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       # taz.de -- Geiselnahme in Synagoge in Texas: Rätselraten um den Täter
       
       > Der Bruder des Angreifers fragt sich: Wie konnte er trotz Vorstrafen an
       > ein Visum gelangen? Jüdischen Gemeinden bleibt das Gefühl mangelnden
       > Schutzes.
       
   IMG Bild: Alle Geiseln blieben unverletzt: Synagoge der Congregation Beth Israel in Colleyville, Texas
       
       Berlin taz | Auch zwei Tage nach der [1][Geiselnahme in einer Synagoge] im
       US-Bundesstaat Texas ist nicht wirklich klar, was den Täter angetrieben
       hat. Elf Stunden lang hatte er am Samstag vier Menschen in der Synagoge der
       Congregation Beth Israel in der 26.000-Einwohner*innenstadt Colleyville im
       Großraum von Dallas festgehalten, darunter den Rabbiner Charlie
       Cytron-Walker.
       
       Er hatte mit der Polizei verhandelt, hatte gefordert, die Inhaftierte
       [2][Aafia Siddiqui] sehen zu können, die nur ein paar Kilometer weiter eine
       86-jährige Haftstrafe absitzt. Er hatte behauptet, eine Bombe zu haben –
       später wurde keine gefunden. Später, damit ist das Ende des langen Tages
       gemeint, als die Geiseln frei und unverletzt waren und ein Polizeikommando
       den Attentäter erschossen hatte.
       
       Am 29. Dezember war Malik Faisal Akram in den USA eingetroffen. Der
       44-jährige Brite aus dem nordenglischen Industriestädtchen Blackburn
       landete auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen in New York. Er stand auf keiner
       Terrorliste, niemand hielt ihn auf. Die erste Nacht auf US-amerikanischem
       Boden verbrachte er nach bisherigen Erkenntnissen in einer
       Obdachlosenunterkunft. Später besorgte er sich irgendwo auf der Straße die
       Waffe, die er am Wochenende in Texas benutzte, um die Menschen in der
       Synagoge einzuschüchtern.
       
       Aber was Malik Faisal Akram mit der als Terroristin verurteilten Aafia
       Saddiqui verbindet, ist noch immer unklar. Vielleicht auch nichts – außer,
       dass er sich irgendwie in Szenen bewegt haben könnte, in denen Saddiqui als
       unschuldig verurteilte muslimische Schwester gilt.
       
       ## Der Bruder spricht von ernsthaften psychischen Störungen
       
       Während der stundenlangen telefonischen Verhandlungen zwischen der Polizei
       draußen und dem Geiselnehmer drinnen war auch seine Familie aus Blackburn
       zugeschaltet. Von dort versuchten sie, einen glimpflichen Ausgang zu
       arrangieren. Aber „es gab nichts, was wir ihm hätten sagen oder tun können,
       dass ihn zum Aufgeben gebracht hätte,“ schreibt Malik Akrams Bruder Gulbar
       später auf Twitter.
       
       Die Familie sei am Boden zerstört. „Wir rechtfertigen keine seiner
       Handlungen und möchten uns von ganzem Herzen bei allen Opfern dieses
       unglücklichen Vorfalls entschuldigen“, schreibt der Bruder im Namen der
       Familie. Deren Priorität liege jetzt darin, den Leichnam zur Bestattung
       zurück nach Großbritannien überführen zu können.
       
       Aber es ist ihnen wichtig zu sagen: „Es ist absolut unentschuldbar für
       einen Muslim, einen Juden anzugreifen, oder für einen Juden, einen Muslim,
       Christen oder Hindu anzugreifen oder umgekehrt.“ Die islamische Gemeinde in
       Blackburn schrieb auf Twitter: „Möge der Allmächtige ihm all seine Sünden
       vergeben und ihn im Paradies aufnehmen.“
       
       Aber da ist auch Unverständnis. Gegenüber dem Sender Sky News sagt Akrams
       Bruder Gulbar: „Er war der Polizei bekannt. Er hatte Vorstrafen. Wie konnte
       er einfach ein Visum und eine Waffe bekommen?“ Und: Malik habe unter
       ernsten psychischen Störungen gelitten.
       
       ## Anwältin von Aafia Siddiqui verurteilt die Geiselnahme
       
       Also ein Durchgeknallter, ein Einzelgänger auch? Die britische Polizei ist
       davon offensichtlich nicht völlig überzeugt und nahm am Sonntag in
       Manchester zwei Jugendliche fest. Was den beiden wohl Minderjährigen
       vorgeworfen wird, war zunächst unklar – sie sollten ab Sonntagabend verhört
       werden.
       
       US-Präsident Joe Biden verurteilte die Geiselnahme als einen
       terroristischen Akt. Am Mittwoch will er in einer ohnehin anberaumten
       Pressekonferenz weitere Details bekanntgeben.
       
       Auch die Verteidigung der inhaftierten Pakistanerin Aafia Siddiqui
       verurteilt die Geiselnahme. „Sie möchte keinerlei Gewalt gegen irgendeinen
       Menschen, besonders nicht in ihrem Namen“, sagte ihre Anwältin Marwa
       Elbially dem US-Sender CNN.
       
       Und John Floyd, Vertreter des Rates für US-amerikanisch-islamische
       Beziehungen in Houston, schrieb noch während der Geiselnahme in einer
       Stellungnahme: „Wir wollen, dass der Angreifer weiß, dass sein Handeln böse
       ist.“ Akram unterminiere die Anstrengungen jener, die sich um
       „Gerechtigkeit für Dr. Aafia“ bemühten.
       
       Das Rätselraten um die Beweggründe Akrams, zu diesem Moment solch eine
       Operation zu unternehmen, bleibt. Aber es bleibt auch das Gefühl vieler
       jüdischer Gemeinden in den USA, nicht ausreichend geschützt zu sein. Rabbi
       Cytron-Walker, der den Gottesdienst am Schabbat geleitet hatte, verwies
       darauf, dass nur ein individuell absolviertes Sicherheitstraining ihm
       geholfen habe, den Samstag heil zu überstehen.
       
       17 Jan 2022
       
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       ## AUTOREN
       
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