne Einkommen
       wie Renter*innen, Studierende und Arbeitslose; und zwar mit mehreren
       hundert Euro jährlich, die auch vom Entlastungspaket nur dürftig
       aufgefangen werden.
       
       ## Ein altes Lied
       
       Es ist ein altes Lied: Unternehmen lassen ihre Verluste von der
       Allgemeinheit tragen, behalten Profite aber für sich. Meist geschieht die
       Rettung unter Krokodilstränen und mit der Beteuerung, wie übel die Lage
       sei: „[7][Das Schlimmste steht uns noch bevor]“ (Uniper), „Das ist
       niederschmetternd, [8][das tut weh]“ (Lufthansa). Wenige Jahre später
       fließen wieder Profite, Dividenden werden ausgeschüttet, Stellen dagegen
       oftmals gestrichen – [9][bei der Commerzbank] wie bei [10][der Lufthansa].
       
       Doch wer auf dem Rücken der Allgemeinheit vor der Pleite bewahrt wird, muss
       der Allgemeinheit gehören – sowohl finanziell als auch konzernpolitisch.
       Aktuell bekommt die Allgemeinheit allenfalls eine Beruhigungspille: Der
       Staat steigt zu 30 Prozent bei Uniper ein, ist also Aktionär, kann
       irgendwann auch mal mit Dividenden rechnen und könnte – theoretisch –
       mitbestimmen, was da so läuft. Einen Eingriff ins operative Geschäft hat
       [11][Bundeskanzler Scholz allerdings ausgeschlossen].
       
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Scholz werden
       nicht müde, beim Thema Gasumlage und Gaspreisexplosion zu betonen, dass
       Putin mit seinem Angriffskrieg die Schuld an der Situation trage: Nur wegen
       gedrosselter Gaslieferungen muss teuer anderswo gekauft werden. Doch lenkt
       Habeck so von seinem faktischen Handlungsspielraum ab. Ein Staat muss sich
       von einem Konzern, der dazu auch noch am Boden liegt, zu nichts zwingen
       lassen.
       
       Gerecht und konsequent wäre eine Demokratisierung von Konzernen wie Uniper
       und allen, die von der Gasumlage profitieren. Das bedeutet: nicht nur eine
       hundertprozentige Übernahme der Aktien durch den Staat, sondern vor allem:
       Verbraucherschützer*innen, Klima- und Umweltexpert*innen und
       Arbeitsrechler*innen in den Aufsichtsräten. So würde sichergestellt,
       dass der von der Allgemeinheit gerettete Konzern auch im Sinne der
       Allgemeinheit handelt: durch eine klimafreundliche Transformation, faire
       Arbeitsbedingungen und gedeckelte Preise.
       
       ## Wer zahlt, hat Besitzanspruch
       
       Sich am Gemeinwohl orientieren und nicht am privaten Profit: Das mag
       utopisch klingen – dabei wäre es sogar in der kapitalistischen Denkweise
       logisch: Wer zahlt, hat Besitzanspruch. Zahlen tun wir alle. Die
       Mitbestimmung steht uns zu. Banner auf Demonstrationen mit der Aufschrift
       „Energiekonzerne enteignen“ sind nicht radikal, sondern folgerichtig.
       
       Die gesellschaftliche Linke ist in der aktuellen sozialen Krise
       erschütternd visionslos. Die Übergewinnsteuer ist eine viel zu zaghafte
       Forderung, angesichts dessen, was einer zahlenden Gesellschaft eigentlich
       zusteht. Warum soll ein Unternehmen auf dem Rücken des Kollektivs denn
       überhaupt Gewinne machen dürfen? Auch die Einmalzahlungen in den
       Entlastungspaketen lösen keine Probleme. Die Beträge helfen den Menschen,
       die hohen Energiekosten zu tragen – landen am Ende also auf den Konten der
       Konzerne. Das ist indirekte Subventionierung.
       
       Wieder andere schauen auf die „Trittbrettfahrer“ der Gasumlage, die gar
       nicht insolvent sind und trotzdem mit unser aller Geld finanziert werden.
       Das ist unfair. Aber es ist allenfalls ein Teilproblem. Dass die Plattform
       Campact in einer Petition die Rettung „nur“ von tatsächlich
       insolvenzbedrohten Unternehmen fordert, ist Zeugnis einer sprachlosen und
       von neoliberalen Dogmen gelähmten Gesellschaft, die nicht mehr weiß, wie
       ihr geschieht. Der verengte Blick muss sich weiten. Raus aus der Defensive!
       
       10 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/SaschaDueerkop/status/1566912235187978241
   DIR [2] /Uniper-und-verminderte-Gaslieferungen/!5865320
   DIR [3] https://www.uniper.energy/news/de/uniper-erreicht-finanzziele-fuer-geschaeftsjahr-2021-und-senkt-nettoverschuldung-deutlich
   DIR [4] https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/eon-tochter-uniper-tief-in-den-roten-zahlen-drastische-kostensenkungen-geplant_H487351258_348739/
   DIR [5] https://presseportal.greenpeace.de/217307-uniper-gefahrdet-meere-jetzt-auch-mit-steuergeldern
   DIR [6] /Archiv-Suche/!5763095&s=/
   DIR [7] https://www.cnbc.com/2022/09/06/uniper-says-worst-is-still-to-come-as-russia-halts-gas-flows-to-europe.html
   DIR [8] https://www.aero.de/news-35259/Lufthansa-Chef-warnt-vor-zu-hohen-Lasten.html
   DIR [9] https://www.dw.com/de/commerzbank-streicht-tausende-stellen/a-16547082
   DIR [10] https://www.deutschlandfunk.de/radikaler-stellenabbau-geplant-der-schritt-ist-100.html
   DIR [11] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/uniper-rettungspaket-staatshilfe-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lea Fauth
       
       ## TAGS
       
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