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       # taz.de -- Gegen Rechtsruck in den Niederlanden: Antirassismusplan der Denk-Partei
       
       > Die 2015 gegründete Denk-Partei prescht mit einem Antirassismusplan vor.
       > Teil davon ist auch ein „Rassismus-Register“.
       
   IMG Bild: Denk-Gründer Öztürk (r.) und Tenahan Kuzu (l.): beide von der SPD ausgeschlossen
       
       Die 2015 neu gegründete Partei Denk sorgt in den Niederlanden mit einem
       Plan zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung für Aufregung. Der
       nun veröffentlichte Plan enthält Vorhaben wie die Umbenennung von Straßen
       oder Tunnel, die an die niederländische Kolonialgeschichte und
       Sklavenhandel erinnern. Außerdem will man den Begriff allochtoon
       („Ausländer“) etwa durch „türkische oder surinamesische Niederländer“
       ersetzen und eine spezielle „Rassismus-Polizei“ mit 1.000 Beamten ins Leben
       rufen.
       
       Der Plan ist ein Vorgriff auf das Wahlprogramm der 2015 gegründeten Partei.
       Das bekannte Denk-Mitglied Farid Azarkan kündigte im niederländischen TV
       an, das Thema werde „sicher ein zentraler Punkt“ im Wahlkampf. Knapp ein
       halbes Jahr vor den Wahlen zum niederländischen Parlament zeichnet sich ab,
       dass Integration und Migration zu den dominierenden Fragen zählen werden –
       zumal die zuwanderungsfeindliche Partij voor de Vrijheid (PVV) durch die
       europäische Flüchtlingskrise monatelang an den Spitzen der Umfragen stand.
       
       Denk will dem Rechtsruck etwas entgegensetzen. So betonte Azarkan: „Alle
       Niederländer sind Bürger dieser Gesellschaft und stolz darauf.“ Der Plan
       seiner Partei sieht daher auch einen jährlichen „Feiertag der
       niederländischen Staatsbürgerschaft“ vor. Nach „40, 50 Jahren Reden über
       Diskriminierung“ sei es nun Zeit für Taten, sagte Azarkan weiter. Dazu
       zählen laut seiner Partei auch schwerere Strafen für rassistisches und
       diskriminierendes Verhalten. Verurteilungen sollen in einem
       „Rassismus-Register“ festgehalten werden. Die Betroffenen sollen nicht mehr
       für den öffentlichen Dienst infrage kommen.
       
       Heftige Reaktionen gibt es vor allem von Seiten rechter und
       neokonservativer Blogs und Publizisten, denen Denk als spezielle Partei für
       Migranten, besonders mit türkischem Hintergrund, gilt. So bezeichnete sie
       der Kommentator Arthur van Amerongen von der Zeitschrift HP De Tijd als
       „Rassismus-Gestapo“.
       
       Doch auch über diese Kreise hinaus ist die Partei umstritten. Die Gründer
       Tunahan Kuzu und Selçuk Öztürk wurden 2014 aus der Parlamentsfraktion der
       Sozialdemokraten ausgeschlossen. Sie hatten sich gegen ein neues
       Integrationskonzept ausgesprochen, das Akteure wie Milli Görüs, die
       türkische Religionsbehörde Diyanet sowie die Gülen-Bewegung unter die Lupe
       nehmen wollte. Kritisiert werden die Parteigründer auch für ihre AKP-Nähe
       und dafür, den armenischen Genozid nicht anzuerkennen. Von Kuzu existieren
       zudem Videoaufnahmen, wie er 2015 auf einer Demonstration in Rotterdam
       spricht, bei der Symbole der faschistischen „Graue Wölfe“ gezeigt werden.
       
       Am Wochenende blieb Denk indes für einen besonderen Neuzugang in den
       Schlagzeilen: In Alkmaar erklärte am Samstag der Kommunalpolitiker Mohamed
       Keskin seinen Übertritt zur Partei. Auch er ist ein ehemaliger
       Sozialdemokrat, der im Frühjahr nach acht Jahren im Gemeinderat von Alkmaar
       seinen Abschied erklärte. Vor allem auf sozialem Gebiet könne er den Kurs
       seiner früheren Partei den Wählern nicht mehr erklären, so Keskin.
       
       In einem Interview mit dem NRC Handelsblad hatte Keskin schon im Sommer
       betont, er könne sich nicht mehr für eine Partei einsetzen, die die Schuld
       für die schwierige Integration von Muslimen fälschlicherweise bei Menschen
       wie ihm sucht – er sei „ein gebürtiger Alkmaarer und echter kaaskop“.
       Keskin stellte gar eine Abwanderungswelle migrantischer Politiker aus
       linken und liberalen Parteien in Aussicht.
       
       10 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tobias Müller
       
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