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       # taz.de -- Gemeinwohlorientierte Mietenpolitik: So billig könnte deine Wohnung sein
       
       > Eine neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt: Für günstige Mieten
       > braucht es vor allem Eigentümer:innen, die nicht auf Profit aus sind
       
   IMG Bild: Stressfrei wohnen ohne Profitzwang: Wohnblock der Gewobag in Reinickendorf
       
       Wie hoch darf eine faire Miete in Berlin sein? Ist es die [1][im
       Mietspiegel] festgehaltene ortsübliche Vergleichsmiete, die 2024 im Mittel
       bei 7,21 Euro nettokalt pro Quadratmeter lag? Oder sollte sie, wie die
       30-Prozent-Faustregel nahelegt, nicht mehr als ein Drittel des Einkommens
       betragen? Oder ist eine Wohnung das wert, was Menschen bereit sind zu
       zahlen? Das wären rund 15 Euro pro Quadratmeter, wenn man die
       durchschnittlichen Angebotsmieten in Berlin betrachtet.
       
       Die Autor:innen [2][der Studie „Keine Profite mit der Miete“], die am
       Montag bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Friedrichshain vorgestellt wurde,
       haben einen weiteren Vorschlag: Der Preis fürs Wohnen sollte nicht höher
       sein als die Kosten, die es verursacht. Und die sind gar nicht mal so hoch,
       wie die vier Autor:innen um den Stadtsoziologen Andrej Holm
       nachrechneten. Das Ergebnis: Mehr als 5,42 Euro netto kalt pro Quadratmeter
       müsste Wohnen nicht kosten. Dabei sind Instandsetzung, Modernisierungen und
       eine zuverlässige Verwaltung schon mit inbegriffen.
       
       Die Ergebnisse der Studie dürfte besonders
       [3][Enteignungs-Befürworter:innen] freuen: „Eine Vergesellschaftung großer
       Wohnungsbestände mit dem Ziel, Wohnungen nach Kostenmieten zu
       bewirtschaften, könnte die Mietpreisspirale stoppen“, sagt Alrun
       Kaune-Nüßlein, Sprecherin der linksparteinahen Stiftung.
       
       Um den Wert zu ermitteln, verglichen die Autor:innen drei Fallbeispiele,
       in denen Unternehmen schon jetzt Immobilienbestände abseits von reinem
       Profitinteresse verwalten. Untersucht wurden die sechs landeseigenen
       Wohnungsbauunternehmen (LWU) und eine Auswahl an vier Genossenschaften aus
       Berlin. Dazu das städtische Unternehmen Wiener Wohnen, das in der
       österreichischen Hauptstadt 210.000 Wohnungen verwaltet. Mit seinem hohen
       Anteil an kommunalen günstigen Wohnungen gilt Wien international als
       Positivbeispiel für soziale Wohnungspolitik.
       
       ## Neubau vs. Bestand
       
       Die Autor:innen analysierten, wie sich die Bestandsmieten im Jahr 2022
       bei den einzelnen Unternehmen zusammensetzten – darunter Personalausgaben,
       Instandsetzungskosten, Zinsen und weitere Betriebskosten – und bildeten
       dann einen Mittelwert. Dabei stießen sie auf interessante Unterschiede. So
       sind die Ausgaben der Genossenschaften für Instandsetzung deutlich höher
       als die der kommunalen Unternehmen. „Die Wohnungsbaugenossenschaften sind
       sehr auf die Zufriedenheit der Mieter:innen orientiert“, erklärt Autorin
       Itziar Gastaminza Vacas. Kostenintensiver Neubau sei hingegen kein
       Unternehmensziel.
       
       Anders als bei Berlins LWU: Die vergleichsweise hohe Durchschnittsmiete
       erklärt sich auch durch die ambitionierten Neubauziele. Da die Unternehmen
       wirtschaftlich bleiben müssen, werden die Neubauvorhaben mit den
       Bestandsmieten quersubventioniert. „Im Moment gilt die Logik: Wir müssen
       Mieten erhöhen, wenn wir ankaufen und neu bauen wollen“, sagt Andrej Holm.
       Das Argument, dass Neubau die Bestandsmieten durch eine Entlastung des
       Marktes senken würde, werde innerhalb des Unternehmens ins Gegenteil
       verkehrt.
       
       Die Wiener Wohnen hingegen ist explizit nicht zur Wirtschaftlichkeit
       verpflichtet, sondern soll in erster Linie günstigen Wohnraum
       bereitstellen. Neubau lagert das kommunale Unternehmen an ein
       Tochterunternehmen aus. Bei Bestandsmanagement und Neubau handelt es sich
       in Wien um komplett unabhängige Finanzierungskreisläufe.
       
       Ein Modell, das sich die Autor:innen auch für Berlin vorstellen können:
       „Es müssen andere Wege her, Modernisierung und Bestandserweiterung zu
       finanzieren“, fordert Sebastian Gerhardt. Besonders die umfassenden
       energetischen Sanierungen könnten nicht allein durch Mieterhöhungen
       refinanziert werden. Aufgegriffen hat die Forderung bereits die
       Linkspartei. Der Abgeordnete Nikolas Schenker fordert eine Erhöhung des
       Eigenkapitals der LWU, um Neubau und Modernisierung zu stemmen: „Ein
       nicht-profitorientierter Wohnungsmarkt ist der Schlüssel, um bezahlbare
       Mieten darzustellen.“
       
       15 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Mietenkrise-in-Berlin/!6010566
   DIR [2] https://www.rosalux.de/publikation/id/52303/keine-profite-mit-der-miete
   DIR [3] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6023436
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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