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       # taz.de -- Generationen: Der Mythos vom Konflikt
       
       > Boomer konservativ, Millennials Weicheier, Gen Z faul – ständig wird
       > Streit zwischen den Generationen heraufbeschworen. Doch das ist zu
       > einfach und überdeckt die tatsächlichen Konflikte.
       
   IMG Bild: „Omas gegen Rechts“
       
       Gerne werden Generationen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben: „Boomer
       sind konservativ“. „Die Gen Z ist faul.“ „Millennials sind nicht
       belastbar.“ Kaum ein gesellschaftlicher Diskurs kommt heute ohne solche
       Zuschreibungen aus. Glaubt man diesen Narrativen, gibt es große
       Generationenkonflikte. Doch laut der Forschung sind Generationen nichts
       mehr als ein Mythos.
       
       Die Unterteilung in verschiedene Generationen ergibt nämlich keinen Sinn.
       Und über verschiedene politische Einstellungen sagt sie auch nichts aus.
       Die Grenzen sind willkürlich gezogen, und die Zuschreibungen basieren auf
       Stereotypen.
       
       ## „So viel wert wie ein Horoskop“
       
       Mit Generationen setzte sich kürzlich auch [1][die Doku „X, Y, Z – Die
       Generationenlüge“] auseinander. Der Soziologe Martin Schröder bringt es
       darin auf den Punkt: „Die Generationenforschung und auch die ganzen
       Ratgeber zu Generationen sind so viel wert wie ein Horoskop.“
       
       Die Datenlage gibt ihm recht. Die Haltung zum Thema Klimaschutz hängt
       [2][von anderen Faktoren als vom Alter ab], und [3][junge Menschen arbeiten
       so viel wie seit den 1990ern nicht mehr]. Generationenstudien sind vor
       allem fehlerhaft, weil Menschen immer nur zu einem bestimmten Zeitpunkt
       befragt werden, statt dass man sie jahrzehntelang begleitete.
       
       Auch der Arbeitspsychologe Hannes Zacher betont: Es gibt keine belastbare
       Evidenz dafür, dass Geburtsjahrgänge homogene Wertegruppen bildeten.
       „Generationen sind ein Mythos“, sagt er. Viel sinnvoller sei es, über
       Alter, Erfahrung oder konkrete Lebensumstände zu sprechen. Trennend ist oft
       nicht das Alter, sondern sozioökonomische Unterschiede sind es.
       Lebensrealitäten sind eher durch Klasse, Bildung, Einkommen und Wohnort
       geprägt als durch das Geburtsjahr. „Es gibt viel mehr Unterschiede zwischen
       Individuen als zwischen Generationen“, meint er.
       
       ## Lenkt von realen Interessenskonflikten ab
       
       Die Erzählung von den Generationen ist dennoch profitabel. Coachings,
       Ratgeber und selbst Boomermemes stützen sich darauf. Pseudowissenschaftlich
       wird dann erklärt, was bestimmte Altersgruppen interessiere oder antreibe
       und welche Ansprüche sie an die Arbeitswelt stellten.
       
       Der Mythos vom Generationenkonflikt erfüllt zudem eine politische Funktion:
       Er lenkt von realen Interessenkonflikten ab und ersetzt Systemkritik durch
       Altersklischees. Wenn junge Menschen faire Arbeitsbedingungen fordern,
       werden sie häufig als anspruchsvoll abgestempelt.
       
       Und wenn über steigende Mieten diskutiert wird, werden ältere Menschen oft
       als „die wohlhabende Boomergeneration“ bezeichnet. Dabei wird ausgeblendet,
       dass viele Ältere – [4][besonders Frauen] – mit sehr niedrigen Renten
       leben und von Armut betroffen sind. Solidarischer Klassenkampf statt
       Generationenzuschreibungen, sollte es also heißen.
       
       ## Solidarisches Handeln ist generationenübergreifend
       
       Beispiele wie die Initiative Omas for Future zeigen, dass solidarisches
       Handeln generationenübergreifend funktioniert. Hier engagieren sich
       ältere Menschen gemeinsam mit Jugendlichen für Klimaschutz. Und ganz
       nebenbei dekonstruieren sie das Bild der klimaschädlichen Boomergeneration.
       
       Wir alle verändern uns. Nicht nur, weil wir älter werden, sondern weil sich
       unsere Gesellschaft als Ganzes wandelt und somit auch gesellschaftliche
       Haltungen. Die Fokussierung auf Generationen verdeckt oft diesen
       kollektiven Lernprozess, wenn junge Menschen pauschal als „unfähig“ oder
       „nicht belastbar“ abgewertet werden, oder umgekehrt, wenn ältere Menschen
       als „rückständig“ oder „nicht mehr lernfähig“ abgestempelt werden. Beides
       ist eine Form von Altersdiskriminierung, die gesellschaftlich tief
       verankert ist und durch den Mythos der Generationenkonflikte nur noch
       verstärkt wird.
       
       Wenn über unterschiedliche Generationen gesprochen wird, steht meistens das
       Trennende im Fokus und nicht das, was Menschen verbindet. Und noch mehr
       Spaltung braucht unsere Gesellschaft nun wirklich nicht.
       
       Am Ende bleibt die Frage: Warum halten wir so gerne am Mythos Generationen
       fest? Vielleicht, weil es bequem ist, Leuten eine Haltung oder einen
       Lebensstil zuzuschreiben, statt sich wirklich mit deren Meinung
       auseinanderzusetzen.
       
       Wenn man wirklich verstehen will, was Menschen bewegt, braucht es mehr
       Interesse aneinander und an Begegnungen, die über Generationengrenzen
       hinausgehen. Dann merken wir vielleicht auch schnell, dass uns mehr
       verbindet, als wir denken. Weil es Wichtigeres gibt als das Alter.
       
       12 May 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/xyz-die-generationenluege-108.html
   DIR [2] https://www.klimareporter.de/gesellschaft/wie-stehen-die-menschen-in-deutschland-zum-klimaschutz-sieben-erkenntnisse
   DIR [3] https://www.iab-forum.de/generation-z-noch-ein-klischee-weniger/
   DIR [4] /Politologin-ueber-Altersarmut-bei-Frauen/!6066327
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leyla Roos
       
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